15. November 2024, 16:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Arteriosklerose ist gekennzeichnet durch verhärtete Gefäßwände, eine geringe Elastizität der Arterien sowie der Ablagerung von sogenannten „Plaques“. Bisher stand lediglich die Senkung von erhöhtem Cholesterinspiegel im Fokus von Therapien. Doch Wissenschaftler haben ein weiteres Lipid identifiziert, das an der Entstehung der Gefäßerkrankung beteiligt ist – FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke berichtet.
Verengte Gefäße sind die Hauptursache von kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt, koronare Herzkrankheit und auch Schlaganfällen. Und diese wiederum sind für rund die Hälfte der frühzeitigen Todesfälle durch nicht infektiöse Erkrankungen weltweit verantwortlich.1 Eine wichtige Gegenmaßnahme stellt die Senkung des Cholesterinspiegels dar, etwa durch Ernährungs- und Bewegungsumstellungen sowie Medikamente. Doch was, wenn es noch weitere Verursacher neben dem Cholesterin gäbe? Diese Frage haben sich Forscher des amerikanischen Salk Institute gestellt. Und sie entdeckten, dass sogenannte Sphingolipide offenbar ebenfalls mit Arteriosklerose in Zusammenhang steht. Wie, erfahren Sie im Folgenden.
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Übersicht
Forscher untersuchen Mechanismen fernab von Cholesterin
Fette gehören genau wie Kohlenhydrate und Proteine zu einer ausgewogenen Ernährung. Doch Nahrungsfette können auch die Entstehung von Gefäßerkrankungen befeuern – insbesondere industriell hergestellte Trans-Fettsäuren (TFAs). Der molekulare Transport der TFAs im Körper, der für diesen Zusammenhang verantwortlich ist, ist bislang jedoch wenig erforscht.
In einer Mitteilung des Salk Institutes erklärt der leitende Autor Christian Metallo: „Es gab zahlreiche Studien, die untersucht haben, wie Transfette das Herz-Kreislauf-Risiko steigern, aber es kommt immer wieder auf Cholesterin zurück. Wir wollten uns die Sache noch einmal genauer ansehen und Cholesterin als Faktor außer Acht lassen.“2
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Der Weg von Nahrungsfetten im Körper
Essen wir etwas fetthaltiges, müssen die Fette im Körper erst einmal sortiert und in transportfähige Verbindungen umgewandelt werden. Dabei handelt es sich um Lipide wie Triglyceride, Phospholipide, Cholesterin oder auch Sphingolipide. Anschließend helfen Transportproteine – die Lipoproteine – dabei, diese durch das Blut in die Körperzellen zu befördern. Bekannte Lipoproteine sind das HDL-, LDL- und VLDL-Cholesterin. Dabei zählen LDL sowie VLDL zum „schlechten Cholesterin“, da sie die Bildung von Plaque begünstigen. Ein hoher HDL-Cholesterinspiegel hingegen ist mit einem verringerten kardiovaskulären Risiko verbunden.
Welche Rolle spielen Sphingolipide?
Sphingolipide haben sich als nützliche Biomarker für Krankheiten wie Diabetes, nicht-alkoholische Fettleber und atherosklerotisch kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD), also durch Gefäßverkalkung bedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erwiesen. Es ist jedoch bisher ungeklärt, wie die Aufnahme verschiedener Nahrungsfette in Sphingolipide im Detail zur Entwicklung von Arteriosklerose und daraus folgenden ASCVD führt.
Insbesondere interessierte es die Wissenschaftler, wie die Umwandlung von Transfetten zu Sphingolipiden möglicherweise atherosklerotische Plaques erzeugt. Sie untersuchten, ob in der Leber gebildete Sphingolipide die Freisetzung von Plaque begünstigendem VLDL in den Blutkreislauf beeinflussen könnten.3
Zunächst stand ein bestimmtes Enzym im Fokus
Da der Weg eines Fettes im Körper wesentlich vom jeweiligen Lipoprotein abhängt, wollten die Wissenschaftler die Stoffwechselwege der Sphingolipide genauer untersuchen. Hierfür betrachteten sie ein bestimmtes Enzym näher, die Serin-Palmitoyl-Transferase (SPT). Dieses reguliert die Synthese von Sphingolipiden. Metallo und sein Team stellten die Theorie auf, dass durch SPT Transfette in die Sphingolipide eingebaut würden. Und dadurch würde die übermäßige Lipoproteinsekretion in den Blutkreislauf befeuert werden, welche ASCVD verursacht.
Enzym bevorzugt offenbar Transfette
Zunächst führten die Wissenschaftler in vitro einen Versuch durch, also mit Zellen in einer Petrischale. Dabei wollten sie herausfinden, ob SPT eher Cis- oder Transfette bevorzugt verstoffwechselt. Diese unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur. Kurz gesagt: Während Cis-Fettsäuren, die in natürlichen Lebensmitteln wie Fisch oder Walnüssen vorkommen, eine Art „Knick“ in ihrer Struktur aufweisen, weisen Trans-Fettsäuren, die in verarbeiteten Produkten wie Margarine oder frittierten Lebensmitteln vorkommen, eine geradlinige Struktur auf. Dies hat zur Folge, dass Transfette leichter an den Arterienwänden hängen bleiben und Plaque bilden können. Cis-Fettsäuren hingegen bleiben dank ihrer Struktur besser beweglich.
Bei dem Versuch stellte sich heraus, dass SPT tatsächlich die ungesünderen Transfette bevorzugte. In Folge kam es zur erhöhten Sekretion von Sphingolipiden, die zur Bildung von Plaque führen kann.
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Mäuse erhielten fettreiches Futter
Im weiteren Verlauf ihrer Forschungsarbeit entwickelten die Wissenschaftler zwei verschiedene Tierfutter für Versuchsmäuse. Diese waren entweder reich an Cis- oder Trans-Fettsäuren und arm an Cholesterin. Die Mäuse wurden für 16 Wochen lang mit diesen fettreichen Diäten ernährt. Nach Ablauf der Zeit zeigte sich, dass Mäuse, die das Futter mit einem hohen Transfett-Anteil bekamen, aus Transfetten gewonnene Sphingolipide produzierten, die die Sekretion von VLDL aus der Leber in den Blutkreislauf förderten. Dies wiederum befeuerte die Bildung des gefährlichen Plaque. Mäuse, die das Futter mit einem hohen Cisfett-Anteil bekamen, wiesen weniger schädliche Veränderungen wie eine Gewichtszunahme auf.
Entdeckung eines wichtigen Signalwegs
Könnte man diese schädlichen Folgen der Transfette nicht etwas ausbremsen? Um dies zu prüfen, hemmten die Forscher das Enzym SPT. Tatsächlich zeigte sich, dass die reduzierte Aktivität von SPT die durch Transfette verursachte Arteriosklerose verringerte. Laut Metallo mache diese Erkenntnis diesen Sphingolipid-Syntheseweg durch SPT zu einem wichtigen Schlüsselmechanismus in der zukünftigen ASCVD-Therapie.
Ein Schritt weiter Richtung personalisierte Medizin?
Metallo vermutet: „Wenn wir die Identifizierung und Messung dieser verschiedenen zirkulierenden Moleküle in unserem Körper und ihren Stoffwechsel besser verstehen, könnten wir große Fortschritte bei der Personalisierung der Medizin machen. Gegenwärtig empfehle ich, alles in Maßen zu genießen – wir alle haben unsere eigene Ernährung, Genetik und Veranlagung. Wenn wir diese Faktoren erforschen und verstehen, können wir unser Wissen verbessern und die Behandlungsmöglichkeiten in Zukunft erweitern.“
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Einordnung der Studie
Die Forscher haben also nicht nur ein wichtiges Enzym, sondern auch einen Signalweg identifiziert, die zukünftig im Fokus der Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen könnten. Denn offenbar ist der Stoffwechsel der Sphingolipide ein relevanter Knotenpunkt in der Entstehung von Arteriosklerose.
Weiterhin betonen die Wissenschaftler, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwar plant, Transfette möglichst aus der Lebensmittelversorgung zu eliminieren, aktuell jedoch noch fast vier Milliarden Menschen gefährdet seien, da sich die Länder nicht an die Praktiken der WHO hielten.
Wichtig zu verstehen ist aber auch, dass Studien in Zell- und Tiermodellen zwar helfen, grundlegende Mechanismen zu verstehen, doch können diese Erkenntnisse nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden. Hierfür müssen in folgenden Forschungsarbeiten klinische Studien durchgeführt werden.