6. November 2019, 6:47 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Forscher der Boston University in Massachusetts haben herausgefunden, wie sich das menschliche Gehirn im Schlaf bestimmter Abfallprodukte entledigt.
Schon seit einiger Zeit weiß die Forschung, dass der Schlaf wichtig ist, damit im Gehirn bestimmte Reinigungsprozesse stattfinden können. Wie diese genau aussehen können, war bisher nicht bekannt.
Das haben Forscher der Boston University in Massachusetts jetzt geändert. Die haben entdeckt, dass unser Gehirn Protein-Ablagerungen mithilfe von Rückenmarksflüssigkeit herausspült.
Das hat die Studie untersucht
Die Studie — deren Ergebnisse in dem Fachjournal Science erschienen sind — bestand aus 13 Teilnehmern zwischen 23 und 33 Jahren. Die Probanden wurden vor eine harte Aufgabe gestellt: Sie stimmten zu, dass bei ihnen während des Schlafs MRT-Scans durchgeführt werden. Das Hauptproblem: Schlaf finden in einer Röhre für Kernspintomografie. Denn die sind bekanntlich laut, eng und damit wenig wohlig und schlaffördernd. Zudem mussten die Probanden EEG-Kopfhauben tragen, mit deren Hilfe die Forscher die elektrische Aktivität in ihren Gehirnen messen konnten.
Laura Lewis, Co-Autorin der Studie, fasst die Challenge wie folgt zusammen: „Es zeigte sich, dass der Job der Probanden klammheimlich der härteste der gesamten Studie war. Wir haben all diese hochmoderne Ausstattung und komplizierte Technik, aber oft ist ein großes Problem, dass die Leute einfach nicht einschlafen können, weil es in der Metallröhre so laut ist. Es ist nun mal eine seltsame Umgebung.“
Trotz dieser offensichtlichen Hürden haben die Studienteilnehmer (etwas) Schlaf gefunden, mit der Folge, dass die Forscher die Aktivität der Rückenmarksflüssigkeit im Gehirn der Probanden tracken konnten.
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Das hat die Studie herausgefunden
Die Forscher haben entdeckt, dass sich Rückenmarksflüssigkeit und Gehirnwellen zeitlich aufeinander abstimmen, was dazu beiträgt, dass das Gehirn Abfallprodukte entsorgen kann. Dazu gehören auch potentiell schädliche Proteine, die bei Ablagerung den Informationsfluss zwischen Neuronen behindern können.
Diese Erkenntnis könnte sich auch für die Demenzforschung als spannend entpuppen, spielen doch Proteinablagerungen, die zu Gedächtnisausfällen und anderen kognitiven Störungen führen, bei Alzheimer-Patienten eine entscheidende Rolle.
Genauer gesagt zeigte sich, dass im Schlaf mehr Blut aus dem Gehirn rausfließt (vermutlich weil das Gehirn im Schlaf Neuronen abschaltet, weil es weniger Sauerstoff braucht). In einem zweiten Schritt fließt jetzt als Ausgleich auf den Druckabfall mehr Rückenmarksflüssigkeit in das Gehirn – wo es seinen reinigenden Effekt entfalten, also salopp gesagt: mal durchspülen, kann.
Die Forscher glauben, dass der normale Alterungsprozess auch mit einer schlechteren Selbstreinigungsfähigkeit des Gehirns einhergeht. Im Alter produziert das Gehirn in der Regel weniger langsame Wellen, was neben dem Blutfluss im Gehirn auch die Pulsation von Rückenmarksflüssigkeit reduzieren könnte.
„Es ist so ein dramatischer Effekt“, betont Lewis. „Dass Rückenmarksflüssigkeit im Gehirn während des Schlafs pulsiert, war uns überhaupt nicht bekannt. Jetzt können wir uns eine Hirnregion anschauen und sofort ablesen, in welchem Gehirnzustand sich jemand befindet.“
In einer nächsten Studie wollen die Forscher eine ältere Probandengruppe untersuchen, um herauszufinden, ob und inwieweit sich die natürlichen Alterungsprozesse auf die Rückenmarksflüssigkeit auswirken. Außerdem wollen die Forscher noch besser verstehen, wie die elektrischen Wellen, der Blutfluss und die Rückenmarksflüssigkeit im Gehirn genau zusammenarbeiten, um Abfallprodukte ausschwemmen zu können.