4. November 2020, 12:33 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Paracetamol gehört zu den meistverbreiteten Medikamenten gegen Schmerzen und Fieber. Bis zu einem gewissen Wirkstoffgehalt ist es rezeptfrei erhältlich und gilt gemeinhin als gut verträglich. Doch es werden immer wieder Warnungen laut. Zu hoch dosiert soll Paracetamol zu Vergiftungen führen, die schlimmstenfalls tödlich enden können. Und offenbar ist das Mittel auch nicht so uneingeschränkt für jeden empfohlen wie bislang angenommen.
Paracetamol haben viele bereits als Kind bekommen. Das fiebersenkende, schmerzlindernde Medikament gilt bis zu einer bestimmten (auf das Alter angepassten) Dosierung als gut verträglich und sicher. Wenn man es rezeptfrei erworben hat und sachgerecht einnimmt, sollte demnach keine Gefahr bestehen. Eine Überdosierung kann hingegen zur Vergiftung führen. Und dazu kommt es offenbar gar nicht so selten.
Vergiftung wegen zu viel Paracetamol
Forscher der Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben sich in einer Studie mit der Wahrscheinlichkeit von Paracetamol-Vergiftungen auseinandergesetzt. Während in Deutschland die Obergrenze für den Wirkstoffgehalt für frei verkäufliches Paracetamol bei 500 Milligramm pro Tablette liegt, gibt es das Mittel in der Schweiz seit 2003 auch à 1000 Milligramm.
Wie das Wissenschaftlerteam ermittelte, wurde in der Schweiz fortan bevorzugt die höher dosierte Paracetamol-Variante gekauft, und: Es wurden parallel dazu deutlich mehr Paracetamol-Vergiftungen gemeldet als vor der Markteinführung. Das und alle weiteren Details zur Untersuchung sind im Medizin-Fachblatt „JAMA Network Open“ nachzulesen.
Auch interessant: Wie gefährlich ist es, Schmerzmittel vor dem Sport einzunehmen?
Besteht diese Gefahr nicht bei allen Schmerzmitteln?
Ganz klar: Die Menge macht das Gift, bei quasi allen Substanzen. Auch Aspirin kann, wenn man es überdosiert, zu Vergiftungen führen.
Warum die Warnung vor Paracetamol eindringlicher ist: Weil es „nicht bei allen Patientinnen und Patienten und gegen alle Formen von Schmerz wirkt“, erklärt Prof. Andrea Burden, Pharmakoepidemiologin an der ETH Zürich in einer Pressemitteilung. Bleibt die erwünschte Wirkung aus, könnten Patienten geneigt sein, noch eine weitere Tablette einzunehmen. In dem Fall wäre der Wirkstoff schnell überdosiert; und insbesondere natürlich, wenn man die in der Schweiz beliebte, höher dosierte Variante zur Hand hat.
Auch interessant: Übungen, die gegen Kopfschmerzen helfen können
Medikamente, die nicht helfen, können schaden
Grundsätzlich empfiehlt es sich, nicht bei jedem Zipperlein zum Medikament zu greifen. Schmerztabletten sind keine Bonbons – auch wenn sie frei verkäuflich sind. Burden erachtet es als wichtig, dass das Personal in Apotheken auf die Gefahren einer Überdosierung hinweist. Jeder selbst sollte darauf achten, die mit seinem Arzt vereinbarte Einnahmemenge nicht zu überschreiten. Schmerzen, die über einen längeren Zeitraum anhalten, bitte mit einem Experten besprechen. Wenn Medikamente nicht helfen, können sie immer noch Schaden anrichten.
Experten erklären Wirken zwei 400-Milligramm-Ibuprofen genauso wie eine 800er-Tablette?
Vergleich Ibuprofen, Paracetamol und Aspirin – welches Schmerzmittel wann am besten hilft
Achtung! Kombi von Ibuprofen und bestimmten Medikamenten kann Nieren dauerhaft schädigen
Schwangere sollten mit Paracetamol vorsichtig sein
Eine allgemeine Empfehlung lautete lange, nicht öfter als an zehn Tagen im Monat Paracetamol einzunehmen; auch an werdende Mütter. Inzwischen halten sich Ärzte damit zurück. Grund dafür sind Hinweise aus jüngeren Studien aus Skandinavien, England und Nordamerika. Demnach sollen Kinder häufiger an Asthma erkranken, wenn sie im Mutterleib mit Paracetamol konfrontiert waren. Bei noch ungeborenen Jungen könnte das Mittel zu „Hodenfehllagen“ führen, also Lageanomalien der Testikel. „Die Betroffenen können dann später eine verminderte Zeugungsfähigkeit und ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von bösartigen Hodentumoren davontragen“, schreibt die „Pharmazeutische Zeitung“.