7. Oktober 2019, 16:33 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Große Studien haben gezeigt, dass Augentropfen mit einem Wirkstoff aus der Tollkirsche bei Kindern das Fortschreiten von Myopie, also Kurzsichtigkeit, eindämmen können. Und das sogar ohne Nebenwirkungen – wenn die Konzentration stimmt.
Wenn Kinder in die Schule kommen und an der Tafel Wichtiges lesen sollen, sehen sie oft: nichts. Kurzsichtigkeit (Myopie) beginnt nämlich meist schon im Grundschulalter, bis zum Ende der Grundschulzeit entwickeln in Deutschland sogar fast 15 Prozent der Kinder eine Kurzsichtigkeit, schreibt die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) in einer Pressemitteilung. Darin kann man auch nachlesen, dass Augentropfen bei Kurzsichtigkeit im Kindesalter helfen können. Das haben jetzt große und aussagekräftige Studien aus Asien bestätigt.
Das haben die Studien herausgefunden
Um Kurzsichtigkeit aufzuhalten, empfiehlt die DOG im Allgemeinen zwei Stunden täglich im Freien sowie Lesen mit genügend Abstand. Am wirksamsten habe sich aber eine Therapie mit speziellen Augentropfen erwiesen. Nämlich solchen, die in einer besonders geringen Konzentration (0,01 Prozent) den Wirkstoff Atropin enthalten (Substanz aus der Tollkirsche). Schon seit mehr als 100 Jahren wird Atropin nachgesagt, Kurzsichtigkeit aufhalten zu können, doch „wegen ihrer Nebenwirkungen (Blendung und Nahsichtstörung) wurden Atropin-Tropfen zu diesem Zweck (…) kaum verordnet“, erläutert Professor Dr. med. Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg.
Das habe sich mittlerweile geändert, indem Forscher aus Singapur eine Konzentration gefunden haben, bei der ein Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 50 Prozent verringert werden kann, ohne dass ernste Nebenwirkungen auftreten. „Leichte Blendungsempfindlichkeit und Nahsichtstörung bilden sich darüber hinaus bei Absetzen vollständig zurück, so dass kein Schaden entsteht“, ergänzt Prof. Lagrèze.
Seitdem die ersten Studien zu der Wirksamkeit niedrig dosierter Atropin-Augentropfen veröffentlicht wurden, werden sie auch in Deutschland von vielen Augenärzten in Kliniken und Praxen zunehmend eingesetzt.
So werden die Tropfen verabreicht
Für eine Therapie mit Atropin kommen Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren in Frage, bei denen die Kurzsichtigkeit jedes Jahr um eine halbe Dioptrie oder mehr zunimmt. „Die Eltern geben abends vor dem Zubettgehen jeweils einen Tropfen in jedes Auge“, erklärt Lagrèze. Unwillkürliches Blinzeln sorgt für eine gute Verteilung des Wirkstoffs. Wichtig sei zudem eine Tropfen-Zubereitung ohne Konservierungsmittel, betont der Experte weiter.
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Wichtig: Der Augenarzt muss die Eltern darauf hinweisen, dass es sich bei dieser Art der Behandlung um einen sogenannten Off-Label-Use handelt – also um eine Anwendung ohne offizielle Zulassung bei Kurzsichtigkeit. „Nach zwei Jahren Therapiedauer entscheidet der Augenarzt, ob die Behandlung fortgesetzt werden sollte“, so Lagrèze.
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Kurzsichtigkeit frühzeitig aufhalten
Wer kurzsichtig wird, stößt nicht nur im Alltag auf Unannehmlichkeiten und Hindernisse, sondern ist gleichzeitig auch Risikopatient: „Kurzsichtigkeit ist neben dem Alter der Hauptrisikofaktor für ernste Augenerkrankungen wie Grüner Star und Grauer Star oder auch Netzhautablösung, von daher ist es sehr wünschenswert, das Voranschreiten der Kurzsichtigkeit in der Phase ihres Entstehens zu verlangsamen“, erklärt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Präsident der DOG, und ergänzt: „Je früher die Kurzsichtigkeit beginnt, desto stärker wird ihr Ausmaß im Erwachsenenalter sein – ein weiterer Grund für eine frühe Intervention.“
Wie die DOG weiter berichtet, werde in Deutschland gerade eine Behandlungsstudie geplant, die belegen soll, dass Atropin-Augentropfen auch in einer nicht-asiatischen Population genauso wirksam sind.