5. Juni 2020, 5:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Mit der Pflicht zum Tragen eines Mundschutzes will man die weitere Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen. Doch sollte man seinen Mund nicht nur äußerlich bedecken, sondern auch von innen pflegen. Warum die richtige Mundhygiene gerade jetzt wichtiger denn je ist.
Dass Zahnpflege essenziell für die Gesundheit ist, steht außer Frage. Doch gerade in der jetzigen Situation ist es zum Schutz vor Corona noch wichtiger, auf eine gute Mundhygiene zu achten.
Mundhöhle ist die Eintrittspforte für Coronaviren
Bakterien und Viren in der Mundhöhle können das Risiko, an Corona zu erkranken, erhöhen. Sie begünstigen nämlich Infektionen und können damit unser gesamtes Immunsystem schwächen. Und ein geschwächtes Immunsystem wiederum macht uns anfälliger für durch Viren verursachte Infektionskrankheiten.
Auch weiß man mittlerweile, dass das Coronavirus selbst insbesondere über den Mund- und Rachenraum in den Körper gelangt. Eine gesunde Mundschleimhaut ist deshalb sozusagen eine natürliche Barriere, um Krankheitserreger wie Sars-CoV-2-Viren aus unserem Körper fernzuhalten.
Sind aMMP-8-Tests zur Überprüfung der oralen Immunabwehr sinnvoll?
Vermehrt wird zu einem sogenannten aMMP-8-Test geraten. Dabei handelt es sich um einen Speicheltest, den Forscher der Universität Helsinki und deutsche Biotech-Experten gemeinsam entwickelt haben. In mehr als 400 Studien konnte man beweisen, dass man mit diesem Test den Zustand des oralen Immunsystem zuverlässig bestimmen kann.
Was das mit Corona zu tun hat? Das Enzym aMMP-8 (aktive Matrix-Metalloproteinase-8) steuert den Gewebe-Abbau im Mundraum. Leidet man an Entzündungen im Mund oder einer Parodontitis, ist die Konzentration des Enzyms dauerhaft erhöht. Dadurch kommt es zu einem Kollagenabbau, der wiederum die Mundschleimhaut durchlässig macht. Das erleichtert es Krankheitserregern, wie eben auch Coronaviren, in den Körper einzudringen.
Zahnarzt sieht aMMP-8-Tests kritisch
Aber ist so ein Test nun wirklich notwendig für die Verringerung der Gefahr einer Corona-Infektion? FITBOOK hat hierfür bei Zahnarzt Dr. Joachim Hüttmann, der auch Pressebeauftragter des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte ist, nachgefragt.
Er sieht vor allem eine Sache daran kritisch: „Auffällig ist, dass man zu diesem Test überwiegend nur Informationen findet, die direkt vom Hersteller stammen“. Zwar sei er grundsätzlich davon überzeugt, dass diese Tests funktionieren und Entzündungen im Mundraum anzeigen können, gibt jedoch zu Bedenken, dass sie meist von den Krankenkassen nicht bezahlt werden und der Hersteller natürlich ein gewisses kommerzielles Interesse habe. Daher sei für ihn ausschlaggebend, was man mit dieser Information letztlich anfangen kann.
Dr. Hüttmann zu FITBOOK: „Beim aMMP8-Test wird stets darauf hingewiesen, dass man bei einer Feststellung von erhöhten Entzündungswerten seinen Zahnarzt zur weiteren Diagnose und Behandlung aufsuchen soll. Dieser kann Entzündungen im Mund jedoch auch bei einer regelmäßigen Kontrolluntersuchung direkt feststellen, einen aus eigener Tasche bezahlten Selbsttest braucht es hierzu vorab meiner Meinung nach nicht“, so Hüttmann.
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Hilft Mundspülung gegen Coronaviren?
Oft liest man im Zusammenhang mit Corona und Mundhygiene auch, dass Gurgeln mit Mundspülung Sars-CoV-2-Viren sozusagen abtöten bzw. aufhalten könne. Aber stimmt das wirklich?
„Ja, das ist grundsätzlich richtig“, sagt Dr. Hüttmann. So sei das Coronavirus nicht nur empfindlich gegen Alkohol, sondern auch gegen Detergenzien, also Reinigungsmittel. Beides sei in herkömmlichen Mundspüllösungen enthalten, weshalb sie durchaus helfen könnten, die Viruslast im Mund- und Rachenraum zu verringern. „Darauf setzen wir jetzt in der aktuellen Situation auch in unserer Praxis. Grundsätzlich bekommt jeder Patient derzeit vor der Behandlung eine desinfizierende Mundspülung als vorbeugende Sicherheitsmaßnahme“, erklärt Dr. Hüttmann. Man benutze hierfür verdünntes Wasserstoffperoxid, da sich dies als effektiver gegen Viren im Vergleich zu den sonst üblichen Spülungen auf Basis von Chlorhexidin erwiesen habe.
Aber bedeutet das nun, dass man am besten so oft wie möglich mit Mundwasser gurgeln sollte? Die Antwort des Experten: „Nein, von ständigem Mundspülen rate ich dringend ab.“ Ein- bis zweimal am Tag seien laut Dr. Hüttmann für eine grundsätzliche Mundhygiene völlig ausreichend. Exzessives Mundspülen könne im schlimmsten Fall nämlich bis hin zu einer Überreizung der Mundschleimhäute führen.
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Maßnahmen zur Verbesserung der Mundhygiene
Prophylaktische Maßnahmen zur Verbesserung der Mundhygiene und des oralen Immunsystems und damit zum Schutz vor Corona kann jeder ergreifen. „Im Prinzip muss man in Zeiten von Corona auch keine speziellen Maßnahmen ergreifen, sondern sich einfach das, was Zahnärzte allgemein raten, besonders zu Herzen nehmen“, erklärt Dr. Hüttmann. Das seien vor allem die folgenden Dinge:
- regelmäßiges Zähneputzen (zwei- bis dreimal täglich)
- tägliche Reinigung der Zahnzwischenräume (am besten mit einer Interdentalbürste)
- regelmäßige Anwendung von antibakterieller Mundspülung (ein- bis zweimal täglich)
- regelmäßiges Wechseln der Zahnbürste (alle vier bis sechs Wochen)
Häufiger mal die Zahnbürste wechseln
Dass man gerade in Zeiten der Corona-Pandemie insbesondere häufiger seine Zahnbürste austauschen sollte, rät auf Anfrage von FITBOOK auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV). „Zahnbürsten sind immer ein Tummelplatz von Mikroorganismen, deshalb sollte man gerade jetzt und auch allgemein zu Erkältungszeiten Vorsicht walten lassen und die Bürste lieber einmal zu viel als zu wenig wechseln“, so ein Sprecher des Verbandes. Nach Abklingen einer bestehenden Infektion mit den üblichen Symptomen wie Husten, Niesen, Fieber usw. sollte die Zahnbürste in jedem Fall sofort gewechselt werden.
Zungenreiniger verwenden!
Weiter rät der Verband auch zu Maßnahmen der Zungenrückenreinigung, etwa mit einem Zungenreiniger. Das sei gerade bei einer bestehenden Infektion, wie beispielsweise auch einer Erkältung, Mandelentzündung oder Rachitis, empfehlenswert, da sich viele Keime auf der Zungenoberfläche befinden.
Die genannten Mundhygiene-Maßnahmen gelten natürlich auch für Menschen, die sich bereits mit Corona infiziert haben.
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Warum Sie auch in Corona-Zeiten zum Zahnarzt gehen sollten
Auch in Corona-Zeiten sollten Sie übrigens weiterhin Zahnarztbesuche wahrnehmen. Dazu rät auch der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte Harald Schrader in einer Pressemitteilung. „Die Mundhöhle ist die Eintrittspforte für Viren und Bakterien. Parodontitis-Prophylaxe ist daher immer auch Corona-Prophylaxe“, erklärt er. Auch könnten bei einer zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung bösartige Veränderungen der Mundschleimhaut frühzeitig entdeckt und behandelt werden. Schrader betont in diesem Zusammenhang, dass der Zahnarzt weit mehr für seine Patienten tue, als nur Schmerzen zu lindern oder schiefe Zähne zu korrigieren. „An dem alten Spruch ‚Gesund beginnt im Mund‘ ist eine Menge Wahres dran“, so der Bundesvorsitzende, der selbst noch als tätiger Zahnarzt täglich Patienten behandelt.