28. Juni 2024, 20:42 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Alkohol ist kulturell stark verankert und Rauschtrinken ist unter jungen Erwachsenen weit verbreitet. Eine britische Studie hat einen einfachen Weg identifiziert, wie man das Verlangen nach Alkohol bremsen kann. Das könnte jedem zugutekommen, der gerne weniger oder keinen Alkohol mehr trinken möchte.
Besonders unter Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen gilt Rauschtrinken und die damit verbundene Alkoholvergiftung weiterhin als akzeptierte Freizeitbeschäftigung. In Deutschland ist diese Art des selbstzerstörerischen Verhaltens zwar rückläufig, dennoch trinken laut einer in 2021 durchgeführten Untersuchung 43,9 Prozent der jungen Männer und 24,5 Prozent der jungen Frauen (18 bis 25 Jahre) regelmäßig bis zum Umfallen.1 Noch drastischer sieht es in Großbritannien aus. Von 2017 bis 2023 sammelte die britische Wohltätigkeitsorganisation Drinkaware Daten zum Trinkverhalten im Land. Es kristallisierte sich heraus, dass die Wahrscheinlichkeit bei 18- bis 24-Jährigen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung doppelt so hoch sei, risikoreiche oder möglicherweise abhängig machende Mengen Alkohol zu trinken.2 Eine ältere Studie mit britischen Studierenden zeigte zudem, dass 45 bis 69 Prozent von ihnen an wöchentlichem Rauschtrinken teilnehmen.3 Der Weg zu einer schweren Alkoholsucht ist von dort aus nicht weit. Wie kann man dem entgegenwirken? Die Lösung ist laut britischen Forschenden der Loughborough University so einfach wie wirksam: mit Sport.
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Übersicht
Untersuchung mit 60 jungen Rauschtrinkern
Für die Untersuchung rekrutierten die Forscher an der Midlands University 60 junge Frauen und Männer zwischen 18 und 25. Diese waren zuvor anhand eines von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelten Fragebogens als extrem suchtgefährdete, starke Alkoholkonsumenten eingestuft worden. Daraus resultierend drehten sich die Gespräche mit ihnen auch zunächst ganz bewusst rund um das Thema Alkohol und ihre Lieblingsdrinks. Darüber hinaus bekamen sie ein Video über Bars und Cocktails vorgesetzt. Das hatte den Zweck, ihr Verlangen noch weiter zu steigern – was übrigens erwartungsgemäß gut gelang, heißt es in der im Fachmagazin „Addictive Behavior“ veröffentlichen Studie.4 Anschließend machten die Teilnehmer für fünf Minuten Sport mit Übungen wie Kniebeugen, Mountain Climber, Fersenkicks, Liegestütze, Hampelmänner und Sit-ups.
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Nach nur fünf Minuten Sport nahm das Verlangen nach Alkohol drastisch ab
Nach dem Sport sahen die Teilnehmer der Gruppe erneut ein Video zum Thema Alkohol. Sie wurden gebeten, anzugeben, wie gerne sie jetzt einen Drink hätten und wie es um ihre Stimmung stand. Der Studiengruppe standen zwei Kontrollgruppen gegenüber. Eine durfte in der Zwischenzeit statt den Sportübungen ein Bild malen, die andere unternahm nichts weiter. „Die Analyse zeigte, dass die Trainingsgruppe im Vergleich zu den beiden Kontrollgruppen ein signifikant geringeres Verlangen nach Alkohol, eine positivere Stimmung und weniger Angst hatten“, schreiben die beiden Studienleiterinnen Eef Hogervorst und Aleksandra Gawor im Wissenschaftsmagazin „The Conversation“: „Dies zeigt, dass bereits fünf Minuten Sport das Verlangen nach Alkohol drastisch bremst.“5
Zwar berichtete die Mal-Gruppe davon, sich weniger ängstlich und gestresst zu fühlen, die Lust auf einen starken Drink blieb dennoch ungebrochen.
Warum reduziert Sport das Verlangen nach Alkohol?
Das Verlangen nach Suchtmitteln werde durch bestimmte Reize wie Party-Bilder und Co. ausgelöst, schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen. Eine stabile Stimmung könne diesem Empfinden entgegenwirken. „Es häufen sich die Beweise, dass Sport euphorische Gefühle hervorrufen kann. Dies hängt mit höheren Spiegeln von Glücksstoffen im Gehirn (sogenannte Neurotransmitter) wie Dopamin, Serotonin und Endorphinen zusammen. Diese Stoffe bescheren uns ein gutes Gefühl in der gleichen Art, wie es auch Alkohol scheinbar tut.“
Warum Rauschtrinken in jungen Jahren besonders gefährlich ist
Große Mengen Alkohol lösen extreme Vergiftungen aus. Je früher damit angefangen wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Binge-Drinking im späteren Leben – neben den psychischen Problemen einer Sucht – zu Krebs, Herzkrankheiten, Demenz oder Diabetes führt. Insgesamt ist Alkohol an der Entstehung von über 200 Krankheiten beteiligt.6 Junge Menschen, die viel trinken, verlieren zudem ihr Interesse am Lernen, einen Beruf zu ergreifen, sich ein eigenes, erfülltes Leben aufzubauen und damit Verantwortung für sich zu übernehmen.
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Offenbar ist auch die Art des Sports entscheidend
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte, ob ein Hang zum Rauschtrinken mit dem Ausführen einer bestimmten Sportart assoziiert ist. Hierfür wurden die Daten von 718.147 Erwachsenen ab 18 Jahren analysiert. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass lediglich Kraft- und Mannschaftssportarten eine um zwölf bzw. elf Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für häufigeres Trinken, aufwiesen.7
Weiterhin analysierten die Wissenschaftler die Wechselwirkung zwischen der Häufigkeit der Ausübung von Sportarten und Rauschtrinken. Auch hier zeigten sich lediglich bei Kraftsport sowie Mannschaftssport signifikante Werte. Bei Teilnehmern mit häufigerem Krafttraining (drei oder mehr Tage pro Woche) und mit seltenerem Mannschaftssporttraining (ein bis zwei Tage pro Woche) war das Auftreten von Rauschtrinken wahrscheinlicher.
Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass die soziale Komponente hier eine Rolle spiele. Teilnehmer, die häufiger Kraftsport trieben und seltener Mannschaftssportarten ausübten, neigten eher zu häufigem Rauschtrinken. Hinzu kam die Erkenntnis, dass diese Teilnehmenden jünger und häufiger alleinstehend waren als andere Probanden der Studie.