26. Februar 2024, 19:29 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Ginseng gilt in der Naturheilmedizin als altbewährtes Mittel. Die Wurzel, die vor allem im asiatischen Raum wächst, kann unter anderem bei Leistungsabfall, Müdigkeit sowie Potenzproblemen helfen. Aber auch für Sportler eignet sich Ginseng – eine Studie zeigt, warum.
Ginseng ist nicht gleich Ginseng: Es existieren große Unterschiede bei der Wurzel. Zum einen spielt das Alter eine wichtige Rolle, da die Wirkung der Pflanze stärker wird, je älter sie ist. Zum anderen differenziert man die Wurzel auch aufgrund ihrer Herkunft: Es werden koreanischer (Panax Ginseng C.A. Meyer), sibirischer, chinesischer und amerikanischer Ginseng angeboten. Besonders dem erstgenannten sagt man die beste Wirkung aufgrund seiner hohen Konzentration an Ginsenosiden nach. Diesen Inhaltsstoff setzt man vor allem bei Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Angespanntheit und innerer Unruhe ein. Laut einer Studie unterstützt Ginseng aber auch die Muskelregeneration, weshalb er insbesondere für Sportler interessant ist.
Übersicht
Verschiedene Studien zur Wirkung von Ginseng auf die Muskeln
Welche Auswirkungen Ginseng auf Muskelschäden bei gesunden Erwachsenen hat, die durch Bewegung verursacht wurden, haben nun Forscher der Universitat Oberta de Catalunya in Barcelona genauer untersucht.1 Für ihre Studie, die im Fachmagazin Nutrients veröffentlicht wurde, definierten die Forscher, was genau ihre Arbeit untersuchen soll.
Ziele und Fragestellungen
Die Forscher wollten wissen, …
- … welchen Nutzen Ginseng für den Körper nach einem Training haben könnte
- … welche Funktion Ginseng während der Regeneration von durch Sport entstandenen Muskelschäden zukommt
- … und ob sich die Einnahme von Ginseng günstig auf die Erholung von Muskelschäden auswirkt.
Darauf basierend entwickelten die Wissenschaftler entsprechende Fragestellungen:
- „Welchen physiologischen Nutzen können gesunde Erwachsene aus der regelmäßigen Einnahme von Ginseng ziehen, verglichen mit denen, die dieses Ergänzungsmittel nicht einnehmen?“
- „Kann die durch Training induzierte Muskelschädigung durch den Verzehr von Ginseng im Vergleich zur Nichtaufnahme bei gesunden Erwachsenen abgeschwächt werden?“
- „Besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Einnahme von Ginseng und der Heilung von Muskelverletzungen bei gesunden Erwachsenen im Vergleich zu denen, die ihn nicht einnehmen?“
Datenbankanalyse
Als Nächstes startete das Team die systematische Analyse, indem es die Datenbank SCOPUS nach jeglichen Artikeln und Studien bis April 2023 durchsuchte, die folgende drei Schlagwörter enthielten: Ginseng, Sport und Muskelschäden. Anhand dessen identifizierte man 766 Studien, die alle ein Screening durchliefen und gewisse Einschlusskriterien erfüllen mussten. Dazu zählte man alle Arbeiten, welche die oben genannten Fragestellungen behandelten. Anschließend bewerteten zwei Review-Autoren anhand eines anerkannten Tools die methodische Qualität der einzelnen Studien. Daraus ergeben sich insgesamt 12 Studien, von denen acht aus Asien, zwei aus den USA, eine aus Australien und eine aus Brasilien stammen.
Zusammenführung der Studien
Insgesamt bezogen die Studien 276 Teilnehmer unabhängig vom Geschlecht mit ein. Die Stichprobengröße belief sich auf eine Anzahl zwischen elf und 21 Personen, lediglich ein Artikel mit 110 Teilnehmern wich davon ab. Zudem waren alle Probanden gesund, einige der Forschungen beobachteten explizit sportliche Personen. Die Art des Ginsengs variierte von Studie zu Studie, so verwendete man unter anderem koreanischen, amerikanischen und roten Ginseng – jedoch nahmen die Teilnehmer bzw. Sportler die Ginseng-Präparate immer oral ein.
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Auswertung der einzelnen Studien
Alle Studien beschäftigen sich damit, welche physiologischen Reaktionen die Einnahme von Ginseng im Zusammenhang mit sportlicher Betätigung hervorruft. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wurzel eine positive Wirkung auf Ermüdung und Muskelerholung hat. Die Forscher aus Spanien beobachteten, dass das Verletzungsrisiko gesenkt und die Regeneration durch die Einnahme verbessert werden kann.
Studien mit amerikanischem und rotem Ginseng
Eine Studie aus dem Jahr 2005 begleitete 13 männliche Personen während ihrer täglichen Einnahme von 1,6 Gramm amerikanischen Ginseng.2 Anschließend führte man einen Laufbandtest mit 80 Prozent der VO2max durch. Man stellte fest, dass es durch die Einnahme von Ginseng zu einem geringeren Anstieg der Kreatin-Kinase kam. Das verdeutlicht, dass die Wurzel Muskelschäden abschwächen kann, die durch körperliche Anstrengung verursacht werden.
Für eine weitere Studie verabreichte man 18 gesunden Männern sieben Tage lang 20 Gramm roten Ginseng.3 Zusätzlich ließ man die Probanden zweimal 45 Minuten auf einem Laufband mit 15 Prozent Steigung und einer Geschwindigkeit von 10 Km/h laufen. Zwischen den Sätzen machten die Teilnehmer eine fünfminütige Pause. Anschließend analysierte man anhand einer Blutprobe die physiologische Reaktion, wobei das Augenmerk auf Muskelschäden, Entzündungen, Ermüdung sowie auf dem Glukose– und Insulinspiegel lag. Und auch hier: Die Kreatin-Kinase-Werte verbesserten sich nach 72 Stunden und fielen besser als die der Kontrollgruppe aus. Zwei bis drei Stunden nach der Einnahme wiesen die Ginseng-Sportler bessere IL-6-Werte auf. Dabei handelt es sich um proinflammatorische Interleukine, welche die Entzündungsreaktionen im Körper regulieren. Zudem beobachtete man einen niedrigeren Glukose- und Insulinspiegel in der Vergleichsgruppe. Auch hier zeigte sich: Die Einnahme von Ginseng kann durch körperliche Anstrengung verursachte Muskelschäden und sogar Entzündungen abschwächen.
Sinkende Fettmasse und verbesserte VO2max bei Frauen
Im Jahr 2020 beschäftigte sich ein Team von Wissenschaftlern mit der Auswirkung von Ginseng auf die Muskeln von Frauen.4 In diesem Rahmen nahmen 20 gesunde Probandinnen zu einer Parallelgruppe sechs Wochen lang zwei Gramm der Wurzel ein. Um die Wirkung dessen herauszustellen, wurde ihnen Blut entnommen, führte anthropometrische Messungen durch, machte einen Sprungtest zur kinematischen sowie kinetischen Analyse und führte einen Test auf einem Fahrradergometer und die Wahrnehmung der Ermüdung durch. Die Beobachtungen zeigten, dass die Lebermarker sowie die Kreatin-Kinase-Werte sanken, allerdings stieg das HDL-Cholesterin und das Kreatin bei der Gruppe, die Ginseng konsumierte, an. Jedoch stellte man fest, dass die Fettmasse und die Erschöpfungszeit bei den Sportlerinnen mit der Einnahme von Ginseng sank und die VO2max, also die maximal mögliche Sauerstoffaufnahme bei Belastung, verbessert wurde.
Zu diesen Ergebnissen kamen weitere Ginseng-Studien
Die weiteren Studien zeigten ähnliche Ergebnisse auf und kamen außerdem zu dem Schluss:
- Ginseng kann das Risiko für Muskel-Skelett-Verletzungen bei Sportlern oder aktiven Personen senken.
- Die Wahrnehmung der Anstrengung und die Kraft wird verbessert.
- Die Ermüdung bzw. Erschöpfung nimmt ab.
- Der Muskelabbau wird durch die Wurzel verringert.
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Laut Studie Dieser Snack soll Muskelkater vorbeugen können
Asiatisches Heilmittel Wirkung von Ginseng – wie gesund ist die Wurzel?
Einordnung der Studie
„Obwohl die Erholungszeiten je nach Art der Verletzung und von Person zu Person unterschiedlich sind, laufen die geschädigten Strukturen nach den gleichen physiologischen Prozessen ab. Deshalb müssen die Fachleute in diesem Bereich den effizientesten physiologischen Zusammenhang herstellen, um sicherzustellen, dass sich jede Person so gut und so schnell wie möglich erholen kann. Hier kommt der Ginseng ins Spiel, der bei der Genesung von Verletzungen eine wichtige Rolle spielen kann“, erklärt Studienautor Borja Muñoz in der Pressemitteilung die Bedeutung von Ginseng und den Muskeln.5 Dennoch bedürfe es weiterer Studien, um einen genaueren Zusammenhang zwischen Wurzel und Regeneration herzustellen.
Außerdem beschränken sich viele der Studien auf männliche Teilnehmer, was die Wirkung von Ginseng bei sportlichen Frauen nicht ausführlich genug beleuchtet. Ebenso wurden acht von insgesamt zwölft Untersuchungen im asiatischen Raum durchgeführt, was die Ergebnisse dahingehend verfälschen könnte, dass diese nicht repräsentativ auf Menschen bspw. aus dem europäischen oder afrikanischen Raum sein könnten. Da die Forschungen zusätzlich noch verschiedene Ginseng-Arten nutzten, ist nicht klar, welche Form die beste bzw. schlechteste Wirkung auf die Muskeln hat.