3. März 2024, 17:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Begriff „sekundäres“ oder „zweites Ertrinken“ wird immer wieder in die Feeds der sozialen Medien gespült – insbesondere bei Eltern. Dahinter steckt das Phänomen, dass Kinder angeblich noch Stunden oder Tage nach dem Verschlucken von Wasser daran sterben können. Das kann Eltern Angst machen. Ein Kinderintensivmediziner erklärt, was sich wirklich hinter dem Begriff verbirgt und was im Notfall zu tun ist.
Keine Frage: Kleine Kinder sollte man beim Baden niemals aus den Augen lassen. Sonst kann es schnell lebensgefährlich werden. Laut DLRG steigen die Fallzahlen von Ertrinkungsunfällen. In 2023 starben 16 Kinder unter zehn Jahren bei einem Badeunglück.1 Doch muss man bei der heimischen Badewanne genauso wachsam sein? Hat das Kind beim Planschen mal eine kleine Menge Wasser geschluckt, müssen sich Eltern in der Regel keine Sorgen machen. Das erklärt Till Dresbach, Oberarzt in der Neonatologie und Kinderintensivmedizin am Universitätsklinikum Bonn, der dpa. Doch es ist wichtig, auch bei Zwischenfällen in der Badewanne die Anzeichen für sekundäres Ertrinken zu erkennen.
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Übersicht
Experte findet den Begriff „sekundäres Ertrinken“ irreführend
Anders als es in sozialen Medien kursierende Berichte vom sekundären Ertrinken oft suggerierten, sei das Schlucken geringer Mengen Wasser nicht lebensbedrohlich – auch nicht Tage oder Wochen nach dem Vorfall. Zumindest, wenn zuvor keinerlei Symptome aufgetreten sind.
„Sekundäres Ertrinken ist kein medizinischer Begriff“, sagt Dresbach. Ihm zufolge ist die Bezeichnung irreführend. Schluckten Kinder ein wenig Wasser oder atmeten geringe Mengen ein, führe das meistens lediglich zu Hustenreiz, der die Lunge vor dem Wasser schützt, so der Kinderintensivmediziner. Gefährlich werde es erst dann, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangt sind.
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Was tun, wenn das Kind viel Wasser geschluckt hat?
Der Experte betont: „Wenn ich ein Kind aus dem Wasser rette, das größere Mengen Wasser geschluckt hat, sollte es natürlich einmal ärztlich angesehen werden.“ Um als Elternteil einen echten Fall von sekundärem Ertrinken zu erkennen, nennt der Mediziner eine Faustregel: Immer dann ärztlichen Rat suchen, wenn die Symptome nach dem Einatmen von Wasser schwerwiegender sind als beim Verschlucken eines Getränks.
Gleiches gelte, wenn das Kind sich erst Stunden oder Tage nach dem Verschlucken von Wasser erbricht, zunehmend hustet, Atemprobleme hat oder schneller atmet. Denn dann könne eine bakterielle Lungenentzündung dahinterstecken, so Dresbach.
Übrigens: Nicht nur die Lunge kann gefährdet sein, auch die Ohren können zum Problem werden. Kinder, die viel Baden im Sommer, laufen Gefahr an einer sogenannten „Badeotitis“ zu erkranken.
Darauf kommt es im Notfall an
Bei Badeunfällen raten Kinderintensivmediziner des Uniklinikums Bonn Folgendes:
- Das Kind unverzüglich aus dem Wasser retten.
- Sofort einen Notarzt verständigen mit der Nummer 112. Idealerweise übernimmt das eine zweite Person.
- Wenn das Kind bewusstlos ist und man keine Atmung feststellen kann, sollte man sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen starten. Bei einem Kind am besten mit Mund-zu-Mund-Beatmung. Wichtig: Den Kopf nach hinten überstrecken, damit die Luft auch die Lungen erreicht.
- Bei allen Kindern sollten es fünf Beatmungen sein. Dabei die Nase des Kindes zuhalten, um ein Ausweichen der Luft zu verhindern. Wenn nach den fünf Beatmungen keine Lebenszeichen vorhanden sind, sollte mit der Herzdruckmassage begonnen werden.
- Wichtig: Wiederbelebungsmaßnahmen können lebensrettend sein. Sie können die Behandlung erheblich verbessern, so die Experten. Es sei ein großer Fehler aus Angst keine Maßnahmen zu ergreifen.
Tückische Gefahr Sekundäres Ertrinken rechtzeitig erkennen und richtig handeln
Plötzliche Tiefe Achtung, hier lauern die Gefahren beim Baden im Sommer!
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Ab fünf Jahren können Kinder einen Schwimmkurs besuchen
Laut einer vom DLRG in Auftrag gegebene forsa-Umfrage im Jahr 2022 hat sich die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, verdoppelt.2 Dabei bietet es sich an, um das Risiko für Badeunfälle von Kindern zu minimieren, dass sie möglichst früh schwimmen lernen. Für die Gewöhnung an das Wasser und damit sie davor keine Ängste entwickeln, ist laut DLRG Babyschwimmen sinnvoll. Für das eigentliche Erlernen des Schwimmens können Kinder ab fünf Jahren einen Kurs besuchen. Ab diesem Zeitpunkt sind Kinder in der Lage Atmung, Arm- und Beinbewegung gleichzeitig zu koordinieren. Mehr Informationen zum Kinderschwimmen sowie zur richtigen Wahl des Kurses erfahren Sie in diesem Artikel.
*mit Material von dpa