
16. April 2025, 16:13 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wie wirkt sich Diabetes in der Schwangerschaft auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns aus? Eine groß angelegte Meta-Analyse liefert nun eine alarmierende Antwort: Kinder von Müttern mit Diabetes haben ein signifikant höheres Risiko für eine Vielzahl neurologischer Entwicklungsstörungen – darunter auch Autismus. FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke erklärt die Studienergebnisse im Detail.
Erkrankt eine Frau vor oder während der Schwangerschaft an Diabetes, steigt das Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen beim Kind – so zumindest eine neue Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ veröffentlicht wurde. In Deutschland lag 2022 die Prävalenz von Diabetes bei Frauen bei 9,2 Prozent.1 Teilweise entwickeln nicht-diabetische Frauen in der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit: Im Jahr 2020 erkrankten 15 Prozent der Schwangeren an einem Schwangerschaftsdiabetes – Tendenz steigend. Wissenschaftler vermuten, dass der Anstieg daher kommt, dass es immer mehr ältere und übergewichtige Schwangere gibt.2 Und nicht nur die Gesundheit der Mutter wird dadurch beeinträchtigt. Offenbar steht Schwangerschaftsdiabetes auch mit der Entwicklung von Autismus und ADHS bei Kindern in Verbindung.
Übersicht
Ziel der Wissenschaftler
Wie beeinflusst ein Diabetes vor oder während der Schwangerschaft die Entwicklung des kindlichen Gehirns? Die Studienautoren haben sich im Rahmen ihrer Meta-Analyse vielen Forschungsarbeiten gewidmet, die bereits Hinweise auf Zusammenhänge mit Störungen wie Autismus oder ADHS geben. Ziel der Analyse war eine umfassende Zusammenführung der verfügbaren Evidenz zu neurologischen Folgen bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft an Diabetes litten. Analysiert wurden sowohl Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) als auch bereits zuvor bestehender Diabetes (Typ 1 oder Typ 2 vor der Schwangerschaft). Untersucht wurden dabei u. a. Intelligenz, psychomotorische Entwicklung und das Risiko für neurologische Störungen. Im Fokus standen dabei Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Die Wissenschaftler wollten ein möglichst genaues Bild der mit Schwangerschaftsdiabetes assoziierten Risiken zeichnen und Unterschiede zwischen den Diabetesformen herausarbeiten.3
Daten von mehr als 56 Millionen Mutter-Kind-Paaren
Bei der Untersuchung handelt es sich um eine systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse. Dabei werden keine neuen Daten erhoben, sondern bestehende Studien systematisch zusammenführt und statistisch auswertet. Die Datenbasis umfasste 202 Studien aus den Literaturdatenbanken PubMed, Web of Science, Embase und EBSCO. Eingeschlossen wurden Studien, die die neurologische Entwicklung von Kindern diabetische Mütter mütterlicher analysierten. Insgesamt wurden Daten von 56.082.462 Mutter-Kind-Paaren ausgewertet. Die Auswertung erfolgte mithilfe von Random-Effects-Modellen – ein statistisches Verfahren, das Unterschiede zwischen Studien berücksichtigt.

Welche Ernährung hilft bei Gestationsdiabetes?
„Wer in der Schwangerschaft an Diabetes erkrankt, sollte sich in jedem Fall ärztliche Hilfe und Unterstützung durch eine Ernährungsberatung einholen. In der Therapie wird mit Ihnen ein Zielwert für Ihren Glucosespiegel festgelegt. Generell sollten Sie bei kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln auf solche setzen, die reich an Ballaststoffen sind – so schießt der Blutzucker nicht in die Höhe. Das können z. B. Vollkornbrot, Haferflocken oder Kleie sein. Außerdem steht zur Diskussion, dass eine mediterrane Ernährung besonders geeignet sei. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass ein Mangel an Vitamin D das Krankheitsbild begünstigen könnte.“
Schwangerschaftsdiabetes erhöhte Risiko für Autismus und weitere Störungen
Die Meta-Analyse ergab, dass Kinder von Müttern mit Diabetes ein um insgesamt 28 Prozent erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen aufweisen. Auch einzelne Störungen zeigten signifikante Risikoerhöhungen:
- Autismus-Spektrum-Störung: 25 Prozent erhöhtes Risiko
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung): 30 Prozent
- Intelligenzminderung: 32 Prozent
- Entwicklungsstörungen (z. B. Rechnen, Schreiben, Sprache): 27 Prozent
- Kommunikationsstörungen: 20 Prozent
- Motorische Störungen: 17 Prozent
- Lernstörungen: 16 Prozent
Zuvor bestehender Diabetes erhöhte das Risiko stärker
War die Mutter bereits vor der Schwangerschaft an Diabetes erkrankt, war die Risikoerhöhung ausgeprägter als bei einem Schwangerschaftsdiabetes. So war das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen insgesamt bei einem zuvor bestehendem Diabetes um 39 Prozent erhöht, bei Gestationsdiabetes um 18 Prozent.
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Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Die Ergebnisse zeigen: Ein mütterlicher Diabetes während der Schwangerschaft ist ein wesentlicher Risikofaktor für die kindliche Gehirnentwicklung. Betroffene Kinder haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens neurologische Entwicklungsstörungen zu haben – insbesondere, wenn der Diabetes bereits vor der Schwangerschaft bestand. Das deutet darauf hin, dass nicht nur der Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft, sondern auch langfristige metabolische Veränderungen eine Rolle spielen könnten. Die Erkenntnisse sind nicht nur für medizinische Fachkräfte und Schwangere wichtig, sondern auch für Gesundheitspolitik und Präventionsprogramme. Eine bessere Kontrolle des mütterlichen Diabetes – idealerweise bereits vor der Schwangerschaft – könnte das Risiko für Kinder an neurologische Entwicklungsstörungen zu erkranken, senken.
Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Die Studie zählt mit den über 56 Millionen Datensätzen zu den bislang umfassendsten Untersuchungen zum Einfluss mütterlichen Diabetes auf die neurologische Entwicklung von Kindern. Durch die Berücksichtigung zahlreicher potenzieller Störfaktoren (z. B. mütterliches Alter, Bildungsstatus, sozioökonomische Bedingungen) wurde versucht, Verzerrungen zu minimieren. Dennoch bleibt die Studie eine Meta-Analyse von Beobachtungsstudien – sie kann daher keine Kausalität nachweisen, sondern nur statistische Zusammenhänge beschreiben. Außerdem variierten die Studien hinsichtlich Diagnosemethoden, erfasste Altersbereiche und Datenqualität. Der stärkere Zusammenhang bei vorbestehendem Diabetes legt jedoch nahe, dass eine chronische Stoffwechselbelastung der Mutter eine größere Rolle spielt als bislang angenommen. Die Autoren fordern weitere prospektive Studien, die Mechanismen und mögliche Schutzfaktoren aufzuklären.

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Fazit
Kinder von Müttern mit Diabetes haben ein signifikant erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen wie ADHS, Autismus oder Lernstörungen. Besonders ausgeprägt ist dieses Risiko bei vorbestehendem Diabetes vor der Schwangerschaft. Die Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit frühzeitiger Blutzuckerkontrolle – idealerweise schon vor der Empfängnis.