27. August 2023, 18:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sie schlafen ausreichend, fühlen sich im Prinzip gesund – sind aber trotzdem ständig müde? Ein Schlafmediziner über mögliche Ursachen, Möglichkeiten der Abhilfe und wann das Problem ein Fall für den Arzt ist.
Bleierne Müdigkeit tagsüber ist für Betroffene eine große Last. Sie schränkt die Leistungsfähigkeit und kann im schlimmsten Fall krank machen. Der Blick richtet sich dann zunächst auf die Schlafdauer – doch manche Menschen stellen dann mit Erstaunen fest, dass sie eigentlich genug davon abbekommen haben. Und auch sonst gibt es keine Anzeichen dafür, dass gesundheitlich etwas nicht stimmt, vielleicht wurde sogar schon ein Blutbild gemacht und die Werte waren in Ordnung. Der Kölner Schlafmediziner Dr. Michael Feld nennt gegenüber FITBOOK mögliche Ursachen für ständige Müdigkeit, welche ohne ersichtliches Schlafdefizit auftritt, erklärt, welche Maßnahmen Abhilfe schaffen könnten – und sagt, wann man mit dem Problem besser zum Arzt gehen sollte.
Übersicht
- Körperliche Ursachen bleierner Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf
- Ständig müde: Sie schlafen genug – aber wie schlafen Sie?
- Wenn falsche Ernährungsgewohnheiten und aufwühlende Gefühle erholsamen Schlaf verhindern
- Wer ohne Schlafdefizit ständig müde ist, ignoriert womöglich auch seine innere Uhr
- Dauermüdigkeit kann auch Anzeichen einer Depression sein und die 3-3-3-Regel kann helfen, sie zu erkennen
Körperliche Ursachen bleierner Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf
Wenn man tagsüber mit einer bleiernen Müdigkeit zu Kämpfen hat, hat der Schlaf an sich nicht für die nötige Regeneration gesorgt – auch, wenn er lange genug war. Doch wie kommt es dazu, dass der Schlaf, den wir abbekommen, uns nicht ausreichend regeneriert? Die beiden häufigsten körperlichen Ursachen sind laut Dr. Michael Feld „Schnarchen und eine zu flache Atmung“ – beide beeinträchtigen die Qualität des Schlafes maßgeblich.
„Das liegt unter anderem auch an den Muskeln im Rachenraum, die mit zunehmendem Alter immer mehr erschlaffen“, erklärt der Schlafmediziner. Für das Schnarchen sind neben dem Alter und einem zu engen Rachenraum das Gewicht, Rückenlage und Alkoholkonsum weitere provozierende Faktoren. Außerdem sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Schnarcher haben ein erhöhtes Risiko für Krebs sowie Blutgerinnsel, wie eine Studie 2022 gezeigt hat. Mehr zur Behandlung von Schnarchen lesen Sie hier.
Sie schlafen neben einem Schnarcher? Auch das kann ursächlich für Müdigkeitsanfälle sein, die Sie tagsüber überfallen. Feld: „Wir schlafen einfach besser und ruhiger, wenn wir alleine sind.“ Den schnarchenden Liebsten aus dem Bett werfen, klingt unromantisch. Kann aber eine höchst sinnvolle Maßnahme sein, um morgens erholt aufzustehen.
Ständig müde: Sie schlafen genug – aber wie schlafen Sie?
Eine weitere mögliche Ursache für ständige Müdigkeit ist eine gestörte bzw. nicht vorhandene Schlafhygiene. Diese meint nicht ob genug geschlafen wurde, sondern wie. Schlafhygiene umfasst – neben dem rechtzeitigen Zubettgehen – weitere Maßnahmen, die den erholsamen Schlaf fördern sollen. „Ein dunkles, kühles und ruhiges Zimmer, pflanzliche Präparate aus Passionsblume und Baldrian sowie die Angewohnheit, kurz vor dem Schlafengehen alle vom Tag übrig gebliebenen Gedanken aufzuschreiben, können schon einen großen Unterschied machen“, erläutert Feld gegenüber FITBOOK.
Entspannungsverfahren unter Lavendelduft verringern übrigens die Albtraumneigung, wie man aus der Schlafforschung weiß. Es gibt sie rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen. Wichtig: Es funktioniert nur, wenn Sie den Duft mögen… was bei Lavendel und auch Minze auf die meisten Menschen zuzutreffen scheint.
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Wenn falsche Ernährungsgewohnheiten und aufwühlende Gefühle erholsamen Schlaf verhindern
Weitere Gründe für ständige Müdigkeit können übermäßiger Koffeingenuss im Laufe des Tages sein: Koffein erhört die Herzrate und den Blutdruck, es sorgt dafür, dass wir schneller atmen. Das alles steht der Entspannung, die es für Schlaf braucht, entgegen. Das haben Studien belegt, FITBOOK berichtete. Ebenfalls schlecht für erholsamen Schlaf: Alkohol am Abend – vergessen Sie das „Schlummertrunk“-Märchen! Personen, die getrunken haben, haben nachts nachweislich ein schneller schlagendes Herz und das ist Stress für den Körper.
Genauso übrigens wie aufwühlende Filme direkt vor dem Schlafengehen, Streit mit dem Partner, beruflicher Druck – das Gefühl, am nächsten Morgen unbedingt „funktionieren“ zu müssen, einem erholsamen Schlaf massiv im Wege stehen können. Viele kennen das als schier lähmendes Gedankenkarussell beim Einschlafen … haben Sie schon mal versucht, mit ausgeschaltetem Handy einzuschlafen? Ein Mini-Ritual, das dem einen oder der anderen durchaus helfen kann, wie hier nachzulesen ist.
Wer ohne Schlafdefizit ständig müde ist, ignoriert womöglich auch seine innere Uhr
Nicht zuletzt nennt Schlafmediziner Michael Feld als mögliche Ursache einer bleiernen Müdigkeit das Thema Rhythmus. Wir alle haben eine innere Uhr, die sich nach den Jahreszeiten richtet, wobei dem Lichteinfluss auf den menschlichen Organismus dabei eine besonders wichtige Rolle zukommt. Diese innere Uhr zu ignorieren, kann die Ursache für zahlreiche Volkskrankheiten sein, wie der Biologe Dr. Satchin Panda in einem FITBOOK-Interview erklärte, in dem er u.a. einen perfekten Tagesplan für mehr Gesundheit skizzierte.
Michael Feld meint dazu: „In unseren Breitengraden ist der Mensch naturgemäß im Winter nicht genauso leistungsfähig wie im Sommer. Diese Tatsache sollten wir uns viel mehr bewusst machen.“ Werde das übergangen, gerieten wir schnell in einen tückischen Kreislauf aus schlechtem Schlaf, Bewegungsmangel, Frust und Dauermüdigkeit, der – je länger er anhalte – immer schwerer zu durchbrechen sei.
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Dauermüdigkeit kann auch Anzeichen einer Depression sein und die 3-3-3-Regel kann helfen, sie zu erkennen
Hinter einer Dauermüdigkeit könnte jedoch noch eine weitere Ursache stecken. Denn gerade seelische Leiden wie z.B. eine Depression oder ein Burnout kündigen sich häufig mit einem Zustand der allgemeinen Erschöpfung an. „Das ist ein wichtiges Warnsignal“, bestätigt auch Michael Feld gegenüber FITBOOK. „Wenn es möglich ist, tagsüber jederzeit einzuschlafen, dann ist der Körper meist einfach nur ruhebedürftig. Bleibt man dagegen trotz Müdigkeit wach und innerlich rastlos, dann könnte das ein Hinweis dafür sein, dass das Problem tiefer sitzt“, erklärt der Schlafmediziner.
Ein Hinweis kann die 3-3-3-Regel geben: Halten die Erschöpfungssymptome länger an als drei Monate, über drei Tage die Woche und dabei jeweils länger als drei Stunden, sollte man unbedingt zum Arzt.