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Meinung

Meine verqualmte Kindheit! Warum ich für das Rauchverbot im Auto bin

Rauchverbot im Auto: Symbolbild
Rauchen und Kinder auf engem Raum – das gehört nicht zusammen, findet FITBOOK-Redakteurin Melanie Foto: Getty Images / ClarkandCompany; Collage: FITBOOK

12. Juli 2023, 12:57 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

FITBOOK-Redakteurin Melanie hat die Debatte um das von Gesundheitsminister Karl Lauterbach gewünschte Rauchverbot im Auto verfolgt. Die teils heißen Diskussionen, die nun geführt werden, kann sie nur bedingt verstehen. Für sie steht fest: Sie ist dafür. Warum? Weil sie sich noch gut an verqualmte Fahrten im Auto erinnern kann. In den 1980ern, als ihre Eltern und viele andere Erwachsene daran nichts verkehrt fanden. Ja, seitdem hat sich am Mindset der Menschen viel getan. Warum sie das Verbot dennoch für sinnvoll hält.

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Rauchen soll zukünftig im Auto verboten sein, wenn Minderjährige oder Schwangere anwesend sind. Das sieht eine Gesetzes-Anpassung im Rahmen der kontrollierten Cannabis-Freigabe für Erwachsene vor.1 Nicht vor Kindern zu qualmen, noch dazu auf beengtem Raum, sollte doch selbstverständlich sein, ist es aber wohl nicht – ergo der Plan für das Rauchverbot im Auto. Doch genau dieses erhitzt viele Gemüter. So manch einer scheint sich schon jetzt von dem Verbot gegängelt zu fühlen. Das kann ich zu einem gewissen Grad verstehen, auch ich bin bei vielen Themen dafür, den Menschen die Freiheit zu lassen, selbst zu entscheiden – und hoffe auf die Vernunft der anderen. Doch nicht bei diesem Thema! Warum? Weil ich selbst – 1983 geboren – als Kind erlebt habe, wie es sich anfühlt, wenn im Auto geraucht wird.

Rauchen im Auto vor Kindern? Meine Erinnerungen

Begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise – in die Mitte bis späten 1980er-Jahre. Meine Familie – das sind mein Vater, meine Mutter, meine zwei Jahre jüngere Schwester und ich – fahren viel und gerne mit dem Auto. Da sind die kurzen, notwendigen Fahrten im Alltag, zum Supermarkt oder zum Sport. Mittlere Strecken, wie etwa zwei- bis dreistündige Fahrten zu einem Freizeitpark. Dann gibt es die langen Fahrten in den Urlaub, von Nordrhein-Westfalen (am Dreiländereck Deutschland – Niederlande – Belgien) nach Bayern oder Österreich zum Beispiel. Und last, but not least: die Wochenend-Spazierfahrten. Vor 30 Jahren für uns völlig normal – niedrigeren Benzinpreisen und nicht vorhandenem Klima-Bewusstsein sei Dank. So gehörte eine Rundfahrt nach Holland zum Tanken, das dort sogar noch günstiger war, und danach zum Tabakkaufen nach Belgien mit anschließendem Abstecher zum Spazieren in die Eifel zu einer typischen Samstag-Gestaltung.

Meine Schwester und ich? Wir liebten das! Selbst bespielte Kassetten mit unseren Lieblingssongs sorgten für gute Laune, meine Eltern nahmen sich Zeit für uns. Es wurde viel gelacht – aber auch geraucht. Nicht umsonst war das Tabakkaufen ein Bestandteil vieler Fahrten. Ob meine Mutter im Auto geraucht hat, daran erinnere ich mich nicht mehr. Wahrscheinlich nicht so häufig, da sie generell eher nur in größerer Gesellschaft mit Freunden oder auf Festen zur Zigarette griff und zwischendurch wochenlang keine brauchte. Anders mein Vater, der, nun ja, gewohnheitsmäßig und ausgiebig rauchte. Auch im Auto.

Schon wenn sich die Autotüren unseres grünen BMWs öffneten und meine Schwester und ich hineinkletterten, war er wahrnehmbar: Der Geruch kalten, abgestandenen Rauchs, der sich innen festgesetzt hatte. Dieser wurde dann bald von neuem Rauch abgelöst, als mein Vater sich seine nächste Zigarette am Steuer gönnte. Für uns Kinder wurde das Fenster einen Spaltbreit geöffnet (eine Klimaanlage hatte der Wagen natürlich nicht) oder öfter eine kurze Pause eingelegt. Man musste sich ja eh mal „die Beine vertreten“. Der eigentliche Grund dafür war wohl aber nicht selten unser Gemecker über den Qualm. Das Rauchen im Auto einfach einzustellen: Auf die Idee wäre mein Vater damals dennoch nicht gekommen.

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Viele wussten es nicht besser

Nun muss ich für meine Eltern aber auch eine Lanze brechen, wie es so schön heißt. Denn ich bin sehr sicher, sie wussten es nicht besser. Für sie, viele weitere Mitglieder meiner geliebten Großfamilie oder auch Freunde gehörte das Rauchen – Zigarette, Zigarre oder Pfeife – damals zum Lifestyle einfach dazu. Kaum ein Erwachsener ging damals aus dem Zimmer oder gar auf den Balkon oder in den Garten, um andere nicht mit ihrer Qualmerei zu belästigen. Ich glaube, ein Bewusstsein für die Gefahren von Passivrauchen oder selbst des aktiven Rauchens gab es damals in der Form wie heute einfach noch nicht.

Wie auch, frage ich mich. Gab es doch noch kaum Regeln, die das Rauchen regulierten. So durfte noch bis in die späten 1990er bei vielen Airlines im Flugzeug geraucht werden. Und das Rauchverbot in Zügen gibt es auch erst seit 2007.

Auch im Dorf- bzw. Kleinstadtleben war der Vorteil des Nichtrauchens noch nicht angekommen. Gleichaltrige Freunde mit vielleicht zwölf Jahren konnten im Kiosk an der Ecke Zigaretten „für Papa“ kaufen. Im Dorf war der Vater als Raucher bekannt, nur selten zweifelte jemand die Aussage des Sohnes oder der Tochter an. Ich erinnere mich an Zigarettenautomaten, an denen auch Jugendliche ganz einfach Kippen ziehen konnten. Das änderte sich vielerorts erst mit einer Änderung des Jugendschutzgesetzes im Jahr 2007, in dem es heißt: „Ab September 2007 dürfen an Kinder und Jugendliche keine Tabakwaren mehr abgegeben, und auch das Rauchen darf ihnen nicht mehr gestattet werden.“2

Wie meine Eltern heute dazu stehen

Ähnlich wie die Einstellung der Gesellschaft hat sich auch die meiner Eltern verändert. Heute sind sie selbst bestürzt und schütteln die Köpfe, wenn sie daran denken, dass sie in der Wohnung und erst recht im Auto geraucht haben. Schon allein der Gedanke ekelt sie an – und sie sind erstaunt darüber und zugleich froh, wie sehr sich die Zeiten gewandelt haben. Beide sind bereits lange Zeit Nichtraucher und würden es absolut verwerflich finden, wenn jemand in Gegenwart ihrer Enkelkinder rauchen würden.

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Was früher normal war – und heute zum Glück nicht mehr

Ob meine Eltern und viele andere Erwachsene ohne Gesetzesänderungen und Verbote sowie Aufklärungskampagnen ihre Meinung über das Rauchen geändert hätten? Das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber geholfen haben die unterschiedlichen Maßnahmen sicherlich. So sind Tabakwerbungen aus dem Fernseher verschwunden – auch wenn so mancher vielleicht die „männliche Malboro-Werbung“ von früher vermisst. Im Kino dürfen sie erst in Filmen, die nach 18 Uhr laufen, gezeigt werden. Wen stört’s? Wohl kaum (noch) jemanden. Ebenfalls selbstverständlich: Verstörende Warnbilder auf Zigarettenschachteln, die 2016 eingeführt wurden. Und auch das – seinerzeit ebenfalls auf viel Unverständnis gestoßene – Rauchverbot in Gaststätten ist seit der Einführung im Jahr 2008 nicht mehr aus der deutschen Gesellschaft wegzudenken.

Was sich angesichts dieser Liste an Maßnahmen auch zeigt: Ohne Regeln oder Verbote scheint es beim Thema Rauchen offensichtlich nie gegangen zu sein. Zwar ist umstritten, inwieweit welche Maßnahme wirklich Wirkung auf das Rauchverhalten der Menschen hatte, aber es ist wohl unumstritten, dass sie als Gesamtpaket gemeinsam mit Aufklärung durch die Wissenschaft ein Umdenken erreicht haben. Denn beschwert sich heute noch jemand ernsthaft, bei einem Restaurantbesuch zum Qualmen vor die Tür gehen zu müssen – selbst im Winter bei eisigen Temperaturen?

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In diesem Fall besser ein Verbot statt auf Vernunft vertrauen

Doch wenn es ein so großes Umdenken gab, warum halte ich dann das geplante Rauchverbot im Auto für sinnvoll? Weil es einfach immer Menschen geben wird, die unvernünftig handeln. Sicherlich auch beim Thema Rauchen. Und ist es mir in vielen anderen Situationen egal, nach dem Motto: Ist ja ihr Leben – geht es bei diesem Thema um die Gefährdung anderer Menschen, vor allem von Kindern. Sie können in den meisten Fällen schließlich nicht frei entscheiden, nicht im Auto mit ihren rauchenden Eltern mitzufahren. Daher bin ich zum Schutz Minderjähriger eindeutig dafür, das Rauchen im Auto zu verbieten. Auch, wenn es sich bei einem Auto anders als in Gaststätten um Privatbesitz handelt, das vielen Deutschen auch noch fast schon „heilig“ ist. Ich empfinde es als absolut wichtig, allen Erwachsenen klar zu signalisieren: Dieses Verhalten ist nicht in Ordnung – und deshalb verboten.

Andere Länder haben längst ein Rauchverbot im Auto

Im Übrigen wäre Deutschland mit der Einführung des Verbots alles andere als ein Vorreiter. So führt der ADAC eine Liste der europäischen Länder, die Rauchverbote in Pkws in unterschiedlichen Ausführungen (meisten variiert das Alter der Minderjährigen, in deren Anwesenheit Rauchen im Auto erlaubt bzw. verboten ist) bereits eingeführt haben:3

  • Belgien
  • England
  • Wales
  • Finnland
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Irland
  • Italien
  • Luxemburg
  • Österreich
  • Slowenien
  • Schottland
  • Tscheschien
  • Zypern

Außerhalb Europas ist das Qualmen im Auto zum Teil ebenfalls durch Verbote eingeschränkt: so etwa in Australien, Südafrika, einzelnen kanadischen Provinzen und US-amerikanischen Bundesstaaten.

Die Niederlande und Polen diskutieren wie Deutschland über die Einführung eines ähnlichen Verbots.

Forschung belegt dramatischen Einfluss von Passivrauchen auf Kinder und Schwangere

Dass Rauchen schlecht für die Gesundheit ist, bestreitet wohl niemand mehr.4 Die schädlichen Effekte von Passivrauchen (Tabakrauch aus der Umgebung einatmen) scheinen dagegen viele noch zu unterschätzen. Dabei liefert die Wissenschaft auch diesbezüglich schon seit Jahren regelmäßig Belege, dass auch von dem passiven Rauchen eine große Gefahr für die Gesundheit ausgeht. Um nur einige der möglichen Folgen zu nennen: erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Krebs.5,6 Passivrauchen während einer Schwangerschaft wird von der Forschung in Verbindung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt, ein geringeres Geburtsgewicht sowie einer geringeren Körpergröße des Säuglings gebracht.7

Speziell bei Kindern haben Forscher ein signifikant erhöhtes Risiko für spezifische Krankheiten und gesundheitliche Probleme durch Passivrauchen nachgewiesen – darunter Meningokokken-Erkrankungen, Gebärmutterhalskrebs, Hirnhautentzündung, Lungenentzündung, Mittelohrenentzündung oder Infektionen der unteren Atemwege im Babyalter.8 Eine aktuelle Studie aus diesem Jahr konnte zeigen, dass Kinder, die Tabakrauch ausgesetzt sind, erhöhte Werte von Metallen in ihrem Speichel haben. Ein Indikator für die Gefahr durch den Rauch, denn eine zu hohe Konzentration von Metallen im Körper steht in Verbindung mit Störungen von Körperfunktionen und langfristigen gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen.9

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Quellen

Themen Rauchen
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