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Forschung aus Deutschland

Neues Pflaster soll zukünftig bei Herzinsuffizienz helfen

Pflaster Herzinsuffizienz
Ein aus Stammzellen gezüchtetes Pflaster könnte in Zukunft Menschen mit Herzinsuffizienz helfen Foto: Getty Images/Science Photo Libra

30. Januar 2025, 16:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Es herrscht Aufregung bei Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Göttingen sowie dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein: Nach 30 Jahren Forschung ist ein wichtiger Meilenstein erreicht! Das Team testete erfolgreich an Primaten und Menschen aus Stammzellen gezüchtete Pflaster, welche geschwächte Herzmuskulatur reparierten. Alles zum aktuellen Stand berichtetet FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke.

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Alles begann mit der Idee, Herzen reparieren zu wollen. Von ersten Tests in der Kulturschale bis zur klinischen Anwendung entwickelten Studienleiter Wolfram-Hubertus Zimmermann und sein Team die Herzpflastertechnologie. Nach erfolgreichen Tests an Rhesusaffen, starteten sie die klinische Studie „BioVAT-HF-DZHK20“ („Biological Ventricular Assist Tissue in terminal Heart Failure“), die mit Menschen durchgeführt wird. Welche Ergebnisse die Wissenschaftler bisher verzeichnen können und was ein Herzinsuffizienz-Patient, der das Pflaster bereits „trägt“, für ein Fazit zieht, erfahren Sie hier.

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Herzinsuffizienz gehört zu den häufigsten Todesursachen

In Deutschland sind schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen an einer Herzinsuffizienz erkrankt, Tendenz steigend. Damit zählt sie zu den häufigsten Todesursachen und Gründen zur Krankenhausaufnahme in Deutschland. Das Perfide daran: Zu Beginn können Betroffene meist keine Symptome wahrnehmen.1

Eine fortgeschrittene Herzschwäche kann man lediglich ausbremsen, nicht jedoch heilen. Allerdings sind Spenderherzen Mangelware, künstliche Herzen und Herzpumpen teuer. Wie praktisch wäre es, Patienten stattdessen Stammzellen zu implantieren, die den geschwächten Herzmuskel reparieren?

Auch interessant: Durchbruch! Forscher wandeln Darmkrebszellen in gesunde Zellen um

Herstellung des Herzpflasters

Die Herstellung der Pflaster erfolgt am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen. Im Wesentlichen erfolgt sie in drei Schritten und dauert etwa drei Monate.2

Als Ausgangsmaterial dient Nabelschnurblut. Anhand eines Verfahrens namens „Reprogrammierung“ wandelt man die Blutzellen in induzierte pluripotente Zellen um. Das sind Stammzellen, die zu jedem im Körper befindlichen Zelltyp ausreifen können. In diesem Falle gewinnen die Wissenschaftler Herzmuskel- und Bindegewebszellen aus ihnen. Anschließend vermengt man diese mit Kollagen und gibt sie in Gussformen, das einzelne Pflaster ist fertig. In seinen Eigenschaften ähnelt es nun jugendlichem Herzmuskelgewebe. In einem letzten Schritt, bevor es einem Patienten im Rahmen einer minimalinvasiven Operation auf das Herz genäht wird, werden mehrere Pflaster gestapelt. So werden 40 bis 200 Millionen Zellen implantiert.

Aufgrund dessen, dass die verwendeten Stammzellen nicht körpereigen sind, müssen Patienten Immun­suppressiva einnehmen, um ein Abstoßen zu vermeiden.

Vorklinische Studie zur Wirksamkeit zeigte Erfolg

Kürzlich veröffentlichte das Forschungsteam ihre Studienergebnisse zur Wirksamkeit der Herzpflaster in dem Fachjournal „Nature“.3

Mit dem Ziel, die Verträglichkeit zu prüfen, setzte man die Pflaster auf die Herzen gesunder Rhesusaffen. Zusätzlich erhielten die Tiere eine immunsuppressive Therapie, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. In einem zweiten Schritt bekamen sowohl Affen mit Herzinsuffizienz als auch gesunde Affen (Kontrollgruppe) Pflaster implantiert. Nach drei bis sechs Monaten hatten die Pflaster die Herzwände der Affen sichtbar verdickt. Sprich: Das implantierte Gewebe konnte tatsächlich den Herzmuskel aufbauen. Zusätzlich sei weder die Entstehung von Tumoren noch Arrhythmie beobachtet worden.

Im Anschluss wurde auch erstmals bei einem Menschen ein Pflaster angewandt.4 Prof. Dr. Ingo Kutschka, chirurgischer Leiter der BioVAT-HF-DZHK20-Studie kommentierte in einer Pressemitteilung: „Erstmals konnten wir den Aufbau echter Herzmuskulatur am menschlichen Herzen beobachten. Die erfolgreiche Behandlung zeigt, dass wir mit dem Herzpflaster auf dem richtigen Weg sind.“

Ergebnisse ebnen den Weg für die erste klinische Studie mit Menschen

Dank der vielversprechenden Ergebnisse im Tiermodell können nun weltweit erste Behandlungen an Menschen im Rahmen einer klinischen Studie durchgeführt werden, die eingangs erwähnte BioVAT-HF-DZHK20-Studie.

Zimmermann resümiert: „Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass die Implantation von Herzpflastern zum dauerhaften Aufbau des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz geeignet ist. Die Herausforderung bestand darin, ausreichend Herzmuskelzellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen von Rhesusaffen zu gewinnen, um eine nachhaltige Reparatur des Herzens zu erreichen, ohne gefährliche Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen oder Tumorwachstum zu verursachen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren entscheidend für die Genehmigung der weltweit ersten klinischen Studie zur Reparatur des Herzens mit im Labor entwickelten Gewebeimplantaten in Menschen mit fortgeschrittener Herzmuskelschwäche.“

Klinische Studie mit 53 Probanden läuft

Im Rahmen der laufenden BioVAT-HF-DZHK20-Studie wurden weiteren Menschen Herzpflaster eingesetzt, um die bisherigen Ergebnisse zu überprüfen. Insgesamt werden 53 Probanden im Zuge dessen behandelt. Bis Ende dieses Jahres soll es bereits erste Daten von 15 Patienten mit eingesetztem Pflaster geben.

Patient berichtet: „Ich konnte keine 50 Meter laufen“

Einer der ersten behandelten Patienten ist Frank Teege. Er erhielt das Pflaster vor ca. zwei Jahren und erinnert sich an die Zeit vor der Operation: „Ich wurde immer schwächer und konnte keine 50 Meter laufen, ohne Atemnot zu bekommen. Daraufhin wurde eine Herzschwäche bei mir festgestellt. Tatsächlich hatte ich nur noch eine Herzleistung von zehn Prozent. Am Universitären Herzzentrum Lübeck des UKSH wurde mir auch die Möglichkeit vorgestellt, an der Herzpflaster-Studie teilzunehmen. Für mich war das der richtige Schritt. Nach der Operation mit dem Herzpflaster hat sich meine Herzleistung deutlich verbessert. Sie beträgt jetzt 35 Prozent.“5

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Ausblick

Wenn die Ergebnisse weiterhin positiv sein sollten, könnten die Pflaster eine neue Therapieform für Menschen mit der bisher unheilbaren Herzinsuffizienz darstellen. So würden sie laut den Wissenschaftlern Herzschrittmacher oder ein Spenderherz ersetzen können. Das Team hofft 2026 oder 2027 eine Zulassungsstudie starten zu können.

Themen Herzgesundheit Herzinsuffizienz

Quellen

  1. Deutsches Herzzentrum der Charité. Herzinsuffiienz. (aufgerufen am 30.01.2025) ↩︎
  2. Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung.. BIOVAT-HF-DZHK20 Reparatur bei Herzmuskelschwäche mit Herzpflaster. (aufgerufen am 30.01.2025) ↩︎
  3. Jebran, A. F., Seidler, T., Tiburcy, M. et al. (2025). Engineered heart muscle allografts for heart repair in primates and humans. Nature. ↩︎
  4. Universitätsmedizin Göttingen. Studienergebnisse öffnen die Tür für Behandlung der Herzschwäche mit „Herzpflaster“. (aufgerufen am 30.01.2025) ↩︎
  5. Universitäts­klinikum Schleswig Holstein. Zwei Jahre mit Herzpflaster: Patient berichtet über Erfahrungen. (aufgerufen am 30.01.2025) ↩︎
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