13. Oktober 2023, 17:08 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
FITBOOK-Autorin Julia Freiberger war 17, als die Diagnose Hypothyreose bei ihr große Ängste freisetzte. Ob es ihr gelang, die Schilddrüsenunterfunktion mit einer Ernährungsumstellung umzukehren – und welche Folgen es hatte, als sie das L-Thyroxin absetzte, lesen Sie im zweiten Teil ihres Erfahrungsberichts.
„Haben Sie zukünftig einen Kinderwunsch?“ – „Ja.“ – „Unbehandelt, können Sie sich den auf jeden Fall abschminken.“ Ich war 17 Jahre alt, als ich im Behandlungszimmer saß und der Arzt mir das seelenruhig mitteilte. Meine Mutter hatte mich damals zu ihm geschleppt, weil ich über Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsprobleme geklagt hatte. Die Worte des Arztes waren ein Schock für mich – und noch dazu sah ich mich mit einer diagnostizierten Hypothyreose konfrontiert, besser bekannt als Schilddrüsenunterfunktion. Wie es dazu kam und was die Diagnose damals mit mir machte, darüber habe ich im ersten Teil meines Erfahrungsberichts beschrieben (hier nachzulesen). Nun soll es um die Folgen meiner Ernährungsumstellung gehen, die ich nach der Diagnose Schilddrüsenunterfunktion konsequent umgesetzt habe – mithilfe meiner Schwester.
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Übersicht
- Meine Ernährungsumstellung nach der Diagnose Schilddrüsenunterfunktion
- Trotz Schilddrüsenunterfunktion beschloss ich, das L-Thyroxin abzusetzen
- 3 Monate später lag der TSH-Wert deutlich tiefer – wie war das möglich?
- Diese Gefahren birgt eine unbehandelte Hypothyreose
- Warum ich meine Geschichte erzähle – und was ich durch die Diagnose gelernt habe
Meine Ernährungsumstellung nach der Diagnose Schilddrüsenunterfunktion
Damals sprach ich auch mit meiner Schwester über die Sache, die Medizin studierte und vermutete, dass meine Hypothyreose aufgrund eines Jodmangels entstanden war. Schließlich wird die Schilddrüse auch durch die Ernährung beeinflusst. Sie überzeugte mich, es mit einer Ernährungsumstellung zu versuchen – vielleicht konnte ich die Unterfunktion umkehren, indem ich die richtigen Nahrungsmittel zu mir nahm?
Meine Schwester erstellte für mich eine Liste mit Mineralstoffen und Spurenelementen sowie Lebensmitteln, in denen sie reichlich enthalten sind, die ich also verstärkt zu mir nehmen sollte:
- Jod: Meeresfisch (wie z. B. Stremellachs), Algen, Brokkoli
- Eisen: Rind- und Schweinefleisch, Sesam, Pistazien, Pfifferlinge, Haferflocken, Spinat
- Selen: Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, Pilze, Hülsenfrüchte, Kohl, Zwiebelgemüse, Spargel
- Zink: Rindfleisch, Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen
- Folsäure: Hühnerleber, Weizenkleie, Spinat, Mandeln
- Magnesium: Cashewnüsse, Mandeln, magnesiumhaltiges Mineralwasser, Blattspinat, Bananen
- Vitamin D: Hering, Champignons, Thunfisch, Steinpilze, Scholle
- Vitamin B12: Rindfleisch
Auf bestimmte Mineralien und Spurenelemente durfte ich also nicht verzichten, egal ob ich sie mochte oder nicht. Meine Schwester sorgte dafür, dass ich wochenlang jeden Morgen das gleiche Frühstück auf den Teller bekam: Brot mit Stremellachs, Avocado und einer großzügigen Portion Algen. Mittags gab es dann Reis mit Thunfisch und Spinat. Abends variierte mein Essen dann zwischen Rindfleisch und Meeresfrüchten. Mein Ziel war es, immer etwas von den Lebensmitteln, die mir meine Schwester aufgeschrieben hatte, auf meinem Teller liegen zu haben. Und bis ich nicht alles aufgegessen hatte, durfte ich nicht aufstehen. Das war quasi unsere Abmachung.
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Trotz Schilddrüsenunterfunktion beschloss ich, das L-Thyroxin abzusetzen
Zugegeben, ich fühlte mich wieder wie fünf Jahre alt, aber die Tatsache, dass meine Familie und auch Freunde mich mit dieser Ernährung unterstützten, half mir sehr. Ich hatte immer weniger Scheu, mich darüber zu unterhalten und über meine Probleme zu reden. Auch die Angst, die die Diagnose bei mir ausgelöst hatte, wurde Tag für Tag etwas weniger.
Und dann entschloss ich mich, zusätzlich zu meiner Ernährungsumstellung, das L-Thyroxin abzusetzen.
Als etwa zwei Monate verstrichen waren, ging es mir tatsächlich deutlich besser: Meine Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit kamen zurück. Auch verschwanden meine Kopfschmerzen und die bleierne Müdigkeit ließ nach.
Mein Hausarzt war erwartungsgemäß nicht begeistert, als ich ihm einige Wochen später erzählte, dass ich ohne Absprache seit nunmehr drei Monaten keine Hormone mehr eingenommen hatte und mich seitdem sehr jodhaltig ernährte.
3 Monate später lag der TSH-Wert deutlich tiefer – wie war das möglich?
Die größte Überraschung war aber das Ergebnis des folgenden Bluttests: Dieser ergab erstaunlicherweise, dass der TSH-Wert von 8,910 auf 2,900 mU/l gefallen war. Und der Arzt bestätigte mir, dass sich der Zustand meiner Schilddrüse wieder normalisiert hatte. Ich hatte keine Unterfunktion mehr. Auch mein Arzt hatte keine Erklärung dafür. Er meinte, dass er so was noch nie erlebt hätte. Hielt es aber für möglich, dass die Ernährung den Schalter umgelegt haben könnte. Offenbar war es mir gelungen, meine Hormone mit der Ernährung zu regulieren.
Bis heute konnte ich den Grund für meine Schilddrüsenunterfunktion nie richtig klären. Ich selbst vermute, dass meinem Körper etwas nicht an meiner Ernährung gepasst hatte – vielleicht war es bei mir der Jodmangel, der zu einer Unterfunktion geführt hatte. Und ich bin froh, dass ich das Glück hatte, dass sich meine Schilddrüse wieder stabilisiert hat – ohne meinem Körper Hormone zuführen zu müssen.
Diese Gefahren birgt eine unbehandelte Hypothyreose
Heute, fünf Jahre später, ist mir aber auch klar: Ich hätte das Absetzen des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin mit dem Arzt abklären müssen. Eine unbehandelte Unterfunktion kann die Fruchtbarkeit bei Frauen beeinträchtigen (das gilt übrigens auch für eine unbehandelte Schilddrüsenüberfunktion, genannt Hyperthyreose).
In der Schwangerschaft kann eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion für das ungeborene Kind gefährlich werden. Es besteht eine hohe Gefahr für die körperliche und geistige Einschränkung; auch ist die Wahrscheinlichkeit einer Komplikation während der Schwangerschaft sowie das Risiko einer Früh- oder Fehlgeburt wird deutlich erhöht, wie mir mein Arzt damals erklärte.
MERKE: In der Regel können Schilddrüsenunter- und -überfunktionen sowie Hashimoto erfolgreich mit Thyroxin-Tabletten behandelt werden. Die Behandlung ist auch vom Ausmaß der Fehlfunktion abhängig. Manche Patienten haben eine so geringe Unterfunktion, dass sie keine Symptome haben. Je ausgeprägter und länger der Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, desto intensiver gestalten sich die Symptome und Folgeschäden. Deswegen ist es wichtig, sich mindestens einmal im Jahr kontrollieren zu lassen.
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Warum ich meine Geschichte erzähle – und was ich durch die Diagnose gelernt habe
Natürlich darf man nicht vergessen, dass ich hier nur meine eigenen Erfahrungen beschrieben habe und dass die Umstellung der Ernährung ganz sicher nicht für jeden Menschen mit Unterfunktion die Wende bringt. Jeder Körper ist einzigartig und reagiert anders. Bei manchen schlägt die Hormontherapie an und sie haben keine Nebenwirkungen. Bei anderen (wie mir) eher die „Jod-Therapie“.
Ich wollte damals keine Hormone nehmen – doch die harschen Worte des Arztes, ich könne mir dann meinen Kinderwunsch abschminken, hatten mich damals so sehr beängstigt, dass ich sofort einwilligte. Böse hatte er das nicht gemeint; es war vermutlich seine Art, einer rebellischen 17-Jährigen zu verklickern, dass Handlungsbedarf besteht.
Ich habe aber auch gelernt: Von Diagnosen sollte man sich nicht lähmen lassen und mit seinen Mitmenschen sprechen. Vielleicht hat ja der ein oder andere eine gute Idee, wie man damit umgehen kann; und bespricht es dann mit dem Arzt. Meiner Schwester bin ich jedenfalls auch heute noch dankbar für ihre Hartnäckigkeit!
Ich erzähle meine Geschichte, weil ich mir sicher bin, dass viele Frauen sich nach der Diagnose machtlos fühlen, so wie ich damals. Ich dachte, ich sei nicht gut genug. Aber das ist nicht richtig. Dass der Körper manchmal Probleme hat und Hilfe von außen braucht, ist nicht schlimm und macht einen auch nicht weniger wert.
Ich selbst lasse seitdem auf Anraten meines Arztes mindestens einmal im Jahr meine Schilddrüsenwerte untersuchen. Das ist okay für mich, und bisher sind die Symptome von damals auch nicht mehr zurückgekommen.
Meine Ernährung gestalte ich nach wie vor jodhaltig und abwechslungsreich. Lachs ist bspw. bis heute fester Bestandteil meiner morgendlichen Routine. (Zerdrückte Avocado aufs Brot und viel Stremellachs darüber).
Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich in den letzten Jahren viel über meinen Körper und seine Vorlieben gelernt habe – und dieses Wissen mir geholfen hat, meine Angst zu besiegen, nicht schwanger werden zu können.