23. April 2019, 17:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In Teil 4 meiner Kolumne beleuchte ich das nicht immer widerspruchsfreie Verhältnis meiner Herzdamen zu meiner einjährigen Alkpause. Schock-Aussage inklusive.
Was haben Lothar Matthäus und ich gemeinsam? Richtig, eine Schwäche für jüngere Frauen. Meine Herzensdame ist nämlich knapp 10 Jahre jünger. Wow, was’n Texteinstieg – zumal 10 Lenze ja nicht mal zu nem halben Loddar reichen.
Und warum überhaupt ‚Frauenwelt‘, wenn ich eine Freundin habe? Weil die natürlich die Welt für mich bedeutet (sorry Leute, nach dem schnoddrigen Einstieg musste der sein). Außerdem gibt es da ja noch eine zweite Frau in meinem Leben, die zum Thema Alkohol eine besonders starke Meinung vertritt – und diese niemals scheut völlig ungefragt loszuwerden: meine Mutter …
Junge, trink bald wieder
Meine Freunde würden diese wirr wirkenden ersten Absätze mit diesem gut gemeinten Ratschlag zusammenfassen: Bitte trink wieder, Markus! Aber sieht das auch meine Freundin so? Oder sogar meine Mutter?
Nun, beide Damen haben sehr unterschiedlich auf meine Idee einer einjährigen Alkoholpause reagiert, beide Damen haben mir vor Kurzem mitgeteilt, was ihnen alles nach gerade mal drei Monaten aufgefallen ist. Eine Aussage hat mich besonders berührt – und gleichzeitig geschockt.
Fangen wir mit dem nur mäßig überraschenden Feedback an: Als ich meiner Mutter im Dezember bei einem Waldspaziergang mitteilte, was ich mir für 2019 vorgenommen habe, habe ich in Augen geschaut, die soeben das Paradies erblickt haben müssen. Toll, wie sehr man einen Menschen glücklich machen kann, indem man etwas einfach nicht mehr tun will. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter noch nie viel getrunken hat und seit Jahren ganz auf Bier, Wein und Co. verzichtet, weil ihr Alkohol „nichts gibt“. Dieses fehlende Verständnis für die Freuden einer feuchtfröhlichen Feier hat uns schon oft zusammenrasseln lassen. Die Tatsache, dass ich dank meiner Ethanol-Eskapaden in den letzten Jahren immer wieder mal knapp bei Kasse war, hat auch nicht direkt Lobbyarbeit für den guten, alten Suff geleistet.
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Making Mommy glücklich again
Nach über drei trockenen Monaten ist meine Mutter noch immer so glücklich wie am Tag meiner Verkündung, viel ausgeglichener würde ich wirken – und weniger „verlebt“ aussehen. Daraus resultiert natürlich auch die Furcht, dass ich alsbald schwach werden könnte. Ständig will sie wissen, wie es um meine Challenge bestellt ist: „Lass dich bloß nicht von deinen Freunden bequatschen, die sind ja nur neidisch, weil du ohne auskommst.“ Ob die mich jetzt wirklich um meine alkoholfreien Biere beneiden, weiß ich nicht, dass sie mich dafür beleidigen, hingegen schon. Aber hey, natürlich weiß ich, was sie meint. Sie spielt auf meine Willensstärke an, auch noch Mitte April keinen Alk angerührt zu haben.
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Willensstärke ist ein gutes Stichwort, das uns direkt zu meiner Freundin bringt. Denn die hat zu meiner Alkoholpause ein nicht immer kohärentes Verhältnis, was einen starken Willen zu einer wichtigen Voraussetzung macht. Ihre erste Reaktion im Dezember war: „Krass, ein ganzes Jahr, irgendwie bisschen extrem. Muss das so lang sein?“ Ja, muss es. Schließlich bin ich (leider) ein typischer „Ganz oder gar nicht“-Vertreter.
Bessere Hälfte – mit Künstlerpausen
Im Januar hat sie noch versucht, mein Vorhaben hier und da mit Sprüchen à la „Nimm doch einfach einen Schluck von meinem Bier“ zu torpedieren. Dabei wedelte sie mir mit ihrem frisch gezapften Hellen, zufällig meine Lieblingssorte, direkt vor der Nase herum – und ja, verdammt, ich musste mich zusammenreißen und war auch ein bisschen wütend auf sie.
Andererseits kann ich es ihr auch nicht verübeln. Wenn ich in der Vergangenheit an ihrer Stelle gewesen wäre, sagen wir irgendwann zwischen 2002 und Dezember 2018, hätte ich dieselbe Entscheidung meines Partners, ein Jahr lang den Spaßverderber spielen zu müssen, ziemlich scheiße gefunden. Sie ist 24, gerade mit dem Bachelor fertig geworden und hat im Gegensatz zu mir ein gesundes Verhältnis zum Alkohol, kann also nicht nachempfinden, warum man sich derartig beschränken sollte. Gleichzeitig kann sie natürlich verstehen, warum ich das mache. Darum hat sie mich in den vergangenen Monaten durchgehend unterstützt und auch ein bisschen gefeiert. Nur auf einem gemeinsamen Usedom-Wochenendtrip Ende März erlitt sie einen Rückfall – und ich dann fast auch.
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Als wir im Hotel ankamen, wartete dort eine eisgekühlte Flasche Sekt auf uns. Meine Freundin vergaß dann kurzzeitig, dass sie eigentlich meine bessere Hälfte ist, und wollte mir ein Cheat-Wochenende schmackhaft machen. Sie versprach, es keinem zu erzählen, ich hatte Gott sei dank die perfekte Antwort parat: Wenn ich einmal schwach werde, auch wenn für einen schönen Zweck, wo sollte ich dann die Kraft hernehmen, nein zu sagen, wenn mich meine Jungs mal einen lauen Sommerabend zum Fastenbrechen verführen möchten?
Auch wenn sich meine Hand mehrfach Richtung Sektflaschenhals wegschleichen wollte und nur mentale Monsterparaden das sichere Unheil abwenden konnten, ich blieb am Ende stark. Das war die mit Abstand größte Herausforderung 2019. Meine Freundin war mindestens genauso stolz wie ich, entschuldigte sich kurz darauf für ihr Teufelchen-Tun und überraschte mich mit folgendem Geständnis:
„Auch wenn ich eben anders gehandelt habe, muss ich dir sagen: Ich wünsche mir NULL den alten Markus zurück. Jetzt, wo du nicht mehr saufen gehst, bist du viel aufmerksamer und liebevoller geworden.“
Der saß, war aber ein Grund mehr, am Ball zu bleiben.
Und einen letzten Gedankengang will ich noch loswerden, der den Bogen zur Frauenwelt-Wortwahl zurückspannt (diesmal ohne cheesy Sprachwitz).
Um so richtig beantworten zu können, wie Frauen meinen Entschluss finden, müsste man eigentlich single sein. Einerseits um zu sehen, wie die Damen bei einem Date auf die Bestellung einer Apfelschorle („Höhö, und was trinkst du jetzt wirklich?!“) reagieren würden. Andererseits um zu beobachten, wie ich auf Damen reagiere, die mich für Apfelschorlen verarschen. Vielleicht wäre aber auch die ein oder andere Tinderella dabei, die ich mit meinem als wahrlich heldenhaft dargestellten Verzicht um den apfelschorligen Finger wickeln könnte. Wir werden es wohl nie erfahren. Meiner Freundin gefällt das.
Wer bisher noch nicht dazu kam, mich für mein Vorhaben zu beleidigen, kann das immer noch gerne mit einer E-Mail an info@fitbook.de tun.
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Alle bisherigen Teile der Kolumne:
- 7 Gründe, warum ich ein Jahr keinen Alkohol trinken will!
- So geht es mir nach einem Monat ohne Alkohol!
- Warum meine Alkoholpause eigentlich ein Entzug ist