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Polyphenole

Was ist Resveratrol und was bringt es fürs Anti-Aging?

Resveratrol kommt besonders in den Schalen von roten Weintrauben vor und damit auch im Rotwein
Resveratrol kommt besonders in den Schalen von roten Weintrauben vor – und damit auch im Rotwein Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

13. Februar 2022, 8:23 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Resveratrol ist ein beliebtes Nahrungsergänzungsmittel, dem immer mehr positive Eigenschaften nachgesagt werden: Es soll verjüngend, lebensverlängernd und gar heilend wirken können. Doch stimmt das wirklich? FITBOOK hat sich die Studienlage zu dem vermeintlichen Wundermittel angeschaut.

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Mit Nahrungsergänzungsmitteln versuchen wir uns fit und gesund zu halten. „Schließlich kann es nicht schaden, wenn man ein wenig nachhilft“, denken sicherlich viele Menschen. Um der natürlichen Alterung entgegenzuwirken, hat sich Resveratrol zu einem beliebten Mittel entwickelt. Aber was ist es eigentlich? Und ist Resveratrol tatsächlich eine hochwirksame Anti-Aging-Substanz? Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Was ist Resveratrol?

Resveratrol ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der zu den sogenannten Polyphenolen gehört. Diese dienen der Pflanze zur natürlichen Abwehr beispielsweise vor Schädlingen oder als Schutz vor zu viel UV-Strahlung. Polyphenole wirken als Antioxidantien gegen freie Radikale im Körper und sollen so vor Entzündungen schützen. Resveratrol gehört aber auch zu den „Kalorienbeschränkungs-Mimetika“ (CR-Mimetika). Sie rufen im Körper eine ähnliche Wirkung hervor, wie sie bei einer Kalorienbeschränkung beobachtet wird, zum Beispiel beim Fasten. CR-Mimetika sollen den Stoffwechsel und die Hormonproduktion günstig beeinflussen, ohne dass man dafür hungern muss. Dem Körper wird also eine verminderte Nahrungszufuhr vorgetäuscht.

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Wo kommt Resveratrol vor?

Resveratrol kommt vor allem in der Schale von roten Trauben, in Pflaumen, Beeren, Erdnüssen und im Japanischen Stauden­knöterich vor. Laut der Verbraucherzentrale wird es für Nahrungs­ergänzungs­mitteln vorwiegend aus Trauben und dem Japanischen Staudenknöterich gewonnen.1 Zudem könne es mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt werden. So ist seit 2016 das synthetisch hergestellte Trans-Resveratrol als Nahrungs­ergänzungs­mittel in Deutschland zugelassen. Es darf ausschließlich von Erwachsenen in einer Dosis von höchstens 150 mg pro Tag eingenommen werden. Zudem sollte es nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.

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Was bewirkt Resveratrol?

Wenn man sich die gängigen Informationen zu Resveratrol anschaut, dann fragt man sich: Warum habe ich dieses Wundermittel nicht schon früher eingenommen? Denn die Liste der postulierten positiven Eigenschaften ist lang und eindrucksvoll. Resveratrol soll zum Beispiel:

  • beim Abnehmen helfen
  • Diabetes vorbeugen
  • vor Herzkreislauf-Erkrankungen schützen
  • das Gehirn im hohen Alter fit halten
  • einen Anti-Aging-Effekt auf die Haut haben
  • vor Krebs schützen
  • sogar lebensverlängernd wirken

Das Problem mit Resveratrol ist die Tatsache, dass viele dieser Erkenntnisse auf Studien basieren, die mit Zellen im Reagenzglas oder an Mäusen durchgeführt wurden. Diese Wirkung lässt sich nicht direkt auf den Menschen übertragen. An Menschen durchgeführte Studien mit dem Antioxidans sind hingegen rar und zudem widersprüchlich in ihren Forschungsergebnissen.

Wie die Verbraucherzentrale berichtet, stufte zum Beispiel die Europäische Behörde für Lebensmittel­sicherheit (EFSA) die Gesundheits­aussagen hinsichtlich der antioxidativen Wirkung von Resveratrol und der positiven Wirkung auf Hautalterung als nicht ausreichend belegt ein.2

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Kann Resveratrol das Gehirn verjüngen?

Besonders widersprüchliche Erkenntnisse gibt es hinsichtlich der positiven Wirkung auf Gehirnzellen. Zunächst das Positive: Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung berichtet, können sowohl Omega-3-Fettsäuren als auch Resveratrol die Leistungsfähigkeit des Gehirns verbessern und dem geistigen Verfall entgegenwirken.3 Dies habe eine Studie aus dem Jahr 2014 ergeben, die vom Bundesforschungsministerium gefördert wurde.4 Dabei bekam eine Gruppe der Testteilnehmer täglich Resveratrol zu den Mahlzeiten, eine zweite Gruppe bekam Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischöl und eine dritte Gruppe nur ein Placebo. Nach dem sechsmonatigen Testzeitraum zeigte die Resveratrol-Gruppe eine bessere Gedächtnisleistung. Noch besser schnitten jedoch die Teilnehmer ab, die Omega-3-Fettsäuren eingenommen hatten. Sie zeigten nicht nur eine bessere Gedächtnisleistung, sondern konnten sich besonders schnell auf neue Situationen einstellen und dadurch Aufgaben rasch und richtig ausführen.

Eine neuere Studie aus dem Jahr 2018 zeigte hingegen keine klaren Verbesserungen des verbalen Gedächtnisses, obwohl die Probanden (zwischen 60 und 70 Jahren alt) ebenfalls sechs Monate lang Resveratrol eingenommen hatten.5 Es seien weitere Studien mit längerer Dauer und größerem Stichprobenumfang erforderlich, um festzustellen, ob Resveratrol die Gedächtnisleistung bei gesunden älteren Erwachsenen tatsächlich verbessert.

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Mythos der lebensverlängernden Wirkung

Die lebensverlängernde Wirkung von Resveratrol steht im Zusammenhang mit dem sogenannten „französischen Paradox“. Denn in Frankreich ist die Lebenserwartung höher und das Herzinfarktrisiko niedriger als beispielsweise bei den Engländern und den Deutschen. Und das, obwohl man auch dort gerne fettreich ist und viel raucht. Als Grund dafür wird der regelmäßige Konsum von Rotwein gesehen, der neben viele gesundheitsfördernden Stoffen eben auch viel Resveratrol enthält.

Eine Auswertung mehrerer Studien hat gezeigt, dass die lebensverlängernde Wirkung von Resveratrol nicht eindeutig belegt ist.6 Stattdessen hängt es stark vom untersuchten Lebewesen ab. Während Würmer und Killifische sehr gut auf Resveratrol ansprachen, hatte Resveratrol in den meisten Studien, die an Fliegen und Mäusen durchgeführt wurden, keinen Einfluss auf die Lebensdauer. Darüber hinaus könnten Faktoren wie die Dosis von Resveratrol, das Geschlecht, der genetische Hintergrund und die Ernährungszusammensetzung zu der großen Varianz der beobachteten Lebensspanne bei Lebewesen beitragen.

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Viel Aufsehen um nichts?

„Die Geschichte von Resveratrol entpuppt sich als ein weiterer Fall, in dem viel Aufsehen um gesundheitliche Vorteile gemacht wird, die den Test der Zeit jedoch nicht bestehen“, sagt Richard D. Semba, Professor für Augenheilkunde an der Johns Hopkins University School of Medicine und Leiter einer weiteren Studie zu Resveratrol. „Der Gedanke war, dass bestimmte Lebensmittel gut für einen sind, weil sie Resveratrol enthalten. Das haben wir überhaupt nicht gefunden“, fasst der Wissenschaftler seine Studienergebnisse zusammen.

Dabei handelt es sich nicht um irgendeine kleine Studie, sondern um eine Langzeituntersuchung von 783 älteren Menschen aus der Chianti-Region in Italien, die über einen Zeitraum von 15 Jahren lief.7 Auch dort trinkt man viel (gesunden) Rotwein. Und so hat man die Auswirkungen von Resveratrol auf das Altern und die Sterblichkeit dieser Gruppe von Menschen untersucht. Im Rahmen der Studie analysierten die Forscher Urinproben der Probanden, die zu Beginn der Studie entnommen wurden. Sie setzten die darin enthaltenen Stoffwechselprodukte von Resveratrol mit der Lebenserwartung der Teilnehmer in Beziehung.

Nach Berücksichtigung von Faktoren wie Alter und Geschlecht waren die Menschen mit der höchsten Konzentration an Resveratrol-Metaboliten nicht weniger wahrscheinlich aus irgendeinem Grund gestorben als diejenigen, bei denen kein Resveratrol im Urin gefunden wurde. Zudem stand die Konzentration von Resveratrol nicht mit Entzündungsmarkern, Herzkreislauf-Erkrankungen oder bestimmten Krebsraten in Verbindung.

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Fazit

Laut aktueller Studien und Erkenntnisse ist Resveratrol nicht der erhoffte Anti-Aging-Wunderstoff, für den ihn viele halten. Die Studienerkenntnisse wurden meist im Reagenzglas gewonnen oder an Lebewesen wie Fliegen, Würmern und Mäusen. Doch selbst die Erkenntnisse, die aus Untersuchungen an Menschen stammen, sind entweder widersprüchlich oder beweisen nicht den erhofften Effekt. Vielleicht ist Resveratrol als Einzelsubstanz einfach nicht so wirksam wie im Verbund mit anderen Stoffen. Denn es gibt Studien, die zeigen, dass der Konsum von Rotwein, dunkler Schokolade und Beeren bei manchen Menschen Entzündungen reduziert und das Herz schützt. „Es ist nur so, dass die Vorteile, falls vorhanden, von anderen Polyphenolen oder Substanzen kommen müssen, die in diesen Lebensmitteln enthalten sind“, konstatiert Professor Richard D. Samba. „Dies sind komplexe Lebensmittel und alles, was wir aus unserer Studie wirklich wissen, ist, dass die Vorteile wahrscheinlich nicht auf Resveratrol zurückzuführen sind.“

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Quellen

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