6. April 2021, 17:04 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Schon bei der kleinsten Andeutung von körperlichem Unwohlsein schlucken viele Menschen ein Schmerzmittel – manche sogar prophylaktisch. Ob das gesund ist, sei mal dahin gestellt. Eine australische Studie hat sich mit einer anderen Frage beschäftigt: Wirkt das beliebte Schmerzmittel Paracetamol auch effektiv? Das Ergebnis ist eindeutig: Bei vielen Beschwerden soll es kaum besser als ein Placebo sein.
Hilft Paracetamol bei jeder Art von Schmerzen? Ein Team der University of Sydney ist dieser Frage nachgegangen und hat herausgefunden, dass das Mittel nur bei spezifischen Schmerzen wirkt. Die weit verbreiteten Rücken- und Unterleibsschmerzen gehören beispielsweise nicht dazu.
Was ist Paracetamol und wie hilft es?
Paracetamol ist ein schmerzlindernder und fiebersenkender Wirkstoff, der in zahlreichen Medikamenten enthalten ist. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit kann er theoretisch von Patient*innen jeden Alters eingenommen werden. Ältere schlucken den Wirkstoff meist in Tablettenform. Bei Babys, Kleinkindern und jüngeren Kindern wird er häufig als Zäpfchen verabreicht.
Wie Paracetamol genau wirkt, ist wissenschaftlich tatsächlich noch nicht abschließend geklärt. Bekannt ist jedoch, dass es sich in relativ hoher Konzentration im Nervensystem, also beispielsweise im Rückenmark, ansammelt. Dort wirkt es sich unter anderem auf das Endocannabinoid-System aus, das schmerzstillende Effekte hat. Außerdem hemmt es die Bildung von Prostaglandinen. Das sind Hormone, die Einfluss auf die Schmerzempfindlichkeit haben. Aufgrund seiner fiebersenkenden Wirkung wird Paracetamol nicht nur bei Schmerzen, sondern auch bei der Behandlung von Grippe oder Erkältungen eingesetzt.
Laut Statista ist es das am zweithäufigsten gekaufte, rezeptfreie Schmerzmittel in Deutschland (rezeptfrei sind Packungen mit maximal zehn Gramm Paracetamol). Platz eins geht mit großem Abstand an Ibuprofen. 2021 wird der deutsche Umsatz von Schmerzmitteln auf 539 Millionen Euro geschätzt. Das sind rund 6,43 Euro jährlich pro Kopf.
Auch interessant: Wie gefährlich ist es, Schmerzmittel vor dem Sport einzunehmen?
Studie zweifelt die universelle Wirkung an
Während viele Deutsche offenbar darauf vertrauen, dass Paracetamol gegen viele Arten von Schmerzen hilft, zweifelt das eine aktuelle Studie an. Das Forscherteam der University of Sydney analysierte die Ergebnisse von 36 Untersuchungsreihen, in denen die Wirksamkeit von Paracetamol bei 44 schmerzhaften Zuständen überprüft wurde. Es gab immer eine Kontrollgruppe, die Placebos bekam.
Studienleiterin Dr. Cristina Abdel Shaheed erklärt, dass bereits vor ihrer aktuellen Studie bekannt gewesen sei, dass Paracetamol nicht gegen Rückenschmerzen helfe. Sie und ihr Team seien jedoch überrascht gewesen, dass es lediglich vier Schmerzzustände gab, bei denen der Wirkstoff zu helfen schien. Bei den restlichen 40 habe es keinen Hinweis darauf gegeben, dass Paracetamol Schmerzen besser lindere als ein Placebo.
Nur gegen diese vier Schmerzzustände soll Paracetamol helfen
- Knie- und Hüft-Osteoarthritis
- Kraniotomie (eine chirurgische Öffnung des knöchernen Schädels)
- Spannungskopfschmerz
- Dammschmerzen nach der Entbindung
Studienleiterin Dr. Christina Abdel Shaheed fasst zusammen: „Für die meisten anderen Schmerzzustände fehlt uns schlicht der Beweis, um eine definitive Aussage über die Wirksamkeit von Paracetamol zu treffen.“
Keine Beweise, dass Paracetamol bei u. a. diesen Schmerzen hilft
- Migräne
- Schmerzen nach Operationen
- Eingriffe an den Zähnen
- Mittelohrentzündungen
- Rückenschmerzen
- Unterleibsschmerzen
- durch Erkältungen ausgelöste Kopfschmerzen
- Halsschmerzen bei einer Erkältung
Auch interessant: 10 natürliche Mittel gegen Kopfschmerzen
Nachgefragt bei Ärzten Kann man mit Paracetamol eine Erkältung abwenden?
Experten erklären Wirken zwei 400-Milligramm-Ibuprofen genauso wie eine 800er-Tablette?
Vergleich Ibuprofen, Paracetamol und Aspirin – welches Schmerzmittel wann am besten hilft
Paracetamol nach der Corona-Impfung?
Einige Menschen nehmen kurz vor oder nach ihrer Corona-Impfung Paracetamol ein, um Nebenwirkungen wie Fieber oder Gliederschmerzen präventiv vorzubeugen. Das ist allerdings nicht ratsam, wie FITBOOK bereits warnte. Verschiedene Studien haben herausgefunden, dass die Einnahme von fiebersenkenden Mitteln, wie Paracetamol, die Wirksamkeit von Impfungen schwer beeinträchtigen kann.
Schmerzlindernde und fiebersenkende Mittel sollten keinesfalls prophylaktisch eingenommen werden! Nur falls nach der Impfung Beschwerden auftreten, kann auf entsprechende Arzneien zurückgegriffen werden – aber nur mit einigen Stunden Abstand zum Piks.