24. Februar 2023, 12:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die auch als „ewige Chemikalien“ oder „Für-Immer-Chemikalien“ bezeichneten PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind überall, offensichtlich schädlich und reichern sich im Körper an. Es gilt als Jahrhundertgift. Was genau hinter diesen Verbindungen steckt und wie man sich schützen kann.
Wie eine Recherche von NDR, Süddeutscher Zeitung und WDR zeigt, lässt sich in Deutschland an mehr als 1500 Orten das Jahrhundertgift PFAS nachweisen. Dies offenbart die Dimension der Belastung mit den sogenannten „ewigen Chemikalien“. Ob in Pizzakartons, Kaffeebechern, Regenjacken, Kosmetik oder auf Pfannen mit Antihaftbeschichtung: PFAS sind überall und – wenn einmal da – nicht mehr wegzubekommen. Die Folge: Sie reichern sich im Grundwasser, in der Natur und schließlich im menschlichen Körper an. Zahlreiche Studien konnten bereits nachweisen, dass ewige Chemikalien schädlich sind. Ein neues EU-Verbot wird derzeit vorbereitet. Was sollte man über sie wissen und wie kann man sich schützen?
Übersicht
- Warum nutzt die Industrie PFAS?
- Liste der Produkte, in denen ewige Chemikalien bzw. PFAS enthalten sind
- Die Gefahren von PFAS für die Gesundheit
- Warum bezeichnet man PFAS auch als ewige Chemikalien bzw. Jahrhundertgift?
- Kommt bald das Verbot aller PFAS?
- Wie kann man sich vor ewigen Chemikalien schützen?
- Quellen
Warum nutzt die Industrie PFAS?
PFAS bzw. ewige Chemikalien oder Für-Immer-Chemikalien sind eine Klasse von Chemikalien, die allgemein als per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) bekannt sind und erstmals in den 1940er-Jahren eingeführt wurden. Sie umfasst rund 10.000 Stoffe. Was PFAS für die Industrie so beliebt macht, sind ihre schmutz-, hitze-, fett- und wasserresistenten Eigenschaften.
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Liste der Produkte, in denen ewige Chemikalien bzw. PFAS enthalten sind
Aufgrund ihrer Eigenschaften enthalten zahlreiche Produkte PFAS, etwa Make-up, Lebensmittelverpackungen, Outdoorbekleidung und viele weitere Alltagsgegenstände, wie die Umweltchemikerin Dr. Johanna Roberts in einem Artikel im britischen Wissenschaftsmagazin „The Conversation“ schreibt.1 Es wird geschätzt, dass mehr als 4700 dieser ewigen Chemikalien im Umlauf sind.2 Hier ein Überblick über Produkte, in denen ewige Chemikalien enthalten sind:
- wasserabweisende Textilien
- Trinkwasser
- Backpapier
- Kochgeschirr wie Pfannen mit Antihaftbeschichtung
- Polstermöbel
- Pizzakartons
- Fast-Food-Verpackungen
- Einwegverpackungen (etwa Einweg-Kaffeebecher)
- Feuerlöschschaum
- Imprägniermittel
- Wandfarbe
- Kosmetika wie Lippenstifte
- Pflanzliche und tierische Lebensmittel, die in belasteten Regionen oder mit belasteten Futtermitteln erzeigt wurden
Dies stellt nur einen Bruchteil der Produkte dar, die PFAS enthalten können.
Die Gefahren von PFAS für die Gesundheit
Die Forschung zeigt, dass PFAS an vielen verschiedenen Krankheiten beteiligt sind, wobei Studien sie mit Hoden- und Nierenkrebs, einer eingeschränkten Nierenfunktion, Schilddrüsenproblemen, Fettleibigkeit, Fortpflanzungsstörungen und Entwicklungsproblemen beim Fötus in Verbindung bringen.3,4,5 „Sie können auch den Cholesterinspiegel erhöhen“, merkt die Umweltchemikerin weiter an. Es wird ebenfalls vermutet, dass ewige Chemikalien ein Grund dafür sein können, dass sie Spermienqualität in den Industrienationen so rasant abnimmt.6
Die US-Behörde ATSDR (Agency for Toxic Substances and Disease Registry) listet folgende potenzielle Gesundheitsrisiken in Zusammenhang mit PFSS auf:
- erhöhte Cholesterinwerte
- eine verminderte Impfantwort bei Kindern
- Veränderungen bei Leberenzymen
- eine leichte Reduzierung beim Geburtsgewicht von Babys
- ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck und Präeklampsie bei Schwangeren
- ein erhöhtes Risiko für Nieren- und Hodenkrebs
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Warum bezeichnet man PFAS auch als ewige Chemikalien bzw. Jahrhundertgift?
Der Grund, warum PFAS als ewige Chemikalien bzw. Jahrhundertgift bezeichnet werden, liegt darin, dass sie jahrzehnte- und sogar jahrhundertelang in der Umwelt verbleiben. So würde es selbst für geringe Mengen 400 oder gar 800 Jahre benötigen, bis sie vollständig abgebaut sind. Da PFAS in so vielen Alltagsgegenständen steckt, gelangen sie über die Kanalisation oder Mülldeponien in Flüsse und damit in den natürlichen Kreislauf. Es ist auch bekannt, dass sie sich in Pflanzen und Tieren anreichern, z. B. in Milch und Eiern landen und somit in die Nahrungskette gelangen. Dies bedeutet, dass Spuren einiger dieser Chemikalien, die längst nicht mehr hergestellt werden, weiterhin im Trinkwasser nachgewiesen werden können.7
Dabei erweisen sich die ewigen Chemikalien als derart hartnäckig, dass sie bereits in den entlegensten Gebieten der Erde entdeckt wurden. Aufgrund ihrer extremen Persistenz werden diese Schadstoffe zukünftige Generationen wahrscheinlich nachteilig beeinflussen. Und je mehr wir mit ihnen in Kontakt kommen, desto mehr sammeln sie sich im Körper an – womöglich jahrzehntelang. Laut einer Stellungnahme aus dem Jahr 2021 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) konnten Forscher ewige Chemikalien bereits im Blut von in Deutschland lebenden Kindern nachweisen.8
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Kommt bald das Verbot aller PFAS?
Bisher wurden in Europa nur zwei PFAS verboten. Aber die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) schlug auf Initiative von Deutschland, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Schweden Anfang Februar 2023 das Verbot der Herstellung, Verwendung und des Inverkehrbringens (auch des Imports) von „mindestens 10.000“ PFAS vor.9 Dass ewige Chemikalien schädlich sind, ist mittlerweile Konsens. Bleibt die Frage, wie man sie wieder loswird. Hier gibt es Hoffnung: Im August 2022 entdeckten US-Forscher eine vielversprechende Methode, PFAS zu zerstören – und zwar durch mäßiges Erwärmen und der Zugabe von kostengünstigen Lösungsmitteln.10
Wie kann man sich vor ewigen Chemikalien schützen?
Leider ist es unmöglich, ihnen vollständig aus dem Weg zu gehen. Und selbst wenn man die gesamte PFAS-Verschmutzung der Welt einsammeln könnte, gibt es noch immer keine zuverlässige Möglichkeit, sie sicher zu entsorgen. Bislang sind wir ihnen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Als Verbraucher bleibt einem nur zu versuchen, Produkte zu kaufen, die frei von diesen Chemikalien sind. „Lesen Sie vor dem Kauf von wasserdichten oder Schmutz abweisenden Textilien das Etikett, um sicherzustellen, dass sie nicht mit PFAS behandelt wurden. Besser noch, suchen Sie nach Produkten, die als frei von PFC, PFOS und PFOA gekennzeichnet sind“, empfiehlt Roberts. Dazu gehört auch, auf möglichst unverpackte Lebensmittel zu setzen und zum Braten eine unbeschichtete Pfanne zu benutzen. Wie Sie PFAS aus dem Trinkwasser filtern können, lesen Sie bei unseren Kollegen von myHOMEBOOK.
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Quellen
- 1. The Conversation. ‚Forever chemicals’ are everywhere – here’s what you need to know about them (aufgerufen am 12. Oktober 2022)
- 2. Ritscher, A., Wang, Z., Scheringer, M. et al. (2018): Zürich Statement on Future Actions on Per- and Polyfluoroalkyl Substances (PFASs). EHP.
- 3. Bartell SM, Vieira VM. (2021). Critical review on PFOA, kidney cancer, and testicular cancer. J Air Waste Manag Assoc.
- 4. Coperchini F, Croce L, Ricci G, Magri F, Rotondi M, Imbriani M, Chiovato L. (2021). Thyroid Disrupting Effects of Old and New Generation PFAS. Front Endocrinol (Lausanne).
- 5. Stanifer JW, Stapleton HM, Souma T, Wittmer A, Zhao X, Boulware LE. (2018). Perfluorinated Chemicals as Emerging Environmental Threats to Kidney Health: A Scoping Review. Clin J Am Soc Nephrol.
- 6. Hærvig KK, Petersen KU, Hougaard KS, Lindh C, Ramlau-Hansen CH, Toft G, Giwercman A, Høyer BB, Flachs EM, Bonde JP, Tøttenborg SS. (2022). Maternal Exposure to Per- and Polyfluoroalkyl Substances (PFAS) and Male Reproductive Function in Young Adulthood: Combined Exposure to Seven PFAS. Environ Health Perspect.
- 7. HBM4EU Fact Sheet: PER- AND POLY-FLUOROALKYL SUBSTANCES PFAS – what you need to know. (aufgerufen am 12. Oktober 2022).
- 8 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). PFAS in Lebensmitteln: BfR bestätigt kritische Exposition gegenüber Industriechemikalien. (aufgerufen am 12. Oktober 2022)
- 9. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), „Details zum vorgeschlagenen PFAS-Verbot in der EU veröffentlicht“ (aufgerufen am 24.2.2023)
- 10. Trang, B,. Li, Y., Xue, X. et al. (2022): Low-temperature mineralization of perfluorocarboxylic acids. Science.