29. September 2023, 13:21 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
FITBOOK-Autorin Julia Freiberger (22) erhielt mit 17 die Diagnose Schilddrüsenunterfunktion. In diesem Erfahrungsbericht berichtet sie von ihren Symptomen, dem traumatischen Gespräch mit dem damaligen Arzt, der Suche nach der Ursache – und wie sich eine Ernährungsumstellung auf ihre Hypothyreose auswirkte.
„Den Kinderwunsch können Sie sich abschminken.“ Das war nur einer der Sätze, die mich bei meinem Arztbesuch trafen wie Schläge ins Gesicht. Ich war damals 17 und es ging eigentlich nur darum, meine Schilddrüse zu kontrollieren. Gefühlt war mein Leben in dem Moment vorbei. Bis ich lernte, dass Diagnosen nicht in Stein gemeißelt sind. Welche Erfahrungen ich nach meiner Diagnose Schilddrüsenunterfunktion gemacht habe, lesen Sie hier.
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Übersicht
- Es sollte doch nur ein harmloser Arztbesuch werden
- Meine Mutter bekam keinen Ton heraus
- Aus den Fragen in meinem Kopf wurde Panik
- Ich war müde, antriebslos, konnte mich kaum konzentrieren – und schob es auf den Stress
- Diagnose Schilddrüsenunterfunktion – Erfahrung beim Radiologen
- Mein TSH-Wert lag bei 8,910 mU/l
- Unterfunktion? Überfunktion? Hashimoto? Die Uneinigkeit der Ärzte machte mir Angst
- Meine Schwester empfahl mir eine Ernährungsumstellung
- Quellen
Es sollte doch nur ein harmloser Arztbesuch werden
„Haben Sie zukünftig einen Kinderwunsch?“ – „Ja.“ – „Unbehandelt, können Sie sich den auf jeden Fall abschminken.“ Ich war 17 Jahre alt, als ich im Behandlungszimmer saß und der Arzt mir das seelenruhig mitteilte. Als hätten wir einen kleinen Small Talk geführt. Als würde es nicht um meinen Wunsch gehen, irgendwann mal Mutter zu werden. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Mein Herz pochte so laut, dass ich mir sicher war, dass alle es hören mussten. Ich versuchte meine zittrigen Hände unter Kontrolle zu bringen, während alles, was sich in meinem Kopf wiederholte, seine Worte waren. Emotionslose, kalte Worte. Mir wurde schlecht.
Ich bekam am Rande mit, dass meine Mutter, die mich begleitete, aufgestanden war. Ich wollte ihre Hand nehmen und sie beruhigen. Aber mein Körper gehorchte mir nicht. Also blieb ich wie erstarrt sitzen. Es sollte doch ein harmloser Arztbesuch werden – eine normale Kontrolle, nachdem ich über Kopfschmerzen und etwas Müdigkeit geklagt hatte. Ich spürte, wie die Tränen hochstiegen. Aber ich würde nicht weinen. Nicht vor diesem Arzt, der meiner Mutter einen kurzen Blick zuwarf und dann etwas in seinen Computer tippte. Es kam mir so vor, als würde ich auf ein Urteil warten.
Meine Mutter bekam keinen Ton heraus
„Die Therapie sollte schleunigst beginnen. Die Schilddrüsenwerte Ihrer Tochter sind fast doppelt so hoch wie normal. Im schlimmsten Fall kann der Körper die Schilddrüse angreifen und irreversibel zerstören. Und dann kann ich Ihnen wirklich nichts mehr versprechen.“ Es wurde still im Raum. Meine Mutter öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam kein Ton heraus. Der Arzt wandte sich mir zu.
Ich erinnere mich, dass er so etwas sagte wie: „Ich verschreibe Ihnen vorerst L-Thyroxin, 50 Mikrogramm. Nehmen Sie die Tablette am besten immer morgens mit Wasser ein. Warten Sie eine halbe Stunde vor dem Frühstück. Nach ein paar Wochen müssen wir die Werte erneut kontrollieren und können erst dann sagen, ob die Therapie angeschlagen hat. Wenn nicht, müssen wir die Dosis so lange erhöhen, bis sie Ihr Körper annimmt.“ Dann stand er auf, drückte meiner Mutter das Rezept in die Hand. Er wünschte mir noch „viel Glück“, dann ging er.
Aus den Fragen in meinem Kopf wurde Panik
Es waren doch nur Kopfschmerzen! Meine Mutter sagte etwas Tröstendes zu mir, doch ich spürte, dass die Worte des Arztes auch sie beängstigt hatten. Auch, wenn es nur eine Vermutung des Arztes war, hatten sich seine Worte in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte so viele Fragen in meinem Kopf, die sich mit einem Mal in hemmungslose Panik verwandelten: Was, wenn die Tabletten nicht anschlagen würden? Was, wenn ich später wirklich Probleme haben werde, Kinder zu bekommen? Konnte ich das meinem Freund erzählen oder lieber nicht? Werden meine Eltern überhaupt Großeltern werden? Was, wenn meine Schilddrüse gar nicht mehr funktioniert?
Ich war traurig und wütend auf mich selbst, dass ich ab jetzt auf irgendwelche Tabletten angewiesen war. Aber dieses Gefühl wurde schnell durch Scham ersetzt. Auch, wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, schämte ich mich, dass mein Körper nicht richtig ohne Hilfe funktionieren wollte.
Ich war müde, antriebslos, konnte mich kaum konzentrieren – und schob es auf den Stress
Die Schilddrüsenunterfunktion, in der Medizin auch Hypothyreose genannt, betrifft fast jede zehnte Frau. Von einer Unterfunktion spricht man, wenn die Schilddrüse (lat. Thyroidea) zu wenig Hormone produziert.
Fehlen Schilddrüsenhormone, verlangsamt sich der Stoffwechsel, was sich negativ auf unterschiedliche Körperfunktionen auswirken und verschiedene Beschwerden hervorrufen kann. Das Problem an der ganzen Sache ist, dass man die Symptome nicht direkt erkennt und stattdessen auf Alltagsbeschwerden schiebt.
Ich war müde, antriebslos und hatte Probleme, mich zu konzentrieren. Besonders letzteres machte mir in der Schule und auch beim Tanzen zu schaffen, was damals ein großer Teil meines Lebens war. Sei es, sich lange an eine Aufgabe zu setzen oder Choreografien für eine Show zu merken – ich tanzte damals im Jungen Ensemble des Berliner Friedrichstadtpalast – nach ungefähr 15 Minuten war bei mir Sense. Ich fühlte mich kaum noch leistungsfähig.
Abgerundet wurde das Ganze durch pochende Kopfschmerzen. Aber nicht so, wie ich es von einer Migräne gewohnt war, sondern tausendmal schlimmer. Manchmal waren die Schmerzen nicht auszuhalten. Mein Kopf fühlt sich an, als würde mein Kopf jeden Moment explodieren. In dieser Zeit konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen.
Diagnose Schilddrüsenunterfunktion – Erfahrung beim Radiologen
Zudem gab es oft Momente, in denen ich einen zu niedrigen Puls hatte, mich angeschlagen fühlte, obwohl ich nicht krank war. Zu den erwähnten Konzentrationsproblemen kamen abends nach dem Tanzen Muskel- und Gelenkschmerzen hinzu, die ich dann auf den Muskelkater schob. Für jedes Symptom fand ich eine logische Erklärung.
Mein Zustand wäre unverändert geblieben, hätte mich meine Mutter nicht gezwungen, zum Arzt zu gehen. Eine Woche später bekamen wir den Anruf und eine Überweisung in die Radiologie. Dort wurde meine Schilddrüse geröntgt. Vergrößert war sie nicht, doch die Diagnose Schilddrüsenunterfunktion wurde bestätigt.
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Mein TSH-Wert lag bei 8,910 mU/l
Der TSH-Wert steht für Thyroidea stimulierendes Hormon. Es wird in der Hirnhangdrüse gebildet, ins Blut abgegeben und stimuliert die Schilddrüse, wodurch es zur vermehrten Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4 kommt. Befinden sich im Blut zu wenig Schilddrüsenhormone, wird mehr TSH ausgeschüttet, um einen Ausgleich zu schaffen und die Schilddrüse zu mehr Produktion anzuregen. Ist dies der Fall, handelt es sich um eine Unterfunktion. Sind zu viele Schilddrüsenhormone vorhanden, verringert sich der TSH-Wert und es handelt sich um eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose).
Der normale TSH-Wert liegt bei 0,270 – 4,200 mU/l (Milliunits pro Liter). Mein Wert lag bei 8,910 mU/l – also fast doppelt so hoch. Klar, dass mein Hausarzt bei dem Blutbild alarmiert war und mich zur Abklärung an den Radiologen überwiesen hatte.
Oft habe ich mich bei dem Gedanken erwischt, ob ich nicht vielleicht selbst Schuld an meiner Situation war? Vielleicht hätte ich der Unterfunktion vorbeugen können, indem ich mich gesünder ernährt hätte? Ich hatte schließlich keine angeborene Störung der Schilddrüse. Im Verlauf der Jahre jedoch könnte sich eventuell eine Fehlfunktion entwickelt haben. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben, wie etwa eine chronische Entzündung des Stoffwechsels (die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis) oder Jodmangel. Was war nun mit meinem Körper los?
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Unterfunktion? Überfunktion? Hashimoto? Die Uneinigkeit der Ärzte machte mir Angst
In den nächsten Wochen verbrachte ich viel Zeit damit, unterschiedliche Arztpraxen aufzusuchen. Einige Ärzte behaupteten, dass ich Hashimoto hatte und sich deswegen die Unterfunktion gebildet hatte. Das würde bedeuten, dass ich mein Leben lang Tabletten nehmen müsste.
Andere schlossen Hashimoto komplett aus und führten die Werte eher auf einen Mangel von Nährstoffen zurück, weil meine Symptome nicht mit der Autoimmunerkrankung übereinstimmten. Und ein Arzt sagte, dass ich zwar eine Unterfunktion hätte, meine Beschwerden allerdings auf eine Überfunktion hindeuteten würden.
Niemand konnte mir mit Sicherheit erklären, woran ich genau erkrankt war. Die Uneinigkeit der Ärzte machte mir Angst. In einem Punkt waren sich aber alle einig: Ich sollte L-Thyroxin einnehmen. Doch die Tabletten schlugen wochenlang nicht an. Mein Zustand verschlimmerte sich sogar: von Magen-Darm-Beschwerden, Muskelschwäche bis zu Störungen der Regelblutung war alles dabei. In mir wuchs die Angst, dass noch viel mehr körperliche Vorgänge beeinträchtigt sein können. Denn solange keine Hormontherapie bei mir anschlug, war die Schilddrüsenunterfunktion gewissermaßen „unbehandelt“.
Meine Schwester empfahl mir eine Ernährungsumstellung
Meine Schwester studierte damals Medizin und vermutete, dass meine Unterfunktion aufgrund eines Jodmangels entstanden war und ich sie durch eine Ernährungsumstellung umkehren könnte – ohne Hormone einzunehmen. Ihre Vermutung wurde bestärkt durch die Begegnung mit einer jungen Frau, die es durch eine Ernährungsumstellung geschafft hatte, ihre Schilddrüse wieder zum Funktionieren zu bringen und trotz diagnostizierter Schilddrüsenunterfunktion Mama geworden war.
Also gab sie mir eine Liste mit Mineralstoffen und Spurenelementen sowie Lebensmitteln, in denen sie reichlich enthalten sind und die ich verstärkt zu mir nehmen sollte. Ich hielt die Idee für gut, auch wenn ich überhaupt kein Fan von rohem Fisch, Algen, Spinat, Brokkoli und Zwiebelgemüse war.
Wie genau die Ernährungsumstellung von FITBOOK-Autorin Julia Freiberger aussah und wie es ihr damit im Blick auf die Schilddrüse ergangen ist, lesen Sie im zweiten Teil ihres Erfahrungsberichtes. Er erscheint demnächst auf FITBOOK.
Erfahrungsbericht, Teil 2 FITBOOK-Autorin: „So bekam ich meine Schilddrüsenunterfunktion ohne Medikamente in den Griff“
Stoffwechselstörung Mögliche Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion
Stoffwechselerkrankung Woran erkennt man eine Schilddrüsenunterfunktion?
Quellen
- Universitätsspital Zürich. Schilddrüsenunterfunktion. (aufgerufen am 20.09.23)
- Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Schilddrüsenunterfunktion. (aufgerufen am 20.09.23)