19. Juni 2021, 7:25 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Alkohol gehört nicht zu den gesundheitsfördernden Lebensmitteln. Aber: In Maßen genossen, soll der eine oder andere Tropfen durchaus positive Eigenschaften haben – das besagen jedenfalls Studien. FITBOOK hat mit einem Experten gesprochen.
Von wichtigen B-Vitaminen bis Spurenelementen, darunter Eisen, Magnesium und Zink – Bier werden erstaunlich viele wertvolle Nährstoffe nachgesagt. So soll das Hefe- und Malzgetränk den Blutdruck und sogar das Risiko auf Diabetes Typ 2 senken. Ähnlich hochgelobt ist insbesondere Rotwein. Die Franzosen würden einen Teufel tun, zum Mittagessen kein Gläschen zu trinken – und zum Abendessen sowieso. Rotwein soll die Herzgesundheit fördern, beim Abnehmen helfen und gut für die Hirnfunktion sein, zusammengefasst: die Lebenserwartung erhöhen. Über Schnaps oder Likör gibt es solche positiven Annahmen nicht. Oder muss man vielleicht einfach danach suchen? FITBOOK fragte den Diplom-Ernährungswissenschaftler Uwe Knop, was gesünder ist: Rotwein oder Bier?
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Kein eindeutiger Beweis dafür, dass Rotwein Lebenserwartung erhöht
„Die Frage, ob es gesündere Alkoholika gibt, ist keine Wissens-, sondern eine Glaubensfrage“, erklärt der Experte. „Und die fällt in den Bereich Ernährungsphilosophie.“ Aus wissenschaftlicher Sicht wäre seine Antwort ein klares Nein: Es gebe keinen Beweis, dass etwa ein bestimmtes alkoholisches Getränk gesünder sein soll.
Aber was ist mit den vielen Studien, die belegen wollen, dass beispielsweise Rotweintrinker seltener einen Herzinfarkt erleiden? „Dabei handelt es sich – wie so oft in der Ernährungswissenschaft – um Korrelationen.“ Der Haken an der Forschung zu Ess- und Trinkgewohnheiten sei, dass sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt, welches konkrete Lebensmittel zu einer bestimmten Reaktion im Körper geführt hat.
So erklären Experten auch die längere Lebenserwartung französischer Weintrinker nicht mehr (nur) mit dem Konsum des besagten Genussmittels. Frühere Studien hatten ihre mediterrane Kost – bestehend aus viel Fisch, Olivenöl, Früchten und Gemüse – nicht in die Untersuchung mit einberechnet. „Man weiß, dass Menschen von höherem sozioökonomischen Status häufiger in Situationen kommen, in denen Alkohol konsumiert wird“, führt der Experte fort. „Und man weiß außerdem, dass Menschen aus niedrigeren Schichten mehr Krankheiten und eine kürzere Lebenserwartung haben. Der Rotwein ist daher wahrscheinlich nur ein Hinweis auf bessere Bildung und ein höheres Einkommen.“
Generell sollen Menschen, die ab und an einen guten Tropfen genießen, länger leben als strenge Nichttrinker – dachten wir zumindest. Doch auch hier hat die Sachlage ihre Tücken. In Untersuchungen werden Abstinenzler verallgemeinert. Die Probanden setzen sich nur zum Teil aus Menschen zusammen, die aus Überzeugung – beispielsweise im Sinne der Fitness – Alkohol meiden. Ebenso zählten oftmals frühere Alkoholiker und Vorbelastete dazu, denen das Trinken aufgrund körperlicher Konditionen verboten ist. Gesundheitswerte und vermeintliche Schlussfolgerungen auf die Gesamtsterblichkeit sind entsprechend verfälscht.
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Ist Hochprozentiges schädlicher als Rotwein und Bier?
Der Alkoholgehalt entscheidet – zumindest theoretisch – über die gesundheitliche Bedenklichkeit von Getränken mit. Wie viel man ohne gesundheitlichen Schaden trinken kann, errechnet sich schließlich am reinen Alkohol. Mediziner raten Frauen, täglich nicht mehr als 12 Gramm zu sich zu nehmen. Das entspricht etwa 0,3 Liter Bier oder einem 0,1-Liter-Glas Wein; bei Männern ist in etwa das Doppelte erlaubt. Die jeweiligen Höchstwerte sind mit Spirituosen natürlich schneller erreicht als mit Bier oder Wein. Im Klartext heißt das: Spirituosen sind nicht automatisch schädlicher, hier ist ein maßvoller Umgang aber umso wichtiger, da der Alkohol in ihnen konzentrierter ist.
Was ist mit den angeblich gesunden Inhaltsstoffen in Bier und Rotwein?
Die vielen Mineralien und Spurenelemente, die in Bier stecken und positiven Einfluss auf Stoffwechsel, Blutbildung und Zellerneuerung haben sollen, seien tatsächlich „nicht ganz uninteressant“. Laut Prof. Nicolai Worm, Fachbuchautor und Diplom-Ökotrophologe aus München, tragen sie zur Versorgung mit Mikronährstoffen bei. Anders als seinen Kollegen Knop konnte ihn die Studienlage davon überzeugen, dass moderater Alkoholkonsum zu einem geminderten Risiko für verschiedene Stoffwechsel- und Herzkranzgefäß-Erkrankungen führen soll – jedoch nur begleitend zu einem insgesamt vernünftigen Lebensstil und im Rahmen einer sinnvollen, idealerweise mediterranen Ernährung. „Es sei denn natürlich, es gibt individuelle medizinische Gründe, sich dem Alkohol zu enthalten“, erklärt er FITBOOK.
Positiv zu bemerken seien nicht zuletzt die sekundären Pflanzenstoffe, die vor allem nach Verstoffwechselung durch unsere Darmbakterien pharmakologisch wirksam werden und besonders hochkonzentriert in Rotwein vorkommen sollen. Aber Vorsicht: Das bedeute nicht, dass man umso mehr davon trinken soll. „Ab 20 Gramm für Frauen und ab 30 Gramm für Männer nehmen die gesundheitlichen Risiken immer mehr zu, sodass durch die Inhaltsstoffe insgesamt kein Vorteil mehr für den Körper erkennbar ist“, erklärt Prof. Worm im FITBOOK-Interview.
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Ist Rotwein nun gesünder als andere Alkoholika? Das Fazit
Wenn man es damit nicht übertreibt und sich auch ansonsten vernünftig ernährt, kann Rotwein aufgrund seiner Inhaltsstoffe tatsächlich einen Tick gesünder sein als seine alkoholische Konkurrenz. Man bedenke jedoch: Die Dosis macht das Gift! Sonst sind die positiven Effekte hinfällig und die negativen zahlreich. Mit anderen Worten ist – sofern es die gesundheitliche Verfassung erlaubt, ein gelegentliches Gläschen durchaus erlaubt. In den Tagen darauf sollte dann besser gar nichts getrunken werden. Damit die Leber sich erholen kann und daraus keine ungesunde Gewohnheit wird.
Hinweis: Alkohol erfordert einen verantwortungsvollen Umgang. Alkoholkonsum kann die Gesundheit gefährden und abhängig machen. Nehmen Sie nicht am Straßenverkehr teil, wenn Sie Alkohol getrunken haben und beachten Sie die Vorschriften zum Jugendschutz. Tipps zum verantwortlichen Umgang mit Alkohol finden Sie hier.