18. August 2023, 4:35 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es gibt offenbar zahlreiche Menschen, die vorbeugend Paracetamol einnehmen, wenn sich bei ihnen eine Erkältung anbahnt. Dadurch soll sich eine Erkrankung abwenden lassen. Ob das wirklich stimmt? FITBOOK hat Experten gefragt.
Schmerzlindernde und fiebersenkende Medikamente mit Wirkstoffen wie Paracetamol, Ibuprofen und Aspirin können bei z. B. Kopfschmerzen und generellen krankheitsbedingten Beschwerden Linderung verschaffen. Doch apropos Krankheit. Viele Menschen – darunter auch einige Mitarbeiter der BOOKs-Redaktion – schwören bereits vorbeugend auf den Griff zur Tablettenpackung. Insbesondere Paracetamol soll so eine etwaige Erkältung abwenden können. FITBOOK ist der Sache auf den Grund gegangen.
Übersicht
Kann Paracetamol eine Erkältung abwenden?
„Generell ist Paracetamol anzuwenden bei Kopfschmerzen, Erkältungsbeschwerden und Fieber.“ So steht es in der Packungsbeilage eines Präparats von Ratiopharm; der Wortlaut unterscheidet sich bei anderen Herstellern nur geringfügig. Paracetamol ist also einzunehmen, wenn man bereits erkältet ist bzw. Beschwerden hat. Zur vorbeugenden Anwendung wird der Wirkstoff zumindest nicht offiziell empfohlen.
Dennoch: Zahlreiche Verbraucher scheinen an eine entsprechende Wirkung zu glauben. Warum, dürfte an der Wirkweise von Paracetamol liegen.
Wie Paracetamol im Körper wirkt
Erkältungsviren führen dazu, dass das Immunsystem aktiv wird und sich bestimmte Botenstoffe bilden: sogenannte Prostaglandine, die ihrerseits u. a. die Aufgabe haben, Abwehrzellen munter zu machen. Daneben sind es auch jene Prostaglandine, die das Signal „Schmerz“ ans Gehirn senden, also auch für die erkältungstypischen Kopf- und Gliederschmerzen verantwortlich sind. Die Beschwerden sind somit vor allem so zu verstehen, dass das Immunsystem sich gerade im Kampf gegen Eindringlinge befindet.
Als Schmerzmittel nimmt Paracetamol Einfluss auf die Bildung von Prostaglandinen im Gehirn. Oder genauer: Der Wirkstoff kann durch die Überwindung der sogenannten Blut-Hirn-Schranke eine zentrale Hemmung der Prostaglandinsynthese bewirken. Dadurch nehmen bestimmte Schmerzen ab.
FITBOOK hat bei Dr. med. Roman Roitman, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, nachgefragt. Er halte es für möglich, dass Laien die beschriebenen Mechanismen weiter interpretieren. Sprich: dass sie glauben, die Wirkung auf die Prostaglandine erfülle bei Bedarf auch einen vorbeugenden Zweck. Doch das heißt natürlich nicht, dass es stimmt.
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Experte: „Eine vorbeugende Einnahme macht keinen Sinn“
FITBOOK hat auch mit dem Internisten Dr. med. Matthias Riedl gesprochen. Er sagt ganz klar: Paracetamol vorbeugend einzunehmen, um eine Erkältung abzuwenden, „macht keinen Sinn“. Viel mehr würde er sogar entschieden davon abraten. Denn der Einfluss auf die Prostaglandine könnte unerwünschte Folgen haben.
Bekannt ist, dass der Temperaturanstieg bei einem Infekt dazu dient, den Krankheitserregern die Vermehrung zu erschweren. Nimmt man nun ein fiebersenkendes Medikament ein, spielt das den Erregern, die es gern etwas kühler mögen, logischerweise in die Karten.
Auch mit Zink lässt sich nichts abwenden
Zink gilt bekanntlich als Anti-Erkältungs-Wundermittel. Und tatsächlich soll das lebenswichtige Spurenelement als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen Infekte abkürzen und Beschwerden lindern können; das ist sogar durch Studien belegt.1 Doch auch hier gilt: Eine Erkältung abwenden lässt sich mit Zink ebenso wenig wie mit Paracetamol.
„Statt Tabletten zu schlucken, sollte man dem Körper Ruhe gönnen und ausreichend schlafen“, bestätigt Dr. Riedl. Er rät weiterhin zu einer ausgewogenen, am besten pflanzlich betonten Ernährung, um die Immunabwehr bestmöglich zu unterstützen.
Fazit
Die meisten Arzneimittel können Nebenwirkungen hervorrufen. Das gilt auch für rezeptfrei erhältliche (Schmerz-)Mittel wie Paracetamol. Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich mit der Häufigkeit der Anwendung. Entsprechend sollte die Einnahme von Medikamenten nur bei einer echten medizinischen Indikation erwogen werden, immer gut überlegt und idealerweise mit einem Arzt oder Apotheker abgesprochen sein. Das betont auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in einer Veröffentlichung.
Paracetamol oder vergleichbare Schmerzmittel vorbeugend gegen eine Erkältung einzunehmen, erfüllt nicht den gewünschten Zweck. Wer fälschlich daran glaubt, könnte geneigt sein, bei jedem Anflug von Schnupfen zur Arznei zu greifen, und brächte sich dadurch dauerhaft gesundheitliche Risiken ein. Denn Schmerzmittel können bei übermäßiger oder zu häufiger Einnahme chronische Beschwerden wie „Dauerkopfschmerz, Leber- oder Nierenschädigungen verursachen“, heißt es bei ABDA.
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Quelle
- 1. Hunter, J., Arentz, S., Goldenberg, J. et al. (2020). Zinc for the prevention or treatment of acute viral respiratory tract infections in adults: a rapid systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials, BMJ Open.