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Ärzte warnen

Ozempic und Wegovy erhöhen offenbar das Erstickungsrisiko bei bestimmten Untersuchungen 

Endoskopie
Endoskopien zählen zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen überhaupt Foto: Getty Images/Westend61
Anna Echtermeyer
Redakteurin

28. März 2024, 13:14 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Die Wirkung von GLP-1-Medikamenten wie Ozempic und Wegovy ist erstaunlich und maximal verlockend – nicht nur für Menschen mit diagnostizierter Typ-2-Diabetes, sondern auch für Menschen mit einem Abnehmwunsch. Das zeigt sich am hohen Off-Label-Use. Doch mit fortschreitender Forschung wird klar, dass Abnehmspritzen nicht nur Wunder auf der Waage wirken, sondern auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen. Nun warnen Forscher sogar vor dem erhöhten Risiko einer oft tödlich endenden Komplikation nach Endoskopien, wenn zuvor GLP-1-Rezeptoragonisten im Spiel waren. Besonders gefährdet sind alte Patienten.

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US-Forscher haben fast eine Million Amerikaner untersucht, die sich zuvor einer Endoskopie unterzogen hatten, bei welcher der obere Verdauungstrakt untersucht worden war. Dabei wird ein Schlauch mit einer Kamera am Ende in den Rachen eingeführt, während der Patient sediert ist. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem solchen Eingriff an einer schweren Komplikation zu erkranken, deutlich höher war, wenn die Patienten zuvor eine Behandlung mit Ozempic oder Wegovy begonnen hatten. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlich.1

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Bei einer Aspirationspneunomie gelangen Sekret oder Mageninhalt in die Lunge

Genau genommen war bei diesen Menschen das Risiko einer sogenannten Aspirationspneunomie erhöht während einer Endoskopie des oberen Verdauungstraktes. Zu diesem zählen Magen, Zwölffingerdarm und der erste Abschnitt des Dünndarms.

Von einer Aspiration spricht man, wenn toxische und/oder reizende Substanzen eingeatmete anstatt über die Speiseröhre geschluckt und in den Magen transportiert zu werden. Meist sind das große Mengen von Sekreten der oberen Atemwege oder Mageninhalt. Gelangen die Substanzen in die Lunge, kann dies zu einer Entzündung und Infektion der Lunge (Pneunomie) führen. Mögliche Folgen: Atemstillstand, bei älteren Patienten oft mit tödlichem Ausgang.

Bisher bekannt ist, dass neben Entwicklungsstörungen der Atemwege sowie Folgen eines Schlaganfalls oder einer anderen Hirnverletzung auch Benommenheit, die Einnahme von Beruhigungs- und Betäubungsmitteln und Alkohol das Risiko einer Aspiration erhöhen. Nun reihen sich offenbar die GLP-1-Medikamente ein in diese Liste der Risikofaktoren einer Aspirationspneunomie. Diese tückische Komplikation mit unspezifischen Symptomen ist besonders für Patienten über 65 Jahre oft tödlich.

Todesfälle

In den Vereinigten Staaten sterben jährlich rund 58.000 Menschen an einer Aspirationspneumonie.2 Für Deutschland nennt das Statistische Bundesamt die Zahl von 4011 Todesfällen im Jahr 2022.3 Zumindest bei jenen, die GLP-1-Medikamente spritzen, könnte man offenbar diese schwere Komplikation verhindern.

Analyse von 1 Mio. Endoskopie-Patienten ergab erhöhtes Risiko bei Ozempic- und Wegovy-Nutzern

Forscher des Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles um Dr. Ali Rezaie analysierten fast eine Million anonyme Patienten. Die Personen hatten zwischen Januar 2018 und Dezember 202 Endoskopien gehabt. Die Erkenntnis der Wissenschaftler: Diejenigen, denen zuvor Ozempic oder Wegovy verschrieben worden war, hatten während und nach der Endoskopie ein 33 Prozent höheres Risiko für die schwere Kompliaktion als Patienten, die solche GLP-1-Medikamente nicht spritzten.

Wie ist dieser Zusammenhang zu erklären?

Aber warum ist das so? GLP-1-Rezeptoragonisten verlangsamen die Verdauung, wodurch die Nahrung länger im Magen verbleibt, erklärt Dr. Rezaie. Daher könne es sein, dass der Magen beim Fasten nicht vollständig entleert ist und dann Teile beim Eingriff über den Mund und die Luftröhre in die Lunge gelangen. Fasten ist erforderlich für eine Endoskopie.

In den USA werden laut den Forschern jährlich 20 Millionen Endoskopien gemacht. Gemessen an den vielen Ozempic- und Wegovy-Anwendern könnte es laut den Forschern eine große Anzahl von Fällen geben, in denen eine Aspiration vermieden werden könnte, „wenn der Patient sein GLP-1-Medikament im Voraus sicher absetzt“, sagte Dr. Rezaie. In den USA ist die Nachfrage nach semaglutidhaltigen Medikamenten, die u. a. das Sättigungsgefühl erhöhen und bei Adipositas eine Gewichtsabnahme von 5 bis 15 Prozent versprechen, weltweit am größten. Auch in Deutschland haben Abnehmspritzen einen Boom ausgelöst, der Mitte 2023 sogar zu Lieferengpässen für diagnostizierte Diabetiker führte, denen der Wirkstoff verschrieben worden war, FITBOOK berichtete. Und auch bei uns sind Endoskopien extrem häufige Eingriffe: Für deutsche Kliniken weist Statista die Zahl von 3,06 Mio. auf, hinzu kommen ambulante Eingriffe.4

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Ozempic-Nutzer sollten das vor einer Endoskopie ansprechen

Aufgrund der Erkenntnisse sollten Patienten, die Ozempic oder Wegovy einsetzen und bei denen ein solcher Eingriff geplant sei, dies rechtzeitig kommunizieren, um unerwünschte Komplikationen zu vermeiden, so Rezaie.

Allerdings handelt es sich dabei nicht um das einzige Erkrankungsrisiko, welches von GLP-1-Agonisten ausgeht. Eine kanadische Studie verweist auf ein erhöhtes Risiko für Pankreatitis, Darmverschluss und Gastroparese (FITBOOK berichtete) – also Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Und beim Absetzen der Medikamente ohne erfolgte Ernährungsumstellung/Lebensstiländerung besteht die reale Gefahr, dass das Ausgangsgewicht innerhalb eines kurzen Zeitraums wieder erreicht wird.

Quellen

Quellen

  1. Yeo Y.H., Gaddam S., Rezaie A. et al (2024): Increased risk of aspiration pneumonia associated with endoscopic procedures among patients with Glucagon-like peptide-1 receptor agonist use. Gastroenterology. ↩︎
  2. Gupte T., Knack A., Cramer J.D. (2022): Mortality from Aspiration Pneumonia: Incidence, Trends, and Risk Factors. Dysphagia. ↩︎
  3. Statistisches Bundesamt: Todesfälle aufgrund der häufigsten Diagnosen von Krankheiten des Atmungssystems 2022. (aufgerufen am 28.03.2024) ↩︎
  4. Statista: Vollstationäre diagnostische Endoskopien in deutschen Krankenhäusern nach Maßnahme 2022 (aufgerufen am 28.03.2024) ↩︎
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