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Gesundheit

Forscher belegen unerwarteten Nebeneffekt von Ozempic

Spritze
Medikamente wie Ozempic, die den Wirkstoff Semaglutid enthalten, werden bei Diabetes und mittlerweile auch bei einem Abnehmwunsch eingesetzt. Eine neue Forschung deckt nun aber auch positive Effekte in Bezug auf Alkoholkonsum auf. Foto: Getty Images

29. Januar 2024, 15:34 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Diabetes-Medikamente wie Ozempic werden mittlerweile nicht mehr nur bei Zuckerkrankheiten eingesetzt: In Form von Spritzen sollen sie auch beim Abnehmen helfen. Nun fanden Forscher aber noch einen weiteren Bereich, in dem man das Medikament womöglich erfolgreich einsetzen könnte. FITBOOK erklärt die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler.

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Sind Mittel wie Ozempic etwa echte Alleskönner? Zumindest setzt man die Medikamente mit den Wirkstoffen Semaglutid, Liraglutid und Tirzepatid, die zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten gehören, bereits seit Jahren gegen Diabetes ein. Mittlerweile gelten sie aber auch bei Fettleibigkeit bzw. einem Abnehmwunsch als hilfreich – doch Vorsicht: die Liste der Nebenwirkungen ist lang. Dennoch lassen Forscher nicht davon ab, die beliebten Medikamente zu untersuchen, auch in Hinblick auf andere Erkrankungen. So zeigt nun eine neue Studie, dass Mittel wie Ozempic in Zukunft womöglich bei Alkoholsucht eingesetzt werden könnten.

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Berichte über Reduzierung des Alkoholkonsums im Netz

Das US-amerikanische Forscherteam kam durch eine Analyse von Social-Media-Beiträgen auf den Zusammenhang zwischen Semaglutid sowie Tirzepatid und dem positiven Einfluss auf eine bestehende Alkoholsucht.1 Hierfür nutzten die Wissenschaftler Posts, die auf der Plattform Reddit hochgeladen worden waren, indem sie diese nach Schlüsselwörtern filterten. Diese basierten auf einer Wortwahl, die zu allen GLP-1-Medikamenten, die in den USA zugelassen sind, passten – inklusive verschiedener Schreibweisen. Dazu zählten bspw. Medikamente wie Ozempic und Wegovy, die auch in Europa verkauft werden dürfen. Mithilfe des maschinellen Lernens erstellte das Team anschließend eine Cluster-Klassifizierung.

In den Jahren 2009 bis 2023 machten die Forscher somit 68.250 Beiträge und Kommentare aus 313 Subreddits ausfindig, die sie mittels ihrer Methode anschließend extrahierten. Die wichtigsten 25 Subreddits enthielten 89 Prozent der gesamten extrahierten Beiträge. Außerdem machte sich die Tendenz bemerkbar, dass sich ab 2021 die Diskussionen darüber verstärkten.

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Aufbau der Fernstudie

Damit die Untersuchungen aber nicht nur auf Social-Media-Beiträgen gestützt werden, führten die Forscher eine zusätzliche Fernstudie durch. Für diese füllten die Teilnehmer einmalig eine webbasierte Umfrage aus, anhand der das Team für die Untersuchung geeignete Personen ausfindig machen konnten. So wurden alle mit aufgenommen, die zu diesem Zeitpunkt viel Alkohol konsumierten, über 21 Jahre alt waren, einen Body-Mass-Index von über 30 hatten und den Wirkstoff Semaglutid oder Tirzepatid seit über 30 Tagen einnahmen. Für die Kontrollgruppe wählte man dagegen Personen aus, die derartige Medikamente nicht zu sich führten.

Insgesamt 153 alkoholabhängige Erwachsene mit Fettleibigkeit eigneten sich anhand der Ausschlusskriterien für die Studie. Diese unterteilte man in drei Gruppen:

  • Gruppe 1: Diejenigen, die Semaglutid einnahmen
  • Gruppe 2: Diejenigen, die Tirzepatid einnahmen.
  • Gruppe 3 (Kontrollgruppe): Diejenigen, die keins der beiden Wirkstoffe einnahmen.

Alle füllten validierte Bewertungsbögen aus. Gruppe 1 und 2 mussten zusätzlich eine angepasste Form des Bewertungsbogens abgeben, damit man die Unterschiede vor und während der Einnahme des Medikaments feststellen konnte. Die Kontrollgruppen gab diese Bewertung nur zu einem Zeitpunkt ab.

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Inhalt der Fragebögen

Die Wissenschaftler zogen zwei Fragebögen für die Untersuchungen zurate: die „Timeline Follow Back (TLFB)“ und die „Alcohol use disorder identification test (AUDIT)“. Zusätzlich stellte man den Teilnehmern die Frage, wie viele Standardgetränke während einer Alkoholepisode getrunken wurden. Vorab definierte man, ab wann man genau von einem solchen Getränk spricht: etwa ab 350 Milliliter Bier oder 150 Milliliter Tafelwein.

Mithilfe der anerkannten „Timeline Follow Back“ ließ sich das Trinkverhalten der Teilnehmer in den vergangenen 30 Tagen darstellen. Der zweite Fragebogen (AUDIT) diente zur Messung des Alkoholkonsums, des Alkoholkonsumverhaltens und der alkoholbezogenen Probleme. Die Kontrollgruppe füllte den originalen Fragebogen aus, während die Personen, welche Medikamente einnahmen, zu ihrem Zustand vor und während der Einnahme der Mittel befragt wurden.

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Medikamente wie Ozempic und Alkoholsucht

Nicht nur im Netz beobachteten die Forscher, dass eine mögliche Bekämpfung von Alkoholsucht mit semaglutid-/tirzepatidhaltigen Medikamenten wie Ozempic im Zusammenhang stehen.

Cluster deuten auf positiven Effekt hin

Nach dem Extrahieren der Social-Media-Beiträge bildete das Team acht Cluster, aus denen für die Studie wichtige Diskussionsthemen hervorgingen. Zu den bedeutendsten zählten: „Auswirkung von Medikamenten“ (30 Prozent der Beiträge), „Diabetes“ (21 Prozent) sowie „Gewichtsverlust und Adipositas“ (19 Prozent). Die binäre Klassifizierung diente der Einordnung der eintretenden Effekte bei der Einnahme von Ozempic und Co. bei Alkoholsucht. So lagen Merkmale wie „Dankbarkeit“, „Hoffnung“, „Fröhlichkeit“ und „positive Gefühle“ der Verabreichung derartiger Medikamente zugrunde.

In allen Clustern waren Schlüsselwörter wie Gewicht und speziell Gewichtsverlust anzutreffen. Bei der Wirkung der Medikamente waren häufige Diskussionsthemen die Unterdrückung des Appetits und das verringerte Verlangen nach Essen.

Explizit äußerten sich 962 Personen in insgesamt 1.580 Beiträgen über die Einnahme von Ozempic und Ähnlichen während einer bestehenden Alkoholsucht. Fast 72 Prozent berichteten, dass sie kein Verlangen mehr hätten, etwas trinken zu wollen oder dass ihr Alkoholkonsum stark zurückgegangen sei, was sich durch Schlüsselwörter wie „aufgehört“, „reduziert“, „weniger“ und „geringe Toleranz“ beobachten ließ.

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Ergebnisse der Fernstudie

Die Mehrheit der 153 rekrutierten Teilnehmer der Fernstudie waren weiße Frauen mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren und einem mittleren BMI von 35. Die Gruppe, welche den Wirkstoff Tirzepatid einnahm, gab im Durchschnitt eine Dosis von 7,5 Milligramm an, bei Semaglutid belief sich die Menge auf etwa 1 Milligramm.

Anhand des TLFB- und des AUDIT-Fragebogens stellte sich heraus, dass die Teilnehmer an Wochenenden signifikant mehr Alkohol konsumierten als wochentags. Allerdings kamen die Forscher nach der Auswertung zu dem Ergebnis, dass Personen, welche Medikamente mit Semaglutid oder Tirzepatid einnahmen, im Durchschnitt weniger häufig tranken, als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Besonders bei Semaglutid fiel der Wert geringer aus. Auch in Bezug auf das Rauschtrinken – auch Binge-Drinking genannt – kamen die Forscher zu einem Ergebnis: Gruppe 1 und 2 wiesen ein verringertes Risiko für Rauschtrinken auf, im Vergleich zur Kontrollgruppe. Demnach scheint es einen Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme und der Reduzierung von Alkohol im Sinne der Häufigkeit und der Menge zu geben.

„Zusammenfassend deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Auswirkungen der Alkoholintoxikation (Störungen), insbesondere die stimulierenden und sedierenden Effekte, während der Einnahme dieser Medikamente reduziert werden“, resümieren die Wissenschaftler in ihrer Studie.

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Einordnung der Studie

„Diese Ergebnisse ergänzen die wachsende Literatur darüber, dass diese Medikamente gefährliche Trinkgewohnheiten eindämmen können“, sagte Warren Bickel, korrespondierender Autor der Studie, in der Pressemitteilung.2 Der Zusammenhang zwischen Medikamenten, die Semaglutid und Tirzepatid enthalten, wie z.B. Ozempic und Weglovy, werde durch die Studie klar – auch wenn die Kausalitäten noch nicht genau aufgedeckt wurden. „Obwohl es immer mehr Belege für den Einsatz dieser Medikamente zur Behandlung von Alkoholproblemen gibt, muss die Wissenschaft noch viel mehr über sie lernen, insbesondere bei der Ermittlung der zugrunde liegenden Mechanismen.“

Deshalb bedarf es hier noch weiteren Forschungen, um nicht nur den Mechanismus zu verstehen, sondern auch, ob man die Medikamente tatsächlich bei einer Alkoholsucht einsetzen kann. Bei weiteren Untersuchungen ist es zusätzlich notwendig, sich nicht nur auf eine bestimmte Gruppe zu beschränken, sondern Männer und Frauen jeglichen Alters gleichermaßen heranzuziehen. Zudem sollte man die Aussagekraft der Studie kritisch betrachten, da die Angaben der einzelnen Personen nicht immer zwangsläufig zutreffen müssen. Das kann deshalb so sein, weil sich Probanden falsch erinnern, unter- oder übertreiben können, sowie bewusst falsche Angaben machen können und dies gemäß des aktuellen Studiendesigns nicht nachgeprüft werden konnte. Weitere Untersuchungen sollte man dahingehend verbessern.

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Quellen

Themen Abnehmen Alkohol Alkoholsucht

Quellen

  1. Quddos, F., Hubshman, Z., Tegge, A. et al. (2023). Semaglutide and Tirzepatide reduce alcohol consumption in individuals with obesity. Scientific Reports. ↩︎
  2. Virgina Tech. Virginia Tech researchers find drugs used to treat Type 2 diabetes reduce alcohol cravings, use in individuals with obesity. EurekAlert! (aufgerufen am 29.01.2024) ↩︎
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