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FITBOOK-Interview

Potenziell lebensgefährlich! Mediziner appelliert: »Liebe Kollegen, bitte verschreibt Ozempic nicht leichtfertig

ozempic nebenwirkungen: Eine Frau setzt sich eine Spritze am Bauch
Ozempic oder vergleichbare Präparate sollte man nicht zu leichtfertig verwenden – ein Arzt warnt im FITBOOK-Interview sogar explizit davor! Foto: Getty Images

11. Juli 2023, 11:13 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Der Hype um Ozempic und vergleichbare Produkte scheint kein Ende zu nehmen. Das Diabetes-Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid soll auch ohne Diabetes-Erkrankung das Abnehmen enorm erleichtern. Deshalb spritzen sich immer mehr Nicht-Diabetiker das Mittel. FITBOOK sprach mit einem Mediziner, der diesen Trend mit großer Sorge beobachtet. Welche Gefahren er sieht und warum er an seine Kollegen appelliert, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Für Menschen, die es einfach nicht schaffen, abzunehmen, scheint es die Rettung zu sein: Ozempic! Mit dem Medikament soll man überschüssige Pfunde quasi wegspritzen können. Das scheint vielfach zwar zu funktionieren, doch der Preis dafür ist hoch. Die Einnahme von Ozempic geht nämlich zum Teil mit sehr starken Nebenwirkungen einher. Über genau diese klärte uns Dr. med. Afschin Fatemi auf. In seinem Fachbereich als Facharzt für Dermatologie und Spezialist für ästhetische Hautbehandlungen ist er u. a. auf einen ganz speziellen Nebeneffekt der Ozempic-Nutzung gestoßen. Welcher das ist und warum der Mediziner generell vor der „Wunderspritze“ warnt – FITBOOK hat die Antworten.

Was Ozempic im Körper bewirkt

Bei Ozempic „handelt sich um ein Präparat, das dafür sorgt, dass mehr Insulin in den Kreislauf ausgeschüttet wird. Es geht eigentlich darum, dass man bei Diabetikern, die einen zu hohen Blutzuckerspiegel haben, dafür sorgen möchte, dass mit Insulinausstoß der Blutzucker wieder gesenkt wird“, erklärt uns Dr. Fatemi die eigentlich erwünschte Wirkung von Semaglutid. Der Wirkstoff ist in Präparaten wie Ozempic und Wegovy enthalten.

Ein weiterer Effekt: Patienten nehmen durch den Wirkstoff auch ab. „Wenn der Blutzuckerspiegel runtergeht, das Insulin also dafür sorgt, dass Blutzucker aus dem Kreislauf eliminiert wird, der Körper aber für die energetische Versorgung weiter Zucker braucht, wird dieser quasi über die Hintertür aus den Fettzellen gewonnen. Dadurch kann indirekt dafür gesorgt werden, dass auch Gewicht verloren geht“, erläutert der Experte den Effekt. Dieser habe nun auch bei Nicht-Diabetikern das Verlangen nach der Abnehmspritze ausgelöst. „Als eine Nebenwirkung hat man zudem festgestellt, dass auch die Magenpassage der Nahrung verlangsamt wird. Das heißt, nachdem man gegessen hat, bleiben die Nahrungsmittel länger im Magen und man hat länger ein Sättigungsgefühl. Das ist der zweite Mechanismus, der dafür sorgt, dass man abnimmt.“

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Gewichtsverlust aufgrund der Nebenwirkungen?

Was Dr. Fatemi im Gespräch mit FITBOOK aber auch betonte: Es sind insbesondere akute, starke Nebenwirkungen der Medikament-Einnahme, die den rapiden Gewichtsverlust zu bedingen scheinen. „Nämlich, dass einem zu Beginn ein paar Tage oder sogar Wochen richtig schlecht sein kann. Wenn einem übel ist, dann hat man auch keinen Hunger und isst dann auch nichts. Dann verliert man natürlich auch Gewicht.“ Eine Rolle spielt offenbar auch das Ausgangsgewicht der Person, die Ozempic nimmt. „Man hat beobachtet, dass bei Menschen, die vorher adipös waren, also mit einem BMI über 30, der Abnehm-Effekt deutlich stärker war als bei Menschen, die mit einem durchschnittlichen BMI starten.“

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Nach dem Absetzen von Ozempic nimmt man wieder zu

Dennoch ist der Hype um Ozempic bei Abnehmwilligen nicht zu verleugnen – und wird so schnell wohl auch nicht abklingen. Gerade deshalb ist es dem Mediziner aber wichtig, seine Kritik auszusprechen und vor Missbrauch zu warnen. „Das Präparat hat in bestimmten Bereichen sicher auch seine Sinnhaftigkeit, aber es ist jetzt halt nicht so, man spritzt sich mal eben was und nimmt dann unerwünschte Pfunde ab. Es ist wirklich nicht für jeden geeignet und hat Nebenwirkungen, die man nicht vernachlässigen darf. Außerdem ist es so, dass nach Absetzen des Präparats recht schnell der Jo-Jo-Effekt einsetzt und die verlorenen Pfunde zurückkommen.“

Gefährdet sieht der Experte besonders Personen mit Essstörungen, denen das Medikament nicht hilft, wieder ein gesundes Verhältnis zur Ernährung aufzubauen. „Hier sollte man das Präparat als Arzt nicht einfach kritiklos verschreiben“, betonte Dr. Fatemi im FITBOOK-Interview.

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Ernste gesundheitliche Schäden aufgrund von Ozempic bekannt

Gründe, vor Ozempic und vergleichbaren Mitteln zu warnen, gibt es offenbar viele. Bei Verwendung über einen längeren Zeitraum drohen ernste bis hin zu lebensbedrohliche gesundheitliche Schäden. „Wenn man in den Insulinhaushalt eingreift, kann das natürlich gravierende Nebenwirkungen haben. Dann kommt es zu so Dingen wie Darmverschlüssen, die schon als Nebenwirkungen beschrieben worden sind, oder auch Pankreaskarzinom. Das ist wirklich nicht witzig“, urteilt der Experte. „Diese medizinischen Komplikationen treten zwar nicht häufig auf, kommen aber vor und man weiß ja nie, wen es trifft. Also ich werde mir schon ganz genau überlegen, wem ich das verschreiben werde. Und wir (das Team in seiner Praxis; A. d. R.) machen natürlich auch eine entsprechende Nebenwirkungsaufklärung.“

Eine ästhetische Nebenwirkung: das „Ozempic Face“

Neben organischen Schäden kann der Mediziner auch von – zwar weniger bedrohlichen, aber ebenfalls unschönen – anderen Effekten durch die Verwendung von Ozempic berichten. Nur so viel vorab: Ein solches Phänomen hat sich bereits den Namen „Ozempic Face“ verdient.

Dr. Fatemi hat uns erklärt, was dahintersteckt: „Patienten nehmen mit diesem Präparat unterschiedlich stark ab. Außerdem werden Menschen verführt, es zu nehmen, obwohl sie es überhaupt nicht brauchen. Oder es kommt zu Überdosierungen. Wenn die Patienten dann sehr stark an Gewicht verlieren und das in sehr kurzer Zeit, kann sich das auch im Gesicht bemerkbar machen, indem man auch im Gesicht sehr schnell Fett verliert. Das führt dazu, dass insbesondere die Augen und das Gesicht generell ausgehöhlt aussehen. Das sieht dann krank aus. Das nennt man jetzt ‚Ozempic Face‘, weil es bei der Einnahme des Medikaments bei einigen Patienten aufgetreten ist.“

Bleibende Schäden im Gesicht möglich

Das Problem mit einem „Ozempic Face“ sei zudem, dass es nicht so einfach wieder weggehe. So verriet Dr. Fatemi: „Wenn man im Gesicht schnell viel Fett verliert, ist es nicht so, dass man sich das auch in kürzester Zeit wieder zufuttern kann.“ Mit anderen Worten: Auch nach einer erneuten Gewichtszunahme kann es zu bleibenden Schäden im Gesicht kommen. „Es kann schon sein, dass, wenn man das subkutane Fett im Gesicht sehr schnell verliert, dann dort Falten bekommt, die dann gar nicht so leicht wieder weggehen. Man kann also Langzeitfolgen ästhetischer Art im Gesicht zurückbehalten.“ Also selbst nach dem Absetzen des Medikamentes könnte es sein, dass Betroffene dauerhaft mit Falten oder einem ausgehöhlt wirkenden Gesicht rechnen müssten.

Immerhin: Es gibt Wege, dies zu behandeln. „In der ästhetischen Medizin gibt es zwei Möglichkeiten, um das ‚Ozempic Face‘ wieder rückgängig zu machen. Das wäre einmal mithilfe von Hyaluronsäure. Das geht schnell, hat aber nur vorübergehende Effekte, weil sich das Hyaluron wieder abbaut. Die andere Möglichkeit ist, Eigenfett zu nutzen. Dafür braucht man natürlich an anderer Stelle des Körpers noch genügend Eigenfett, das man entnehmen kann, um die Defekte im Gesicht wieder aufzubauen. Und leider haben diese Patienten meistens auch an anderen Körperstellen nicht mehr genügend Eigenfett. Wenn es speziell um Falten geht, kann man die auch glatt lasern“, verrät der Experte und betont zugleich: „Aber das sind alles Behandlungen, die man sich hätte sparen können, wenn man etwas kritischer oder vorsichtiger mit dem Präparat umgegangen wäre.“

Mehr zur Behandlung mit Hyaluronsäure erfahren Sie bei unseren Kolleginnen von STYLEBOOK.

Vom „Ozempic Face“-Effekt können auch andere Körperstellen betroffen sein

Da der Effekt des Verlusts von subkutanem Fett bzw. Unterhautfett vor allem im Gesicht für alle sichtbar ist, nennen viele ihn nun „Ozempic Face“. Dabei kann dieser aber auch an anderen Körperstellen auftreten. „Wenn das Unterhautfettgewebe zu stark verloren geht, dann kommt es nicht nur im Gesicht zu Faltenbildung. Die können Sie auch an den Oberarmen oder den Oberschenkeln bekommen“, erläuterte der Dermatologe.

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„Es gibt schon jetzt in Deutschland Ärzte, die völlig unkritisch vergleichbare Präparate verschreiben“

Nachdem der Ozempic-Hype zunächst vor allem in den USA um sich gegriffen hatte, ist er nun auch hierzulande angekommen. Umso mehr Verantwortung sieht Dr. Fatemi nun bei Ärzten, die entscheiden, wer ein Rezept für das Medikament bekommt. Leider sieht er auch dort keinen guten Trend. „Es gibt schon jetzt in Deutschland Ärzte, die völlig unkritisch vergleichbare Präparate verschreiben. Sie sagen sich: Mir doch egal, Hauptsache ich bekomme auf diese Weise die paar extra 100 Euro Honorar für das Präparat. Dafür gebe ich ihm oder ihr doch das Rezept.“

Sein Appell lautet daher: „Ich kann nur alle Ärzte, Kolleginnen und Kollegen, dazu anhalten, kritisch mit dem Präparat umzugehen und es nicht einfach kritiklos den Patienten in die Hand zu drücken.“

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