1. September 2023, 4:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Werden bestimmte Veranlagungen – z. B. für Krankheiten – schon lange vor der Zeugung eines Kindes „bestimmt“? Genau dafür liefert eine aktuelle Studie Hinweise. Demnach ist besonders das Verhalten späterer Väter von kritischer Bedeutung für die Nachkommen. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann erläutert, was genau Forscher herausgefunden haben.
Wir erben von unseren Eltern nicht nur Merkmale unseres Aussehens oder Charakterzüge. In unserer DNA kann auch angelegt sein, ob wir z. B. ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten oder Adipositas haben. Unter anderem konnte die Forschung aufzeigen, dass die Ernährung von Müttern vor und während der Schwangerschaft Einfluss auf das spätere Gewicht ihres Kindes haben kann (FITBOOK berichtete).1 Und auch Männer können unwissentlich Risiken an die nächste Generation weitergeben. Dafür spielt jedoch nicht etwa ihr Verhalten kurz vor der Vaterschaft eine Rolle. Schuld hat bereits eine ihrer möglichen Jugendsünden. Denn eine Studie kam jetzt zu dem Ergebnis, dass sie, wenn sie als Teenager geraucht haben, Schäden in der DNA ihrer Kinder verursachen können.
Übersicht
Werden Krankheiten von Vätern vererbt?
Untersuchungen aus den Jahren 2013 und 2018 lieferten Hinweise dafür, dass veränderte epigenetische Merkmale über die Spermien von Vätern an die Kinder weitergegeben werden und für Krankheiten verantwortlich sein können – und dass Rauchen die DNA von Männern und ihre Spermienqualität beeinträchtigt.2,3
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Was ist Epigenetik?
Bei der Epigenetik handelt es sich um ein junges Forschungsfeld, das die Interaktion zwischen Umwelt und Genexpression (An- und Ausschalten von Genen) untersucht. Die Epigenetik betrachtet, wie Umwelteinflüsse Gene beeinflussen und Veränderungen der DNA bewirken können.
Studie untersucht epigenetische Merkmale
Forscher der University of Southampton (England) und der University of Bergen (Norwegen) untersuchten die DNA von Probanden im Alter von 7 bis 50 Jahren. Ferner ermittelten sie das Rauchverhalten der Väter der Studienteilnehmer. 875 Personen hatten Väter, die vor ihrer Zeugung Raucher waren. Väter von 304 Probanden hatten bereits vor ihrem 15. Lebensjahr geraucht.
Ausgeschlossen aus der genetischen Untersuchung waren potenzielle Probanden, die selbst rauchten und/oder rauchende Mütter hatten.4
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Wie rauchende Väter die DNA ihrer Kinder verändern
Männer, die vor der Zeugung ihres Kindes mit dem Rauchen beginnen, müssen damit rechnen, DNA-Schäden zu vererben. Betroffene Nachkommen wiesen in der Studie nämlich DNA-Veränderungen an zwei Stellen auf.
Noch dramatischer erwies sich der Einfluss von Rauchen in sehr jungen Jahren. Hatten Väter bereits zu Beginn ihrer Pubertät begonnen, zu rauchen, waren bei den Nachkommen 19 Stellen (auch als CpG-Dinukleotide bezeichnet) im Erbgut betroffen, die wiederum 14 Genen zugeordnet waren. Dabei ging es um Veränderungen in der Art und Weise, wie die DNA in den Zellen verpackt ist (Methylierung), die die Genexpression, also das An- und Ausschalten von Genen, regulieren und mit Asthma, Fettleibigkeit und Keuchen in Verbindung gebracht werden.
Was wir heute tun, kann Generationen beeinflussen
„Unsere Untersuchungen (…) haben gezeigt, dass die Gesundheit künftiger Generationen von den Handlungen und Entscheidungen abhängt, die junge Menschen heute – lange bevor sie Eltern werden – treffen“, erklärte die an der Studie beteiligte Professorin Cecilie Svanes von der Universität Bergen in einer Universitätsmitteilung.5 Co-Autor Dr. Negusse Kitaba ergänzte: „Die Veränderungen der epigenetischen Marker waren bei Kindern, deren Väter während der Pubertät mit dem Rauchen begannen, viel ausgeprägter als bei Kindern, deren Väter zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Empfängnis mit dem Rauchen begonnen hatten. Die frühe Pubertät könnte ein kritisches Zeitfenster für physiologische Veränderungen bei Jungen darstellen. In dieser Zeit werden die Stammzellen gebildet, die für den Rest ihres Lebens Spermien produzieren werden.“
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Jugendliche über Gefahren des Rauchens aufklären
Die Erkenntnisse der Studie liefern neue wichtige Argumente, warum es wichtig ist, Kinder und Jugendliche über die Gefahren des Rauchens aufzuklären. Denn – so hat sich gezeigt – gesundheitliche Spätfolgen können nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Nachkommen betreffen.
Inwieweit sich die Studienergebnisse auch auf das Vapen übertragen lassen, das bei jungen Menschen derzeit besonders beliebt ist, ist noch unklar. Hierzu ist weitere Forschung notwendig. Die Väter der aktuellen Studienprobanden hatten in den 1960ern und 1970ern Tabak geraucht.
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Quellen
- 1. Dalrymple, K.V., Vogel, C., Godfrey, K.M. et al. (2021). Longitudinal dietary trajectories from preconception to mid-childhood in women and children in the Southampton Women’s Survey and their relation to offspring adiposity: a group-based trajectory modelling approach. International Journal of Obesity.
- 2. Skinner, M.K., Haque, C.G.B.M., Nillson, E. et al. (2013). Environmentally Induced Transgenerational Epigenetic Reprogramming of Primordial Germ Cells and the Subsequent Germ Line. Plos One.
- 3. Hamad, M.F., Dayyih, W.A.A., Laqqan, M. et al. (2018). The status of global DNA methylation in the spermatozoa of smokers and non-smokers. Reproductive BioMedicine Online.
- 4. Kitaba, N.T., Knudsen, G.T.M., Johannessen, A. et al. (2023). Fathers’ preconception smoking and offspring DNA methylation. Clinical Epigenetics.
- 5. University of Southhampton. Boys who smoke in their early teens risk passing on harmful epigenetic traits to future children. Eurekalert! (aufgerufen am 31.8.2023)