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Papier, Lehm, Nägel ...

Pica-Syndrom – die seltene Störung, bei der Betroffene ungenießbare Dinge essen

Pica-Syndrom
Personen mit Pica-Syndrom essen ungenießbare Dinge wie Sand, Steine, Papier oder Abfall Foto: Getty Images
Julia Freiberger
Werkstudentin in der Redaktion

29. März 2024, 8:44 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Das Pica-Syndrom ist eine seltene, krankhafte Form von Essstörung. Die Betroffenen essen Dinge, die keine Lebensmittel sind. Dazu zählen Lehm, Sand, Kreide oder Papier. Die Folgen für die Gesundheit sind verheerend. FITBOOK klärt auf über die Erkrankung und sagt, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

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Ursprünglich verwendete man den Begriff „Pikazismus“, um ungewöhnliche Essgewohnheiten bei Schwangeren zu beschreiben. Doch die manchmal seltsamen Gelüste Schwangerer sind mitnichten gleichzusetzen mit dem Pica-Syndrom: Denn Betroffene verzehren Dinge, die überhaupt keine Nahrungsmittel sind. Ihren Namen hat die Erkrankung aus dem Lateinischen, wobei „Pica“ übersetzt „Elster“ bedeutet. Der Vogel ist für sein gieriges und nicht besonders wählerisches Fressverhalten bekannt. FITBOOK nennt mögliche Ursachen und Symptome der krankhaften Essstörung, die zu gefährlichen Komplikationen führen kann und sagt, welche Therapiemöglichkeiten es gibt.

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Was man unter dem Pica-Syndrom versteht

Betroffene der krankhaften Essstörung essen ungenießbare Dinge – etwa Papier, Erde, Lehm, Nägel oder sogar Exkremente. Die Vorlieben können stark variieren. So bevorzugen manche Betroffene eher spezifische Substanzen und essen beispielsweise nur eine bestimmte Art von Lehm. Wiederum andere (häufig Kinder) können wahllos jegliche Objekte essen, die sie in den Mund bekommen – ohne wirklich eine Vorauswahl zu treffen.

Anders als die quantitativen Essstörungen wie Bulimie, Binge-Eating und Magersucht, wo es um die verzehre Menge geht, ist das Pica-Syndrom eine qualitative Essstörung.

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Wer betroffen ist

Das Pica-Syndrom tritt überwiegend bei Kleinkindern auf – gerade bei denen, die viel Vernachlässigung erfahren haben. Allerdings stellt man jedoch erst eine Diagnose, nachdem das Kind ab zwei Jahren seit mindestens einem Monat Dinge zu sich genommen hat, die keine Nahrungsmittel sind.1

Frauen sind statistisch häufiger von der Essstörung betroffen sind als Männer. Experten vermuten jedoch, dass die Störung nicht in allen Fällen erkannt wird.2 Anfällig sind Menschen, die an psychischen Erkrankungen (wie Schizophrenie) leiden oder eine geistige Behinderung haben. Auch Autismus oder Demenz können die Entstehung des Pica-Syndroms begünstigen. Eine Schwangerschaft kann ebenfalls dazu führen, dass man eine Vorliebe für ungewöhnliche Gelüste entwickelt – wobei diese sich in den allermeisten Fällen auf Nahrungsmittel erstrecken.

Entstehung des Pica-Syndroms

Für die Entstehung dieser seltenen Essstörung gibt es unterschiedliche Gründe. Psychologen erachten Pica bei Kindern als „erlerntes Fehlverhalten“ oder aber als Folge starker, psychischer Belastungen, die zu einem Rückgang der Entwicklungsstufe des Kindes führen.

Mögliche Ursachen bei Kindern

  • Psychosoziale Belastungen
  • Gestörte Mutter-Kind-Beziehung
  • Verminderte Intelligenz (etwa wie fehlendes Bewusstsein für Ernährung)
  • Traumata
  • Gewalt
  • Missbrauch

So kann vor allem auch die Vernachlässigung des Kindes dazu führen, dass die Entstehung der Erkrankung begünstigt wird. Dass nicht essbare Objekte verspeist werden, gilt dann als eine Art Kompensation.

Ursachen bei Erwachsenen

  • Psychische Grunderkrankung
  • Körperliche Ursachen (Nährstoffmangel, der einen Appetit auf nicht essbare Dinge auslösen kann)

Was essen Menschen mit dem Pica-Syndrom?

Das häufigste Anzeichen, dass man an dieser Form der Essstörung leidet, ist das Verzehren von Materialien, die nicht essbar sind. Darunter fallen:

  • Sand, Asche und Erde
  • Eis und gefrorenes Wasser
  • Kalk und Kreide
  • Nägel
  • Scherben
  • Haare (Trichophagie)
  • Textilien
  • Pflanzenbestandteile
  • Papier und Holz
  • Stärke
  • Farbe

Es können aber auch Dinge gegessen werden, die als ekelerregend eingestuft werden:

  • Exkremente
  • Staub
  • Abfall

Die Betroffenen haben unterschiedliche Verhaltensweisen. Einige schämen sich und halten ihre Erkrankung eher geheim. Andere hingegen können den Konsum von ungewöhnlichen Gegenständen sogar als selbstverständlich sehen und dieses auch nach außen hin präsentieren.3

Verlauf des Pica-Syndroms

Der Krankheitsverlauf fällt bei jedem Menschen individuell aus. So kann es sein, dass das Pica-Syndrom als eine Art vorübergehende Verhaltensstörung auftritt und nach einiger Zeit von selbst wieder verschwindet. Dieses Phänomen beobachtet man häufig bei betroffenen Kindern. Hingegen gibt es auch Betroffene, die die Essstörung nicht vollständig oder nie ablegen können – außer sie begeben sich in eine Therapie.

Folgen der Essstörung

In der Regel erscheint es am Anfang so, dass die gegessenen Materialien keinen Schaden beim Betroffenen auslösen können – vor allem, da es sich meistens um Kleinteile handelt. Die Situation kann jedoch rasch kritisch werden. Je nachdem, welche Gegenstände konsumiert werden und in welchem Ausmaß dies geschieht.

Innere Verletzungen

Sollten scharfe oder spitze Gegenstände, wie Nägel oder Scherben konsumiert werden, kann eine Verletzung des Darms, Magens oder der Speiseröhre eintreten. Schwerwiegende innere Verletzungen müssen dann operativ behandelt werden, es besteht akute Lebensgefahr.

Infektionen

Wenn der Betroffene Schmutz oder Exkremente verspeist, können gefährliche Infektionen mit Parasiten (Bandwürmern) auftreten.

Verdauungsbeschwerden

Da die aufgenommenen Objekte nicht richtig vom Darm verdaut werden, kann es zu schweren Verstopfungen kommen, die einen Darmverschluss verursachen können. In seltenen Fällen entsteht ein Darmriss.

Vergiftungen und Verätzungen

Aufgenommene Farbteilchen können zu einer Bleivergiftung führen. Hohe Konzentrationen davon im Blut können zu Kopfschmerzen, Gefühlsverlust, Schwäche und teilweise zu Persönlichkeitsveränderungen führen.4

Mangelernährung

Mangelernährung stellt eine der häufigsten Folgen des Pica-Syndroms dar – besonders dann, wenn die Erkrankung über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt. Denn die Betroffenen nehmen kaum nahrhafte Lebensmittel zu sich, wodurch sie in einer Unterernährung rutschen können. Das Fehlen essenzieller Vitamine oder Mineralstoffe stellt insb. für Schwangere und Kinder ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar.

So wird Pica diagnostiziert

Bei der Diagnose des Pica-Syndroms ist Schnelligkeit gefragt. Je früher die krankhafte Essstörung festgestellt wird, desto größer die Chance auf Heilung. Letzteres gilt auch für die bereits vorhandene(n) psychische(n) Erkrankung(en), welche die Störung verursacht hat (haben). Bei Erwachsenen wird eine Diagnose durchgeführt, wenn:

  • Die Essstörung länger als einen Monat andauert
  • Das Verhalten nicht dem Entwicklungsstand entspricht, in welchem sich der Mensch befinden sollte
  • Die Person Substanzen zu sich nimmt, die keinen Nährwert haben / keine Nahrung sind
  • Wenn das Essverhalten keine kulturellen Hintergründe hat

Folgende Möglichkeiten für die Diagnose gibt es:

Anamnese

Bei einem ausführlichen Gespräch mit dem Betroffenen stellt der Arzt oder Psychologe den geistigen Zustand der Person fest. In einigen Fällen zieht man auch Angehörige des oder der Betroffenen hinzu. Der weitere Verlauf umfasst eine Analyse des Essverhaltens sowie körperlicher oder psychischer Vorerkrankungen. Auch wird nach einer bestehenden Schwangerschaft gefragt.

Körperliche Untersuchungen

Hier wird beurteilt, ob die Person Anzeichen von Unterernährung oder anderen Mangelerscheinungen aufweist, die mit dem Pica-Syndrom zusammenhängen könnten. Im Rahmen der Untersuchung überprüft man das Körpergewicht des Betroffenen und versucht weitere Symptome ausfindig zu machen (z. B. Haarausfall, Blässe), die auf einen Mangel an Nährstoffen hindeuten können.

Röntgenuntersuchungen

Man setzt eine Röntgenuntersuchung ein, wenn die Person nicht essbare Gegenstände, wie Nägel oder Scherben, verschluckt hat. Ebenfalls gefährlich ist der Verzehr von Haaren, da sie im Darm nicht verdaulich sind und oft ein Knäuel bilden. Dieses kann durch Röntgen ebenfalls sichtbar gemacht werden.

Blutuntersuchungen

Mithilfe der Blutuntersuchungen kann schnell festgestellt werden, ob ein Nährstoffmangel vorliegt, welcher möglicherweise den Appetit auf ungenießbare Gegenstände verursacht. Aber auch erhöhte Bleiwerte könnten bspw. anzeigen, dass eine Person nicht essbare Dinge zu sich nimmt.5

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Therapiemöglichkeiten

Da sich die Erkrankung bei jedem Menschen unterschiedlich entwickelt und auch ein anderer Schweregrad vorliegt, gibt es keine einheitliche Therapie zur Behandlung des Pica-Syndroms. Meistens gestaltet sie sich jedoch als schwierig und langwierig.6

Bei Kleinkindern

Falls das Pica-Syndrom bei kleinen Kindern bereits seit zwei Jahren vorliegt, kann man als Maßnahme sämtliche Gegenstände, die das Kind als essbar betrachten könnte, aus der Reichweite schaffen.

Behandlung der Mangelernährung

Durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und einer reichhaltigen Ernährung, kann man versuchen, die Nährstoffmängel des Betroffenen auszugleichen.

Verhaltenstherapie

Das Ziel der Verhaltenstherapie besteht darin, Betroffene dazu zu bringen, ihr krankhaftes Essverhalten abzulegen und stattdessen eine alternative Ernährungsweise zu wählen. Sie ist dann empfehlenswert, wenn das Pica-Syndrom schon lange besteht.

Medikamentöse Behandlung

Sollte der Betroffene an begleitenden Erkrankungen, wie Depressionen, Demenz oder Schizophrenie leiden, müssen sie zusätzlich medikamentös behandelt werden. Falls eine akute Selbstgefährdung durch den Verzehr nicht essbarer Gegenstände vorliegen sollte, muss der Betroffene stationär aufgenommen werden.

Quellen

Themen Essstörungen Krankheiten

Quellen

  1. MSD Manual. Pica. (aufgerufen am 20.03.2024). ↩︎
  2. Onmeda. Pica-Syndrom: Ursachen, Symptome und Therapie. (aufgerufen am 20.03.2024). ↩︎
  3. Lecturi. Pica. (aufgerufen am 21.03.2024). ↩︎
  4. MSD. Manual. Bleivergiftung. (aufgerufen am 21.03.2024). ↩︎
  5. Bionity.com. Pica-Syndrom. (aufgerufen am 21.03.2024). ↩︎
  6. DocCheckFlexikon. Pica-Syndrom. (aufgerufen am 21.03.2024). ↩︎
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