7. Dezember 2024, 17:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Fast alle frischen Ex-Raucher werden im Laufe ihrer ohnehin schon schwerfallenden Abstinenz mit einigen Extrakilos „belohnt“. Warum ist das so? Wie so oft findet sich die wahre Ursache, warum Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, zunehmen, im Gehirn. FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann erklärt, was die Forschung zur Gewichtszunahme nach dem Rauchstopp in Studien herausgefunden hat.
Es gibt verschiedene mögliche Gründe, warum Menschen, die gerade mit dem Rauchen aufhören, zunehmen. Einer ist z. B., dass Essen eine orale Ersatzbefriedigung darstellt. Ein weiterer Grund: Der Grundumsatz sinkt, wenn kein Nikotin mehr zugeführt wird (Raucher verbrennen ca. 200 Kilokalorien mehr pro Tag als Nichtraucher).1 Viele Ex-Raucher entdecken obendrein zu ihrer eigenen Verwunderung, dass ihre Lust auf Fettiges und Süßes plötzlich besonders stark zu sein scheint. Welcher gemeine Mechanismus ist da am Werk? Forscher haben eine interessante Antwort entdeckt.
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Überblick
Durchschnittliche Gewichtszunahme nach dem Rauchstopp
Zunächst wollen wir eine Meta-Analyse erwähnen, die anhand von 62 Studien rund um das Thema Rauchen herausgearbeitet hat, in welcher Zeitspanne nach dem Rauchstopp eine Gewichtszunahme zu erwarten ist – und wie hoch sie im Durchschnitt ausfällt.2
Die 2012 im Fachjournal „BMJ“ veröffentlichte Analyse kam zu dem Ergebnis, dass die Gewichtszunahme
- 1 Monat nach dem Rauchstopp durchschnittlich 1,12 Kilogramm
- 2 Monate nach dem Rauchstopp durchschnittlich 2,26 Kilogramm
- 3 Monate nach dem Rauchstopp durchschnittlich 2,85 Kilogramm
- 6 Monate nach dem Rauchstopp durchschnittlich 4,23 Kilogramm
- 12 Monate nach dem Rauchstopp durchschnittlich 4,67 Kilogramm
beträgt.
Anhand der Mittelwerte und gewichteten Standardabweichungen errechneten die Wissenschaftler, dass 12 Monate nach dem Rauchstopp
- 16 Prozent der untersuchten Ex-Raucher Gewicht verloren,
- 37 Prozent weniger als 5 Kilogramm zugenommen,
- 34 Prozent 5 bis 10 Kilogramm zugenommen und
- 13 Prozent mehr als 10 Kilogramm zugenommen
hatten.
Studie mit Medikament für Heroinabhängige brachte neue Erkenntnisse
2021 führten Forscher der Minnesota Medical School eine Studie durch mit dem Ziel, die Gewichtszunahme in den Monaten nach einem Rauchstopp besser zu verstehen. Für die Studie rekrutierten Studienleiter Mustafa al’Absi und sein Team erwachsene Raucher und Nichtraucher aller Altersgruppen. Einige von ihnen erhielten während des Versuchszeitraums Naltrexon, ein Medikament zur Behandlung von Opioid-Abhängigkeit, während andere ein Placebo bekamen. Die Raucher durften nun für 24 Stunden keine Zigarette anfassen, bekamen aber wie die Nichtraucher jede Menge Leckereien – von super gesund bis extrem kalorienhaltig – vorgesetzt. Wie zu erwarten, griffen die Raucher bei Snacks mit viel Zucker, Kohlenhydraten und Fett besonders beherzt zu – allerdings nur diejenigen, die zuvor kein Naltrexon eingenommen hatten. Jene Raucher, die unter dem Einfluss von Naltrexon standen, aßen trotz Entzug nicht mehr oder weniger als die Nichtraucher-Vergleichsgruppe.3
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Einfluss des endogenen Opioidsystems
Dass der Einsatz des Opioidantagonisten Naltrexon die beschriebene Wirkung auf den Appetit sich im Entzug befindender Raucher hatte, weist laut den Wissenschaftlern darauf hin, dass das endogenen Opioidsystem nach dem Rauchstopp einen regulierenden Einfluss auf den Appetit nimmt.
Das endogene – also körpereigene – Opioidsystem setzt sich aus vielen und weitverbreiteten Neuronen zusammen, die Opioide synthetisieren und ausschütten. Das Opioidystem spielt eine wichtige Rolle in der endogenen Stress- und Schmerzmodulation und dient als Ansatzpunkt der Schmerztherapie.
Bei Menschen, die abhängig von Nikotin und auf Entzug sind, scheint das System dem Körper Stress zu signalisieren und damit einhergehend einen gesteigerten Appetit auf Lebensmittel, die „glücklich machen“, weil sie für die Ausschüttung von Dopamin sorgen.4
Die Verbindung zwischen Naltrexon und dem Verlangen nach Essen hänge mit der Art und Weise zusammen, wie Nikotin das Opioidsystem des Gehirns aktiviere, erklärte al’Absi der Zeitung „MinnPost“. Das Opioidsystem helfe bei der Schmerztoleranz und sei für angenehme Gefühle verantwortlich. Wenn die Probanden also ein Medikament erhielten, das diese Impulse blockiere, sinke ihr Verlangen nach „Wohlfühl-Essen“.
Laut Studie Wer Bauchfett loswerden möchte, sollte diese Angewohnheit ablegen
Rauchen abgewöhnen Können Nikotinpflaster und -kaugummis süchtig machen?
Forschung Warum sich ein Rauchstopp immer lohnt
Der Einfluss von Rauchen auf das Körperfett
Sich das Rauchen langfristig abzugewöhnen, ist schwer genug, kommt dann noch Frust aufgrund von Gewichtszunahme hinzu, kann dies die Motivation, durchzuhalten, zusätzlich negativ beeinflussen.
Doch gibt es viele Argumente dafür, einen Rauchstopp beizubehalten – und zwar abgesehen von den offensichtlichen Vorteilen für die Gesundheit. Auch was das Körpergewicht bzw. die Figur betrifft, gibt es Hinweise, die für den dauerhaften Nikotinentzug sprechen.
Zum einen scheinen die meisten Menschen nur für eine relativ kurze Zeit zuzunehmen, nachdem sie mit dem Rauchen aufgehört haben. Nach einigen Monaten pendelt sich das Gewicht – insofern auf eine ausgewogene Ernährung und Bewegung geachtet wird – wieder ein.
Zum anderen sollte der Rauchstopp langfristig auch Vorteile für das Körperfett haben. Denn eine Studie aus diesem Jahr zeigt, dass Raucher zwar weniger wiegen können als Menschen, die nicht rauchen, dafür aber mehr viszerales Fett aufweisen.5 Dabei handelt es sich um das für die Gesundheit als sehr riskant geltende Bauchfett. So mag man nach dem Rauchstopp zwar womöglich ein paar Kilogramm mehr auf die Waage bringen, dafür aber zugleich weniger viszerales Fett.