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Studienlage

Debatte um Rauchverbot – so gefährlich ist Passivrauchen im Freien

Kommt bald das Rauchverbot für bestimmte Plätze im Freien?
Kommt bald das Rauchverbot für bestimmte Plätze im Freien? Foto: Getty Images/Westend61

28. November 2024, 15:31 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

In den Innenräumen öffentlicher Gebäude und Verkehrsmittel sowie der Gastronomie ist das Rauchen in allen Bundesländern seit 2008 verboten. Nun wollte die EU noch einen Schritt weitergehen und auch das Rauchen an öffentlichen Plätzen im Freien einschränken. Entsprechende Vorschläge der EU-Kommission werden heiß diskutiert. Doch ist ein solches Verbot aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll? FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann klärt auf über die Studienlage zu den Risiken des Passivrauchens im Allgemeinen – und speziell im Freien.

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Im Rahmen des „Europe’s Beating Cancer Plan“ arbeitet die EU bis 2040 auf eine „tabakfreie Generation“ hin, in der weniger als fünf Prozent der Bevölkerung Tabak konsumiert.1 Aktuell, so heißt es in einem Bericht der EU-Kommission, verlören 700.000 Menschen in der EU aufgrund von Tabakkonsum jährlich ihr Leben, Zehntausende von ihnen aufgrund von Passivrauchen. Deshalb möchte die EU das Rauchverbot von öffentlichen Innenräumen auch auf Plätze in Außenbereichen ausweiten.2 Im EU-Parlament fanden die Vorschläge jetzt keine Mehrheit, kommende Woche stimmen noch die Mitgliedstaaten ab. Doch wie sinnvoll ist das eigentlich? Ist man im Freien wirklich so großen Mengen von Tabakrauch ausgesetzt, dass unsere Gesundheit dadurch Schaden nehmen kann?

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Dort möchte die EU Rauchverbot einführen

In dem eingangs erwähnten Bericht fordert die EU-Kommission ihre Mitgliedstaaten auf, „den Geltungsbereich der Rauchverbotsmaßnahmen auf wichtige Außenbereiche auszudehnen, darunter Freizeitbereiche für Kinder wie öffentliche Spielplätze, Vergnügungsparks und Schwimmbäder sowie öffentliche Gebäude und Haltestellen.“

Die Kommission hatte jetzt versucht, die Zustimmung des Parlaments für die Rauchverbotsforderungen zu bekommen. Diese erfolgte nicht. Doch selbst, wenn das Parlament mehrheitlich dafür gestimmt hätte, hätte dies nicht bedeutet, dass die Mitgliedsländer das Rauchverbot auch umsetzen müssen. Es hätte sich dann um eine offizielle Empfehlung der Kommission handeln. Ob sie ein ausgedehnteres Rauchverbot einführen oder nicht, entscheiden im Anschluss jeweils die Regierungen der einzelnen Länder.3 In Deutschland wird aktuell schon rege diskutiert, ob man das Rauchen weiter einschränken sollte. Kommenden Mittwoch wollen die Staaten über das Rauchverbot abstimmen.

Die Vorschläge der EU stützen sich auf Empfehlungen und Berichte der Weltgesundheitsorganisation. Diese hat u. a. den Status rauchfreier Bereiche in verschiedenen Ländern analysiert. Die WHO-Experten kamen zu dem Ergebnis, dass 60 Länder bereits Rauchverbote in Außenbereichen, an denen sich typischerweise Kinder aufhalten (z. B. Spielplätze), durchgesetzt hätten. 25 Länder hätten das Rauchen in Autos, in denen sich unter 18-Jährige befinden, verboten. Generell gehe es beim Rauchverbot in Außenbereichen um Plätze, an denen sich vulnerable Personen (u. a. Kinder und Kranke) aufhielten oder man unfreiwillig und ohne Ausweichmöglichkeit Tabakrauch ausgesetzt sei (z. B. an Haltestellen).4

Wie ungesund ist Passivrauchen?

Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Blick auf die Erkenntnisse der Forschung, was die Wirkung von Passivrauchen im Allgemeinen und speziell im Freien betrifft, werfen.

Passivrauchen wird bei Menschen, die nicht selbst aktiv rauchen, mit einer Reihe von gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht. Bei Erwachsenen erhöht das Einatmen von Tabakrauch, das andere Menschen durch Rauchen produzieren, Risiken für Erkrankungen wie koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Lungenkrebs. Bei Frauen soll Passivrauchen das Risiko für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Komplikationen bei der Geburt (u. a. geringeres Geburtsgewicht des Säuglings) erhöhen.5,6,7

Bei Säuglingen kann Passivrauchen zudem das plötzliche Kindstodsyndrom verursachen. Bei Kindern kann es zu Atemwegsinfektionen, Ohrenentzündungen sowie Asthmaanfällen führen.

Neben den möglichen Spätfolgen kann Passivrauchen auch unmittelbar zu gesundheitlichen Beschwerden führen. So kam eine Studie aus dem Jahr 2011 zu dem Schluss, dass es innerhalb von 60 Minuten schädliche Entzündungs- und Atemwegsreaktionen hervorrufen kann, die noch mindestens drei Stunden nach dem Ausgesetztsein des Tabakrauchs anhalten können.8

Vor dem Hintergrund der Gesundheitsrisiken, die von Passivrauchen ausgehen, stecken hinter Rauchverboten in erster Linie Bemühungen, die nicht rauchende Bevölkerung zu schützen, sie also möglichst wenig dem unfreiwilligen Einatmen von Tabakrauch auszusetzen. Wenn Rauchverbote zusätzlich dazu führen, dass aktive Raucher weniger rauchen oder die ungesunde Angewohnheit sogar komplett aufgeben, ist das ein erwünschter Nebeneffekt.

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Wie hoch ist die gesundheitliche Gefahr, die von Tabakrauch draußen ausgeht?

Nikotin draußen in der Luft messbar

Doch wie groß ist die Gefahr durch Tabakrauch an der freien Luft? Dass dieser nicht so schnell verfliegt, wie sich mancher Raucher, der von Rauchverboten nichts wissen möchte, wünscht, können viele Menschen aus persönlicher Erfahrung heraus wahrscheinlich bestätigen. Denn die meisten haben z. B. in der Stadt auf der Straße schon einmal Tabakrauch gerochen – und damit eingeatmet –, obwohl die rauchende Person ein Stück entfernt oder sogar bereits gar nicht mehr zu sehen war. Tatsächlich konnte eine Studie aus den Niederlanden aufzeigen, dass Tabakrauchgeruch bedeutet, dass sich in der Luft Nikotin befindet. Besonders hoch war die Menge an nachgewiesenem Nikotin dort, wo mehrere Raucher in einem Außenbereich zum Rauchen zusammenkamen. Die Konzentration in der Luft erhöhte sich mit jedem weiteren Raucher.9

Nikotin gelangt durch Passivrauchen in den Körper

Eine Studie aus dem Jahr 2012 ging noch weiter und untersuchte den direkten Effekt von Passivrauchen an der frischen Luft. Dafür hielten sich Probanden drei Stunden lang in Raucheraußenbereichen von Bars und Restaurants auf. Eine Kontrollgruppe befand sich über denselben Zeitraum hinweg an einem öffentlichen Platz im Freien, an dem nicht geraucht wurde. Anhand von Speichel- und Urinproben wiesen die Wissenschaftler signifikant erhöhte Cotinin-Werte bei den Personen nach, die Passivrauchen im Freien ausgesetzt waren. Bei Cotinin handelt es sich um den Stoff, zu dem Nikotin im menschlichen Körper verstoffwechselt wird. Das bedeutet also, dass die Probanden Nikotin eingeatmet hatten. Bei einigen Studienteilnehmern war der Cotinin-Wert auch einen Tag später noch erhöht. Die Schlussfolgerung der Forscher: Das passive Einatmen von Tabakrauch könne zu gesundheitlichen Problemen führen.10

Studie zu „Third Hand Smoke“

2022 lieferte ein Forschungsprojekt weitere beunruhigende Erkenntnisse zur passiven Aufnahme von Tabakrauch. Sie untersuchte die Wirkung von „Third Hand Smoke“. Damit sind Rauchpartikel, z. B. auf Kleidung und Haaren, gemeint. Das, was man in Deutschland Passivrauchen nennt, nennt sich in der englischsprachigen Forschung „Second Hand Smoke“. Die besagten Rauchpartikel sorgten in der Studie für Veränderungen im Urin und im Blut, die mit Schädigungen der DNA assoziiert waren. Diese stehen wiederum in Verbindung mit Entzündungen und der Beeinträchtigung des Immunsystems.11

Niemand sollte unfreiwillig Tabakrauch einatmen müssen

„Ich gehöre nicht zu den Personen, die sofort das Weite suchen, wenn sie Tabak riechen. Aber auch, wenn mich der Rauch nicht grundsätzlich stört, möchte ich mir doch aussuchen können, wann ich mich ihm aussetze – und wann nicht. So kann ich mich in klar als solchen gekennzeichneten Raucherbereichen von Bars, Restaurants oder Clubs ja selbst dafür entscheiden, ob ich mich dort aufhalten möchte, etwa weil eine Freundin schnell eine rauchen möchte und ich sie begleite oder nicht.

Draußen im Eingangsbereich, den ich bei Betreten und Verlassen der Location nicht meiden kann, ist diese Freiwilligkeit aber z. B. nicht gegeben. Wenn ich mich hier erst einmal durch eine Gruppe von Rauchern quetschen muss, nervt mich das deshalb auch. Noch schlimmer finde ich es, wenn Erwachsene in der Nähe von Kindern rauchen, z. B. auf Spielplätzen oder ganz in der Nähe davon. Und auch beim Warten auf Bus oder Bahn, also an Haltestellen, sehen sich Menschen oft gezwungen, den Tabakrauch anderer auszuhalten.

Das muss nicht sein, finde ich! Da es aber wohl immer rücksichtslose Menschen geben wird, die immer und überall qualmen, halte ich ein Rauchverbot an diesen Orten für sinnvoll. Ich bin gespannt, ob das EU-Parlament dem Vorschlag der Kommission zustimmen und ob die deutsche Regierung diese Empfehlungen dann umsetzen wird.“

Quellen

  1. European Commission. Commission recommends stronger measures on smoke-free environments to better protect public health (aufgerufen am 27.11.2024) ↩︎
  2. European Commission. Commission proposes to extend coverage of smoke-free environments. (aufgerufen am 27.11.2024) ↩︎
  3. Laubach, R. Rauchverbot unter Vorbehalt – Was steht in den EU-Plänen? Handelsblatt (aufgerufen am 27.11.2024) ↩︎
  4. WHO. WHO report on the global tobacco epidemic, 2023 (aufgerufen am 27.11.2024) ↩︎
  5. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Health Problems Caused by Secondhand Smoke (aufgerufen am 27.11.2024) ↩︎
  6. Flor, L.S., Anderson, J.A., Ahmad, N. et al. (2024). Health effects associated with exposure to secondhand smoke: a Burden of Proof study. Nature. ↩︎
  7. Cao, S., Yang,C., Gan, Y. & Lu, Z. (2015). The Health Effects of Passive Smoking: An Overview of Systematic Reviews Based on Observational Epidemiological Evidence. PLOS ONE. ↩︎
  8. Flouris, A., Koutedakis, Y. (2011). Immediate and short-term consequences of secondhand smoke exposure on the respiratory system. Current Opinion on Pulmonary Medicine. ↩︎
  9. Bommelé, J., Cremers, H., Den Hollander W., et al. (2024). Secondhand smoke exposure in public outdoor spaces in the Netherlands: The stronger the smell, the more exposure to nicotine. Tobacco Induced Diseases. ↩︎
  10. St Helen G, Bernert JT, Hall DB, Sosnoff CS, et al. (2012). Exposure to secondhand smoke outside of a bar and a restaurant and tobacco exposure biomarkers in nonsmokers. Environ Health Perspect. ↩︎
  11. Adhami, N., Chen, Y., Martins-Green, M. (2017). Biomarkers of disease can be detected in mice as early as 4 weeks after initiation of exposure to third-hand smoke levels equivalent to those found in homes of smokers. Clinical Science. ↩︎
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