15. März 2023, 13:09 Uhr | Read time: 5 minutes
Der Jahrtausende alte Permafrost in Sibirien taut – und verstärkt damit den Klimawandel. Doch nicht nur deshalb stellt die Erwärmung der dauerhaft gefrorenen Böden eine Bedrohung dar. Wie Wissenschaftler jetzt nachweisen konnten, werden dadurch Viren freigesetzt – und die könnten zur Gefahr für uns Menschen werden.
Unter Permafrost oder Dauerfrostboden versteht man Böden, deren Temperatur mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahre unter 0 Grad Celsius liegt.1 Den ältesten Permafrostboden haben Forscher in Ostsibirien entdeckt: Er ist 650.000 Jahre alt.2 Durch Rodungen ging allerdings der schützende Wald verloren, was eine Kettenreaktion zur Folge hatte, die dafür sorgt, dass der Dauerfrost mehr und mehr taut. Dabei verstärkt der schmelzende Permafrost nicht nur den Klimawandel, sondern setzt offenbar auch Viren frei.3 Diese sogenannten „Zombie-Viren“ könnten zukünftig womöglich auch für Menschen gefährlich werden. Zu diesem Ergebnis kam jetzt eine neue Studie eines internationalen Forscherteams.4
Übersicht
Schmelzender Permafrost und das Risiko für Infektionen
Indem der Permafrost mehr und mehr verschwindet, geben die erwärmten Böden nach und nach biologische Materie ab, die Jahrtausende lang eingefroren waren. Darunter auch Viren, die Wissenschaftler u. a. in seit 27.000 Jahren im Frost eingeschlossener Mammutwolle und in gefrorenen Innereien eines sibirischen Wolfes entdeckt hatten. Doch können diese „Zombie-Viren“ auch tatsächlich wieder zum Leben erwachen und andere Lebewesen infizieren?
Dass der schmelzende Permafrost Krankheiten verursachen kann, ist bereits belegt – bisher sind Bakterien dafür verantwortlich. So deckte eine Studie aus dem Jahr 2021 auf, dass Milzbrand, an dem Rentiere in Russland gehäuft erkranken, auf Bakterien aus dem Permafrost zurückzuführen sind. Auch einige Fälle von erkrankten Menschen sind bekannt.5 Nun wollte ein internationales Forscherteam der Frage auf den Grund gehen, ob eine ähnliche Gefahr auch von den durch den schmelzenden Permafrost freigesetzten Viren ausgeht.
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Ablauf der Studie
In der aktuellen Studie, an der Forscher aus Frankreich, Deutschland und Russland beteiligt waren, wurden 13 neu entdeckte „Zombie-Viren“ aus sieben aus dem Permafrost und zwei aus sibirischen Flüssen stammenden Proben isoliert und getestet. Drei der untersuchten Virenarten waren der zuvor erwähnten Mammutwolle und den Überresten des Wolfes entnommen worden.
Um zu erforschen, ob die Viren tatsächlich wieder infektiös werden können, tauten die Wissenschaftler sie unter Laborbedingungen vorsichtig auf. Danach sequenzierten sie im ersten Schritt die Genome, um ein besseres Verständnis über die Beschaffenheit der Viren zu erhalten. Im zweiten Schritt infizierten sie Amöbenzellen mit den durch das Auftauen „erweckten“ Viren.
„Zombie-Viren“ erwachten und wurden aktiv
Tatsächlich zeigte sich, dass mehrere der untersuchten Viren – und das, obwohl sie bis zu 48.000 Jahre lang eingefroren waren – wieder erwachten und aktiv wurden. Genauer: Sie vermehrten sich in den infizierten Amöbenzellen und setzten neue Viruspartikel frei.
Können diese „Zombie-Viren“ uns Menschen gefährlich werden?
„Die Viren, die wir wiederbelebt haben, stellen keine Gefahr dar. Sie infizieren nur Amöben“, beruhigte Jean-Michel Claverie, Computermikrobiologe an der Universität Aix-Marseille in Frankreich und Mitautor der neuen Studie, in einem Beitrag auf „Live Science”.6 „Aber ihr Vorhandensein und ihre Infektiosität deuten darauf hin, dass alte Viren, die Tiere und Menschen infizieren, immer noch infektiös sein könnten.“
Für ihre aktuelle Untersuchung hatten die Wissenschaftler aus Sicherheitsgründen bewusst keine Viren aus dem Permafrost getestet, die den im Labor tätigen Forschern womöglich hätten gefährlich werden können. „Wir nutzen den milliardenfachen evolutionären Abstand der Amöben zu Menschen und anderen Säugetieren als bestmöglichen Schutz“, erklärte Claverie.
Doch gibt es durchaus auch Proben von Viren, die mit bekannten menschlichen Krankheitserregern verwandt sind, etwa mit Pocken- und Herpesviren. Auch wenn vor diesen genannten wohl wahrscheinlich die existierenden Impfungen schützen würden, sei laut den Forschern nicht auszuschließen, dass im Permafrost nicht auch noch unbekannte Viren lauern, die Menschen in der Zukunft infizieren könnten.
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Quellen
- 1. Alfred-Wegener-Institut – Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Permafrost – Eine Einführung. (aufgerufen am 15.3.2023)
- 2. Murton, J.B., Opel, T., Toms, P. et al. (2021). A multimethod dating study of ancient permafrost, Batagay megaslump, east Siberia. Cambridge University Press.
- 3. Schuur, E.A.G., McGuire, A.D., Schädel, C. et al. (2015). Climate change and the permafrost carbon feedback. nature.
- 4. Alempic, J.-M., Lartigue, A., Goncharov, A.E. (et al. (2023). An Update on Eukaryotic Viruses Revived from Ancient Permafrost. Viruses.
- 5. Liskova, E.A., Egorova, I.Y., Selyaninov, Y. O. et al. (2021). Reindeer Anthrax in the Russian Arctic, 2016: Climatic Determinants of the Outbreak and Vaccination Effectiveness. Frontiers in Veterinary Science.
- 6. Thompson, J. ‚Zombie‘ viruses have been revived from Siberian permafrost. Could they infect people? LiveScience. (aufgerufen am 15.3.2023)