6. September 2024, 14:28 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Dass Rauchen nicht gesund ist, wissen wir alle. Doch nicht nur die Lunge leidet unter dem Genuss von Tabak, sondern auch das Herz. Und was tun, wenn der Hausarzt eine koronare Herzerkrankung diagnostiziert? Bringt ein Rauchstopp dann überhaupt noch etwas oder ist der Zug abgefahren? FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke ist auf eine spannende Studie gestoßen, die kürzlich auf dem ESC-Kongress 2024 in London vorgestellt wurde.
Das Bundesministerium für Gesundheit betitelt Rauchen als das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jedes Jahr sterben hierzulande mehr als 127.000 Menschen an den Folgen. Glücklicherweise sinkt der Anteil der Rauchenden in der Bevölkerung seit den 1980ern. Allerdings konsumierten 2021 immer noch rund ein Fünftel der Erwachsenen Zigaretten.1 Dadurch setzen sie ihren Körpern ein erhöhtes Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Auf dem diesjährigen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) wurde jedoch eine Studie vorgestellt, die untersuchte, welchen Einfluss ein Rauchstopp bei bereits diagnostizierter koronarer Herzerkrankung nimmt – die Ergebnisse sind vielversprechend.2
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Übersicht
Internationale Registerstudie untersuchte über 30.000 Probanden
Anhand des internationalen CLARIFY-Registers (prospektives, beobachtendes, längsschnittliches Register für Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit) untersuchten die Wissenschaftler den Einfluss des Rauchverhaltens auf kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK). Das Register enthielt Daten über 32.378 Patienten mit dieser Erkrankung. Gegenstand der Untersuchung war das Auftreten eines Herzinfarktes oder der Tod infolge der KHK während eines fünfjährigen Beobachtungszeitraums. Hierfür erhob das Forschungsteam jährlich die Raucherhistorie, den aktuellen Raucherstatus der Patienten sowie das Auftreten der genannten Folgen.
Studie umfasste sowohl Raucher als auch Nichtraucher
Die Patienten wurden im Durchschnitt sechseinhalb Jahre nach ihrer KHK-Diagnose in die Studie eingeschlossen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatten 13.366 Patienten (41,3 Prozent) nie geraucht. Weitere 14.973 Teilnehmer (46,2 Prozent) waren ehemalige Raucher und 4039 (12,5 Prozent) rauchten aktuell.
Unter den ehemaligen Rauchern, welche zum Zeitpunkt ihrer Diagnose der koronaren Herzkrankheit rauchten, gaben 72,8 Prozent an, innerhalb des folgenden Jahres einen Rauchstopp eingelegt zu haben. Die restlichen ehemaligen Raucher (27,2 Prozent) hörten in den darauffolgenden Jahren auf.
Auch interessant: Der Faktor, der offenbar zu mehr Herzerkrankungen führt als Rauchen
Rauchstopp halbiert nahezu das Risiko für Herzinfarkt und Tod
Alle Probanden, die nach ihrer KHK-Diagnose den Zigarettenkonsum einstellten, konnten ihr Risiko für einen Herzinfarkt oder kardiovaskulären Tod um satte 44 Prozent senken – und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Rauchstopps. Allerdings stieg nach der KHK-Diagnose für beide Folgeereignisse auch das Risiko jährlich um acht Prozent, wenn noch nicht mit dem Rauchen aufgehört wurde.
Obwohl diejenigen Raucher, die ihren Konsum einstellten, im Vergleich zu Rauchern eine schnelle signifikante Risikosenkung erzielten, erreichten sie selbst nach jahrelanger Rauchentwöhnung nie das kardiovaskuläre Risiko der Probanden, die nie geraucht hatten.
Das entscheidende Zeitfenster für den Rauchstopp
Studienautor Dr. Jules Mesnier vom Hospital Bichat-Claude Bernard in Paris erklärte in einer Pressemitteilung: „Interessanterweise war das erste Jahr nach der Diagnose das entscheidende Zeitfenster für das Aufhören. Zum Zeitpunkt der Diagnose sollten wir die Bedeutung des Aufhörens betonen und die Patienten bei dieser Herausforderung unterstützen.“3
Im Übrigen lohnt sich die Rauchentwöhnung auch bei bestehendem Lungenkrebs. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Artikel.
Aktuelle Studie Hat sich Ihr Herz 5 Jahre nach dem Rauch-Stopp schon erholt?
Forschung Warum sich ein Rauchstopp immer lohnt
Laut Studie Die Wirkung regelmäßiger Fischöl-Supplementierung auf das Herz
Nur weniger Rauchen statt aufhören, bringt auch weniger für die Gesundheit
Einige Raucher legten nach der Diagnose ihrer Herzerkrankung keinen Rauchstopp ein, sondern reduzierten lediglich die Anzahl ihrer täglichen Zigaretten. Diese Maßnahme konnte jedoch keinen signifikanten Effekt erzielen.
Bereits in der Vergangenheit wurde festgestellt, dass nur eine Zigarette am Tag das Risiko für KHK und Schlaganfälle erhöht.
Studienautor plädiert dafür, Raucher verstärkt aufzuklären
Dr. Mesnier erzählt: „Ich sage meinen Patienten gerne, dass es nie zu früh oder zu spät ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Allerdings ist es umso besser, das Herz-Kreislauf-Risiko zu senken, je früher ein Patient mit dem Rauchen aufhört.“ Außerdem betont er: „Es reicht nicht aus, das Rauchen einzuschränken. Bei jedem medizinischen Eingriff sind kurze, klare Botschaften an Raucher erforderlich, die die Notwendigkeit des Aufhörens hervorheben. Patienten zu sagen, dass sie ihr Risiko eines späteren schweren Zwischenfalls oder Todesfalls um die Hälfte senken können – wie wir hier gezeigt haben – ist eine starke Botschaft.“
Bisher wurden lediglich eine Pressemitteilung sowie das Abstract der Studie veröffentlicht, nicht aber die Studie in voller Länge in einem Fachjournal. Deshalb kann an dieser Stelle (noch) keine Einordnung zu den Stärken und Schwächen erfolgen. Dementsprechend sollten die erfreulichen Ergebnisse nichtsdestotrotz mit Vorsicht genossen werden.