29. November 2022, 19:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Schneckenschleim verorten die meisten Menschen wohl im Garten. Doch angeblich hat er auch in der Hautpflege seine Daseinsberechtigung – denn Schneckenschleim gilt als gut für die Haut. Dabei sollen seine Inhaltsstoffe selbst krankhafte Hautveränderungen lindern können. Was sagt ein Dermatologe dazu?
Wer Schneckenschleim in einer Internet-Suchmaschine eingibt, dem wird der Begriff schnell im Zusammenhang mit Hautpflege-Themen vorgeschlagen. Nicht ohne Grund: Seit einigen Jahren gilt Schneckenschleim als gut für die Haut und wirksame Waffe gegen Alterserscheinungen. Dabei soll deren angeblicher Effekt auf einer ganzen Reihe gesundheitsförderlicher Eigenschaften beruhen, und auf diese will FITBOOK im Folgenden genauer eingehen.
Übersicht
Wie Schneckenschleim die Hautgesundheit unterstützen soll
Entzündungshemmend, reizlindernd
Schneckenschleim begegnet uns in immer mehr Hautpflege-Produkten. Warum – dazu hat sich erst kürzlich die New Yorker Dermatologin Dr. King im Interview mit „Women‘s Health“ geäußert. Demnach enthalte das tierische Sekret unter anderem den Stoff Allantoin, der in verschiedenen tierischen Organismen vorkommt und in der Industrie eingesetzt wird, um Reizungen der Haut zu lindern. Daneben liefere Schneckenschleim von Natur aus hohe Mengen an Zink. Dieses ist aufgrund seiner entzündungshemmenden Wirkung längst ein bewährter Zusatz in der (medizinischen) Hautpflege.
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Feuchtigkeitsspendende Inhaltsstoffe
Weiterhin soll in Schneckenschleim Hyaluronsäure (oft auch nur abgekürzt „Hyaluronsäure“ genannt) enthalten sein. Hyaluronsäure wurde früher ausschließlich aus tierischem Material gewonnen, inzwischen lässt sie sich mithilfe moderner biotechnologischer Verfahren auch synthetisch nachbilden. Auch im menschlichen Körper kommt Hyaluronsäure von Natur aus vor – sie ist hier ein wesentlicher Bestandteil des Bindegewebes und unter anderem für die Hautelastizität verantwortlich. Mit zunehmendem Alter geht die Hyaluronproduktion immer mehr zurück, weshalb das Hautbild mit der Zeit schlaffer wird – Hyaluronsäure ist daher ein gängiger Zusatz in Anti-Aging-Pflegeprodukten. Sie bindet Wasser, was auch im medizinischen Kontext sowohl für etwa feuchtigkeitsspendende Augentropfen als auch für Pflegeprodukte zur Behandlung trockener Haut nützlich ist.
Laut Dr. King steckt im Schneckenschleim auch Glykolsäure. Diese zählt zu den sogenannten Alpha-Hydroxysäuren, deren therapeutische Wirkung wissenschaftlich erwiesen ist1. Glykolsäure wird demnach in Pflegeprodukten zur Behandlung von verschiedenen Hauterkrankungen wie extremer Trockenheit, Akne, Rosacea, Warzen, Ekzemen und selbst Schuppenflechte eingesetzt. Darüber hinaus nutzt sie auch die Schönheitspflege-Industrie aufgrund ihrer antioxidativen Eigenschaften.
Ist Schneckenschleim gut für die Haut? Das sagt der Experte
Nicht wissenschaftlich erwiesen
FITBOOK hat bei Dr. med. Timm Golüke, Facharzt für Dermatologie aus München, nachgefragt. Er bestätigt, dass Schneckenschleim schon vor Jahrhunderten in der Naturheilkunde Verwendung fand. Man glaubte demnach, dass das Sekret die Schnecken selbst vor dem schädlichen Einfluss von UV-Strahlen zu schützen vermag, und deshalb auch an eine gesundheitsförderliche Wirkung auf die menschliche Haut habe. Etwa erhoffte man sich, dass Wunden dank Schneckenschleim schneller heilen. Allerdings: „Die Wirkung ist nicht wissenschaftlich erwiesen“, so Dr. Golüke. Bedeutet wohl: Ist eine Wunde zügig verheilt, nachdem man Schneckenschleim aufgetragen hat, wäre sie das im Zweifelsfall ohnehin.
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»Achtung vor Tierquälerei
Doch der Hype sei real, vor allem in Asien. Der Dermatologe berichtet von mit Schneckenschleim-Masken und Co., gefüllten Regalen etwa in Duty-Free-Shops an koreanischen Flughäfen. Wenn derartige Produkte etwas bewirken, dann liege das an den enthaltenen, oben beschriebenen Zusätzen.
Doch ob Hyaluronsäure, Zink und Co. tatsächlich in Schneckenschleim enthalten sind – das sei gar nicht wirklich die Frage; und ob Schneckenschleim gut für die Haut ist, genauso wenig. So mag seine Nutzung wie eine gute Idee erscheinen, denn es handelt sich schließlich um ein Naturprodukt. Doch Dr. Golüke warnt vor Tierquälerei. Denn wenn eine Schnecke mehr Schleim produzieren soll, damit man davon etwas abschöpfen kann, würde sie oftmals gezielt gereizt – die Tiere sondern größere Mengen des Sekrets aus, wenn sie gestresst sind.
Seine Schilderung deckt sich mit einem Bericht der „SZ“. Demnach gebe es wohl Hersteller, die auf eine tierfreundliche Haltung achten und den Schneckenschleim schonend mithilfe von Mikrostäbchen aufsammeln wollen. „Doch mitunter werden Schnecken auch heute noch zentrifugiert, um an ihren Schleim zu kommen“, heißt es da weiter, „oder gleich mit Salz bestreut, in Chemikalien getaucht oder mit Säure beträufelt, damit sie mehr von ihrem Stressschutz produzieren.“2
Fazit: Es muss (und sollte) kein Schneckenschleim sein
Wenn Sie auf der Wiese liegen und Ihnen zufällig (und freiwillig) eine Schnecke über den Arm kriecht, tun Sie sich (und ihr) im Zweifelsfall nichts Schlechtes. Die vermeintlichen gesundheitlichen Eigenschaften aus dem Schneckenschleim stecken aber auch in verschiedenen anderen Pflege- und Medizinprodukten. Zusammenfassend ist vom Gebrauch von Schneckenschleim im Sinne der Hautgesundheit abzuraten.
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Quelle
- 1. Yu, R.J., E. Van Scott, E.J. (2004) Alpha-hydroxyacids and carboxylic acids, Journal of Cosmetic Dermatology
- 2. Berndt, C. Kosmetik aus Schneckenschleim. SZ. (aufgerufen am 29.11.2022)