26. Juli 2021, 6:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung. Betroffene hören während einer akuten Phase oft Stimmen und fühlen sich verfolgt. Wie kommt es dazu – und wie lässt sich die Krankheit erfolgreich behandeln? FITBOOK gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Der Begriff Schizophrenie stammt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus schizo (=spalten) und phren (=Geist/Psyche). An Schizophrenie Erkrankte leiden häufig unter Stigmatisierung – ihr Verhalten spiegelt scheinbar das, was gemeinhin als „verrückt“ bezeichnet wird. Sie hören Stimmen, fühlen sich verfolgt. Doch was steckt wirklich hinter der psychischen Störung, welche Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Inhaltsverzeichnis
Symptome einer Schizophrenie
Schizophrenie bricht normalerweise nicht von heute auf morgen aus. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) machen sich bei Betroffenen zu Beginn der Erkrankung nur leichte, unspezifische Anzeichen bemerkbar, wie Ängste oder Konzentrationsstörungen. Bei zwei Drittel der Betroffenen erfolgt die erste akute Krankheitsepisode noch vor dem 30. Lebensjahr.
Während einer akuten Episode leiden Betroffene u. a. unter:
- Denk- und Sprachstörungen
- Ich-Störung
- Verfolgungswahn
- Halluzinationen
- Auffälligkeiten in der Psychomotorik
Das bedeutet, dass sie Gedanken nicht zu Ende bringen können, Gedanken ständig wiederholen oder auch das Gefühl haben, dass andere Menschen Einfluss auf ihre Gedanken nehmen. Halluzinationen sind meistens akustischer Natur. Betroffene hören Stimmen, die zu ihnen oder über sie sprechen. Häufig fühlen sie sich dadurch bedroht oder glauben, versteckte Botschaften zu erkennen.
Erkrankte entwickeln meist zusätzlich Depressionen. Davon sind laut RKI vor allem Frauen betroffen. Viele Betroffene können ihren Beruf nicht mehr ausüben. Etwa 15 Prozent der schizophren Erkrankten unter 40 in Deutschland werden früh berentet.1
Wie erfolgt die Diagnose einer Schizophrenie?
Zunächst muss abgeklärt werden, ob die Symptome durch organische Beschwerden, z. B. Hirntumore, oder Drogenkonsum ausgelöst werden. Können diese Ursachen ausgeschlossen werden, klärt ein Psychiater im Gespräch ab, ob eine Schizophrenie vorliegt. Das kann im Anfangsstadium der Krankheit, wenn die Symptome noch nicht sehr ausgeprägt sind, durchaus schwierig sein.
Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Ulm haben herausgefunden, dass bei Betroffenen die Netzhaut im Auge nicht so dick ist wie bei Gesunden. Schizophrenie lässt sich möglicherweise in naher Zukunft durch einen Augenscan nachweisen. Bis es soweit ist, seien aber noch weitere Untersuchungen nötig.2
Weltweit wird zudem nach den Genen geforscht, die für die Schizophrenie hauptverantwortlich sind. Ein Gentest könnte eine Diagnose enorm vereinfachen – noch bevor die Krankheit überhaupt ausgebrochen ist. Im Moment ist das jedoch noch Zukunftsmusik.
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Mögliche Ursachen der Schizophrenie
Zwei entscheidende Faktoren sind für die Schizophrenie verantwortlich. Betroffene haben einerseits eine erbliche Veranlagung für die Krankheit. Forscher der Johns Hopkins University und der University of North Carolina haben herausgefunden, dass Komplikationen während der Schwangerschaft oder eine Frühgeburt Schizophrenie begünstigen können. In diesen Fällen produziert die Plazenta nämlich mehr von den Genen, die mit Schizophrenie in Verbindung gebracht werden können.3
Starke Belastungen wie Konflikte im Job oder in der Partnerschaft, Traumata, Stress und Überforderung können später im Leben als Trigger dienen und die Krankheit schließlich auslösen. Auch Drogen können dafür verantwortlich sein. Die University of Bristol stellte bereits 2007 in einer Studie fest, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Psychose zu erkranken, bei täglichem Cannabis-Konsum um das Zweifache erhöht ist.4
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Wie wird eine Schizophrenie behandelt?
Bei Schizophrenie verschreiben Psychiater in der Regel Neuroleptika, auch Antipsychotika genannt. Sie verhindern Wahnvorstellungen und Halluzinationen und helfen nicht nur bei akuten Psychosen, sondern dienen auch zur Vorbeugung. Wichtig ist jedoch, dass die Medikamente regelmäßig eingenommen werden. Es passiert immer wieder, dass Betroffene sie absetzen, sobald sie sich besser fühlen.
Der Psychiater Manfred Lütz sprach im Podcast mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die potenzielle Gefahr, die von der Schizophrenie ausgehen kann – für die Betroffenen selbst, aber auch für andere. „Wenn jemand imperative Stimmen hört, also akustische Halluzinationen befehlenden Charakters, die ihm befehlen, einen Menschen umzubringen – das ist natürlich hochgefährlich“, so Lütz. In dieser akuten Phase hätten die meisten Betroffenen keinerlei Krankheitseinsicht, sie seien von ihrer Realität überzeugt. Stellen sie eine Gefahr für sich selbst und andere dar, können sie nach aktueller Rechtsprechung in eine Psychiatrie zwangseingewiesen werden.5
Betroffene dürfen aber nicht präventiv weggesperrt werden. Das würde letztlich auch nur dazu führen, dass sie ihre Krankheit so lange wie möglich aus Angst oder Scham verheimlichen. Dabei ist Schizophrenie gut behandelbar – vor allem, wenn die medikamentöse Einstellung frühzeitig beginnt.
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Quellen
- 1. Robert Koch Institut (2010), Heft 50: Schizophrenie
- 2. Schönfeldt-Lecuona, C., Kregel, T., Schmidt, A. et al. (2020), Retinal single-layer analysis with optical coherence tomography (OCT) in schizophrenia spectrum disorder. Schizophrenia Research.
- 3. Ursini, G., Punzi, G. , Langworthy, B. W. et al. (2021), Placental genomic risk scores and early neurodevelopmental outcomes. PNAS.
- 4. Moore, T. H., Zammit, S., Lingfors-Hughes, A. et al. (2007). Cannabis use and risk of psychotic or affective mental health outcomes: a systematic review. The Lancet.
- 5. Kölner Stadt-Anzeiger (2021). Wann wird Schizophrenie gefährlich, Manfred Lütz? Podcast.