19. November 2020, 13:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Hälfte der Weltbevölkerung könnte 2050 übergewichtig sein, das sind rund vier Milliarden Menschen. 1,5 Milliarden Menschen werden sogar unter Fettleibigkeit leiden. 500 Millionen Menschen werden dagegen an Untergewicht leiden. Warum vergrößert sich die Kluft?
Pizza, Eiscreme und viel Fleisch – ungesunde Ernährungsgewohnheiten schlagen schnell auf die Hüfte. Laut der Prognose eines Forscherteams des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wird im Jahr 2050 fast die Hälfte der Weltbevölkerung (Prognosen gehen von 9,7 Milliarden Menschen insgesamt aus) zu dick sein. In Zahlen: Rund 45 Prozent würden übergewichtig, 16 Prozent (1,5 Milliarden Menschen) sogar fettleibig sein. Im Vergleich: Im Jahr 2010 waren 29 Prozent übergewichtig und neun Prozent fettleibig. Die Studie der Wissenschaftler sagt außerdem aus, dass in dreißig Jahren weiterhin 500 Millionen Menschen unter Hunger und Unterernährung leiden würden.
Dass die Schere zwischen Übergewichtigen und Hungernden so krass auseinandergehen wird, liegt nach Ansicht der Potsdamer Wissenschaftler an den sich rasant verändernden Ernährungsgewohnheiten weltweit. Benjamin Leon Bodirsky ist der Hauptautor der PIK-Studie. Er warnt: „Wenn der beobachtete Ernährungswandel weiter anhält, werden wir das Ziel der Vereinten Nationen nicht erreichen, den Hunger weltweit zu besiegen.”
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Warum gibt es laut der Prognose 2050 so viele fettleibige Menschen?
Nach Ansicht von Bodirsky liegt der Grund der Zunahme an Übergewichtigen zum einen an der unzureichenden Verteilung von Nahrungsmitteln weltweit. Zudem werde sich der Appetit auf ungesunde Nahrungsmittel steigern. Hochverarbeitete Kost mit tierischem Eiweiß, Zucker und Fett werde eine größere Rolle bei der Ernährung spielen. Pflanzliche und wenig verarbeitete Kost hingegen würde von vielen in naher Zukunft mehr und mehr verschmäht.
In einer Presseerklärung fassen die Wissenschaftler zusammen: „Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte werden durch tierisches Eiweiß, Zucker und Fett verdrängt.“ Mehr Lust auf Fleisch bedeutet auch, dass mehr Land für die Tierhaltung herhalten muss. Dafür müssen in der Konsequenz immer mehr Wälder abgeholzt werden. Ein ernstes Problem für das Klima.
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Wie haben die Forscher den Trend zur Fettleibigkeit berechnet?
Die Wissenschaftler haben Langzeit-Daten über den Wandel der globalen Ernährungsgewohnheiten genauer unter die Lupe genommen. Ein Fokus der Studie war der Bedarf an Nahrungsmitteln bei einem Bevölkerungswachstum ab 1965 bis 2100. Teil der Analyse waren außerdem der Alterungsprozess, die zunehmende Körpergröße, der wachsender Body-Mass-Index und die abnehmende körperliche Aktivität.
Ein wichtiger Aspekt der Studie ist zudem die ungerechte Verteilung von Lebensmitteln und wie sich diese global auf die Ärmsten der Armen auswirkt. Co-Autor Prajal Pradhan vom PIK erklärt: „Es gibt genug Nahrung auf der Welt – das Problem ist, dass die armen Menschen auf unserem Planeten sich diese nicht leisten können. Und in den reichen Ländern spüren die Menschen die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen der Verschwendung von Nahrungsmitteln nicht.“ Aber Umverteilung allein würde nicht ausreichen, denn sowohl ärmere als auch reichere Bevölkerungsschichten ernähren sich mangelhaft – es fehlt an Wissen über eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise.
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Wie soll das Problem angegangen werden?
Sabine Gabrysch ist Klimawissenschaftlerin und ebenfalls Co-Autorin der PIK-Studie, die die düstere Prognose zu fettleibigen Menschen im Jahr 2050 aufstellte. Sie fordert politische Maßnahmen, um eine Ernährungsumgebung zu schaffen, die gesundes Essverhalten fördere. „Dazu könnten verbindliche Vorschriften gehören, welche die Werbung für ungesunde Snacks regulieren sowie nachhaltige und gesunde Mahlzeiten in Schulen, Krankenhäusern und Kantinen sicherstellen.“ Eine stärkere Konzentration auf Ernährungsbildung sei ebenfalls wichtig, von der Früherziehung im Kindergarten bis zur Beratung durch Ärzte und Krankenschwestern. „Was wir essen ist von entscheidender Bedeutung – sowohl für unsere eigene Gesundheit als auch für die unseres Planeten.“