23. August 2024, 20:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Diverse Faktoren spielen eine Rolle bei der Wahrscheinlichkeit, im Verlauf des Lebens einen Schlaganfall zu erleiden. Ernährung, Bewegung oder Übergewicht sind nur einige Beispiele. Auch unsere nächtliche Erholung ist diesbezüglich längst in den Fokus der Forschung gerückt. So weist eine US-Studie auf den dramatischen Einfluss von schlechtem Schlaf auf das Schlaganfallrisiko hin. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann erklärt, was die Forscher herausgefunden haben.
Dass Schlafstörungen das Schlaganfallrisiko erhöhen können, konnte zunächst eine aus Irland stammende Untersuchung aufzeigen (FITBOOK berichtete).1 Die nachfolgende Studie aus den USA untermauert dieses Ergebnis nicht nur, sondern fügt noch weitere beunruhigende Erkenntnisse hinzu. So kann das Schlaganfallrisiko je nach Menge der Insomnie-Symptome, die eine Person aufweist, offenbar um bis zu 50 Prozent ansteigen. Besonders gefährdet scheinen Menschen unter 50 Jahren zu sein.
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Übersicht
Ablauf der Studie
Um den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und dem Schlaganfallrisiko zu untersuchen, zogen die Wissenschaftler der Virginia Commonwealth University (USA) Daten aus der Langzeitstudie „Health and Retirement Study“ heran. Insgesamt nutzten die Forscher Gesundheitsinformationen von 31.126 Menschen, die zwischen 2002 und 2020 erfasst worden waren. Das Durchschnittsalter der Probanden, die zu Beginn der Studie noch keinen Schlaganfall erlitten hatten, betrug 61 Jahre und die durchschnittliche Nachverfolgung ihrer gesundheitlichen Entwicklung neun Jahre. 2101 der untersuchten Personen erlitten im Studienzeitraum einen Schlaganfall.2
Anhand eines Fragebogens ermittelten die Wissenschaftler die Art und Häufigkeit von Schlafproblemen sowie die Menge der auftretenden, unterschiedlichen Symptome. Die Fragebögen füllten die Studienteilnehmer im Verlauf des Studienzeitraums regelmäßig aus. Abgefragt wurden u. a. Details zu folgenden Beschwerden:3
- Einschlafprobleme
- Häufiges Aufwachen in der Nacht
- Probleme, nach dem Aufwachen wieder einzuschlafen
- Zu frühes Aufwachen am Morgen
- Sich morgens nicht ausgeschlafen fühlen
Die Befragten konnten zwischen den Antwortoptionen „die meiste Zeit“, „manchmal“ und „selten oder nie“ auswählen. Außerdem rankten sie ihre Beschwerden auf einer Skala von 0 bis 8, wobei höhere Zahlen schlimmere Ausprägungen des Symptoms bedeuteten. Die erfassten Schlafstörungen setzten die Forscher anschließend mithilfe unterschiedlicher statistischer Modell- und Analysemethoden in Bezug zu von Probanden erlittenen Schlaganfällen.
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Je mehr Symptome einer Schlafstörung, desto höher das Schlaganfallrisiko
Um andere Einflüsse auf das Schlaganfallrisiko auszuschließen, bereinigten die Wissenschaftler ihre Analysedaten um Faktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen und Maß körperlicher Aktivität. Übrig blieb die Erkenntnis, dass Probanden, die ein bis vier Symptome einer Schlafstörung aufwiesen, im Vergleich zu Menschen mit gesundem Schlaf, ein um 16 Prozent erhöhtes Schlaganfallrisiko aufwiesen. Von 19.149 Personen, die in der Befragung ein bis vier Symptome angaben, erlitten im Untersuchungszeitraum 1300 einen Schlaganfall. Dagegen erlitten von den 6282 Personen ohne Symptome 365 einen Schlaganfall.
Ein dramatischer Anstieg des Schlaganfallrisikos zeigte sich bei Personen, die mehr als vier Symptome von Schlaflosigkeit hatten. Menschen mit fünf bis acht Symptomen hatten ein um 51 Prozent erhöhtes Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Personen mit einem guten Schlaf. Von den 5695 Personen mit fünf bis acht Symptomen erlitten 436 einen Schlaganfall.
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Besonders Menschen unter 50 Jahren scheinen gefährdet zu sein
Die Untersuchung lieferte jedoch noch eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis – nämlich dass jüngere Menschen mit Schlafstörungen gefährdeter zu sein scheinen als ältere. So war der Zusammenhang zwischen Schlaflosigkeitssymptomen und Schlaganfall bei Teilnehmern unter 50 Jahren stärker ausgeprägt:
- Personen unter 50 Jahren mit fünf bis acht Symptomen hatten ein fast viermal so hohes Schlaganfallrisiko wie Personen ohne Symptome
- Menschen ab 50 Jahren mit der gleichen Anzahl von Symptomen hatten ein zweimal so hohes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, wie Menschen ohne Symptome
Eine Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse bei unter und über 50-Jährigen könnte laut den Forschern darin bestehen, dass Schlaganfälle mit höherem Alter auch aufgrund anderer Vorerkrankungen als Schlafstörungen häufiger werden – z. B. aufgrund von Diabetes oder Bluthochdruck. Bei jüngeren, nicht vorerkrankten Menschen scheinen Schlafstörungen dagegen ein Risikofaktor mit möglicherweise dramatischen Auswirkungen darzustellen. „Dieser auffällige Unterschied legt nahe, dass die Behandlung von Schlaflosigkeitssymptomen in jüngeren Jahren eine wirksame Strategie zur Schlaganfallprävention sein könnte“, erklärt Studienautor Wendemi Sawadogo von der Virginia Commonwealth University in Richmond und Mitglied der American Academy of Neurology. „Zukünftige Forschungen sollten die Verringerung des Schlaganfallrisikos durch die Behandlung von Schlafproblemen untersuchen.“
Studie 9 Schlafprobleme, die das Schlaganfallrisiko verfünffachen können
Dramatische Entwicklung Schlaganfall-Todesfälle weltweit könnten sich bis 2050 verdoppeln
Studie U60-Jährige mit dieser Blutgruppe haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko
Einordnung der Studie
Bei schlechtem Schlaf scheint es also um wesentlich mehr zu gehen als lästige Erschöpfung oder störende Konzentrationsschwierigkeiten am nächsten Tag. Unbehandelt können Schlafstörungen nicht nur unmittelbar die Lebensqualität mindern, sondern auch langfristig ernsthafte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. So legt die aktuelle Studie nahe, dass man Schlafbeschwerden unbedingt behandeln lassen sollte, wenn man sich vor einem Schlaganfall schützen möchte. Einschränkend sollte jedoch eine Schwäche im Untersuchungsdesign nicht unerwähnt bleiben: die Ermittlung von Schlaflosigkeitsbeschwerden mittels Befragung. Denn das bedeutet, dass die Studienteilnehmer subjektiv und aus ihrer Erinnerung heraus über ihre möglichen Symptome berichteten. Eine Methode, die fehleranfällig ist und Daten liefert, die nur schwer verifizierbar sind.