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Neue Erkenntnis

Mögliche dramatische Nebenwirkung von Abnehm-Spritzen entdeckt

Semaglutid Sehverlust: Semaglutid ist ein bei Diabetes eingesetztes Medikament
Eine neue Studie liefert Hinweise zu einer weiteren möglichen ernsthaften Nebenwirkung von Semaglutid Foto: Getty Images

4. Juli 2024, 13:02 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Neuen Untersuchungen zufolge könnte der Wirkstoff Semaglutid, der in den „Abnehmspritzen“ Ozempic oder Wegovy enthalten ist, Sehverlust verursachen können. Auslöser soll eine seltene Augenerkrankung namens NAION, an denen Betroffene erkranken und die im schlimmsten Fall bis zur Erblindung führen kann.

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Der Wirkstoff Semaglutid wird seit einigen Jahren erfolgreich in der Diabetestherapie eingesetzt. Wegen seiner gewichtsreduzierenden Eigenschaften sind die sogenannten Abnehmspritzen namens Ozempic oder Wegovy jedoch auch bei Nicht-Diabetikern gefragt. Mittlerweile spritzen sich Millionen Menschen den Wirkstoff, um dem Traum von einer schlanken Figur ohne Hungern näherzukommen. Doch mit der steigenden Popularität kommen auch immer mehr Nebenwirkungen ans Licht (FITBOOK berichtete). Neben Depressionen und Angstzuständen haben Forscher des Massachusetts General Hospital in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School nun eine mögliche neue, besorgniserregende Nebenwirkung entdeckt: Der Wirkstoff Semaglutid erhöht vermutlich das Risiko, eine seltene Augenkrankheit zu entwickeln, die mit starkem Sehverlust einhergehen kann.

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Was hinter der Augenkrankheit NAION steckt

NAION ist eine relativ seltene und ernste Erkrankung, die zehn von 100.000 Menschen betrifft, heißt es in einer Mitteilung des Mass General Brigham.1 Dennoch ist sie nach dem Glaukom die zweithäufigste Ursache für Sehnervenblindheit und die häufigste Ursache für plötzliche Erblindung. Mediziner vermuten, dass NAION durch eine verminderte Durchblutung des Sehnervenkopfes entsteht, die zu einem dauerhaften Sehverlust auf einem Auge führt. Die Erblindung entwickelt sich über mehrere Tage und ist schmerzlos. Leider ist das Schicksal damit besiegelt. Gegenwärtig gibt es keine wirksame Behandlung von NAION.

NAOIN steht für nicht-arterische Ischämische Optikusneuropathie, von AOIN spricht man bei der arterischen Variante. Bei beiden Formen handelt es sich um einen Papilleninfarkt, die als einziges konstante Symptom einen schmerzlosen akuten Sehverlust mit sich bringt, der bis zur Erblindung gehen kann. Gegenwärtig gibt es keine wirksame Behandlung, die zur vollständigen Heilung der Ischämische Optikusneuropathie führt. Im Fall von NAION kommt es jedoch vor, dass sich die Patienten wieder davon erholen und sich das Sehvermögen von allein wieder bessert.2

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Ärzte beobachten Anstieg von Sehverlust bei Semaglutid-Patienten

Der Anstoß für die Studie kam im Spätsommer 2023, als Studienleiter Dr. Joseph Rizzo einen beunruhigenden Trend bemerkte: Innerhalb von nur einer Woche wurde bei drei Patienten in seiner Praxis ein Sehverlust aufgrund von NAION diagnostiziert. Er fand heraus, dass alle drei Semaglutid einnahmen. Dies veranlasste den Wissenschaftler und sein Forschungsteam zu einer retrospektiven Analyse von 16.827 Patienten, die in den sechs Jahren seit der Markteinführung von Ozempic behandelt worden waren. Sie litten entweder an Diabetes oder an starkem Übergewicht. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „JAMA Ophthalmology“ veröffentlicht. Mittels suchten die Wissenschaftler nach möglichen Zusammenhängen zwischen Semaglutid-Nutzern im Fall von Diabetes Typ 2 bzw. Mehrgewicht und Adipositas mit dem Auftreten von NAION. Faktoren, die ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung der Augenkrankheit hätten haben können und deshalb das Studienergebnis hätten, wurden bei der Analyse berücksichtigt, darunter: Geschlecht, Alter, systemische Hypertonie, obstruktive Schlafapnoe und koronare Herzkrankheit.3

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Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie

Von den 16.827 Probanden hatten 710 Typ-2-Diabetes und 979 waren mehrgewichtig oder adipös. Die Studienverantwortlichen kamen in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass das Risiko, an NAION zu erkranken, bei Diabetikern, die Semaglutid einnehmen, bei 8,9 Prozent lag. Damit war es viermal höher als bei Patienten, die andere Diabetesmedikamente einnehmen (Risiko von 1,8 Prozent). Bei mehrgewichtige oder fettleibige Patienten, die Semaglutid zur Gewichtsreduktion einnehmen, ist das Risiko sogar siebenmal höher als wenn sie andere Medikamente mit demselben Zweck einnahmen (6,7 Prozent im Vergleich zu 0,8 Prozent).

Für Studienleiter Rizzo eine alarmierende Beobachtung: „Der Einsatz dieser Medikamente hat in den Industrieländern explosionsartig zugenommen, und sie haben in vielerlei Hinsicht sehr große Vorteile gebracht. Künftige Gespräche zwischen Patient und Arzt sollten aber auch NAION als potenzielles Risiko einschließen.“

Bemerkenswert ist auch der Zeitpunkt des Auftretens der Augenkrankheit. Die Studie ergab, dass das Risiko im ersten Jahr nach Beginn der Behandlung mit Semaglutid am höchsten war.

Besteht wirklich ein Zusammenhang zwischen Semaglutid und Sehverlust?

Rizzo merkt an, dass seine Studie nicht beweisen kann, dass Semaglutid direkt NAION verursache. Es handele sich lediglich um eine erste Beobachtung. Obendrein sei unklar, warum oder wie der Zusammenhang zwischen Semaglutid und Sehverlust bestehe und warum bei Diabetikern und Mehrgewichtigen ein Unterschied festgestellt worden sei. „Unsere Ergebnisse sollten als signifikant, aber vorläufig, angesehen werden. Es sind künftige Studien erforderlich, um diese Fragen weiter zu untersuchen“, schließt Rizzo.

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Ozempic-Nutzer rät von Abnehmen mit Spritze ab

In seinem eigenen Podcast und bei FITBOOK berichtet Serdar Deniz von seiner Abnehm-Reise und in dem Zusammenhang auch von seiner Erfahrung mit Ozempic (ein Medikament, das den Wirkstoff Semaglutid enthält). Auch er kann von Nebenwirkungen wie Übelkeit berichten. Viel schlimmer fand er aber die Erkenntnis, dass er nach den ersten Abnehmerfolgen nicht nur immer weiter spritzen musste, sondern sogar noch mehr. „Für mich war es erschreckend, zu sehen, dass ich die Dosis erhöhen muss, um weiter abzunehmen“, beschrieb der 36-Jährige. Deshalb entschloss er sich, das Medikament abzusetzen: „Nein, ich werde kein Ozempic mehr nehmen. Zum einen, weil mein Diabetes gut behandelt bzw. eingestellt ist und ich somit medizinisch keinen Indikator mehr habe für das Mittel.“ Andererseits sei es ihm zu riskant, die Dosierung immer wieder erhöhen zu müssen, um weiter erfolgreich abzunehmen. Der 36-Jährige fürchtet Schäden durch das Medikament, die man bislang noch gar nicht kenne.

Experte weist auf Gefahr hin, nach Absetzen des Mittels, wieder zuzunehmen

„Für das Absetzen von GLP-1-basierten Therapien gibt es nicht allzu viele Daten. Es gibt eine kontrollierte Studie mit übergewichtigen und adipösen Menschen ohne Diabetes, die sich 68 Wochen lang Semaglutid gespritzt haben bei einer gleichzeitigen reduzierten Kalorienzufuhr auf etwa 1200 Kilokalorien pro Tag und einer sportlichen Aktivität von 150 Minuten pro Woche, was streng kontrolliert wurde. Nach den 68 Wochen hatten diese Patienten rund 15 Prozent ihres Körpergewichts verloren. Dann wurde die Therapie abrupt abgesetzt. Genau ein Jahr später untersuchte man die Personen noch einmal. Ein Großteil hatte ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht. Im Schnitt hatten sie zwei Drittel des verlorenen Gewichts wieder zugenommen.“

FITBOOK-Redakteurin Anna Echtermeyer führte zu dem Thema ein ausführliches Interview Prof. Dr. Norbert Stefan, der an der Uniklinik Tübingen unter anderem zu GLP-1-basierten Therapien

Themen Abnehmen Medikamente

Quellen

  1. Mass General Brigham (2024). Popular Prescription Weight Loss Drugs Linked to Uncommon Blinding Condition (aufgerufen am 4. Juli 2024) ↩︎
  2. Chen, J.J. Ischämische Optikusneuropathie. MSD Manuak (aufgerufen am 4.7.2024) ↩︎
  3. Hathaway, J.T., Madhura, P.S, Hathaway, D.B., et al. (2024): "Risk of Nonarteritic Anterior Ischemic Optic Neuropathy in Patients Prescribed Semaglutide" JAMA Ophthalmology. ↩︎
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