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Kuriose Studienerkenntnisse

Erben Patienten durch Organtransplantation Teile der Persönlichkeit des Spenders?

Organtransplantation
Viele bemerken nach einer Organtransplantation einige Veränderungen in ihrer Persönlichkeit. Was ist an dieser Aussage dran? Foto: Getty Images

21. Mai 2024, 16:30 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Eine Organtransplantation ist ein sehr komplexer Eingriff, der den Patienten aber meist das Leben verbessern bzw. sogar retten kann. Dass dies Einfluss auf die Gesundheit hat, ist klar – aber auch auf die Persönlichkeit? Das untersuchte eine neue Studie, die FITBOOK-Redakteurin Janine Riedle zusammenfasst.

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Bei einer Organtransplantation setzt der Chirurg ein Spenderorgan ein, das er mit dem Blutkreislauf des Empfängers verbindet. So kann man unter anderem Nieren, die Leber, das Herz oder auch die Lunge transplantieren. Doch kann sich die Persönlichkeit des Spenders durch eine Organtransplantation auch auf die des Empfängers auswirken? Dem gingen Forscher auf den Grund.

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Umfrage zur Persönlichkeitsveränderung

Die Wissenschaftler der vorliegenden Studie rekrutierten im Jahr 2022 Personen aus den Vereinigten Staaten, die bereits eine Organtransplantation durchgestanden hatten.1 Dies geschah durch die Kontaktaufnahme mit Transplantationszentren und Selbsthilfegruppen. Insgesamt 67 Personen erklärten sich daraufhin bereit, eine Umfrage durchzuführen. Allerdings schlossen nur 47 die Umfrage komplett ab und wurden deshalb mit in die Analyse aufgenommen. Das durchschnittliche Alter lag bei 61,9 Jahren, die Geschlechterverteilung war ausgewogen. Aber nicht alle hatten dieselbe Transplantation erhalten:

  • 23 Teilnehmer hatten eine Herztransplantation hinter sich.
  • 24 Teilnehmer erhielten andere Transplantation wie der Niere, Leber oder Lunge.

Aufbau der Umfrage

Die Umfrage teilte man in zwei Teile auf: Der erste Abschnitt bezog sich auf demografische Merkmale wie das Geschlecht und das Alter. Auch Fragen zur Organtransplantation waren enthalten. Im zweiten Teil beantworteten die Teilnehmer dagegen Fragen, die auf mögliche Veränderungen der Persönlichkeit abzielten. Diese hatte das Forscherteam auf der Grundlage früherer Persönlichkeitsbeurteilungen entwickelt und mit Experten abgestimmt. Unter anderem fragte man ab, ob sich durch die Organtransplantationen Veränderungen der Persönlichkeit hinsichtlich des Temperaments und der Emotionen beobachten ließen. Aber auch nach folgenden Vorlieben erkundigte man sich:

  • Musik
  • Essen
  • Sport
  • Farben
  • Religion

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Organtransplantation beeinflusste laut Umfrage die Persönlichkeit

Nach einer umfassenden Analyse und Auswertung der Umfrage stellten die Forscher fest, dass 89,3 Prozent der Teilnehmer über eine Persönlichkeitsveränderung durch die Organtransplantation berichteten. Besonders Patienten einer Herztransplantation beobachteten folgenden Wandel:

  • Interesse für sportliche Aktivitäten: 30,4 Prozent
  • Temperament: 60,9 Prozent
  • Essensvorlieben: 47,8 Prozent

Teilnehmer mit anderen Organtransplantationen berichteten dagegen vielmehr darüber, dass sich ihre Erinnerungen verändert haben. Die Studienautoren erklärten, dass es bereits vor der Studie Berichte darüber gab, das Organempfänger über Erinnerungen verfügten, die scheinbar nichts mit ihren eigenen gelebten Erfahrungen zu tun hatten.

Unabhängig davon, welches Organ die Empfänger erhalten hatten, teilten die Hälfte aller Teilnehmer mit, dass die Transplantation auf ihre Emotionen ausgewirkt hat. Ob dies jedoch nur mit dem Eingriff an sich und nicht mit dem Organ zusammenhängt, ist aktuell noch unklar. Hier bedarf es weiterer Studien, welche sich mit dieser Frage auseinandersetzen.

Vielzahl an Persönlichkeitsveränderungen

Bei einigen Teilnehmern trat aber nicht nur eine Veränderung ein – so gaben insgesamt 36,2 Prozent an, vier oder mehr Persönlichkeitsveränderungen nach einer Organtransplantation wahrzunehmen. Das traf vorwiegend auf diejenigen zu, die ein Herz erhalten hatten, wobei der Unterschied zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant war. Das deutet darauf hin, dass eine Herztransplantation einen stärkeren Einfluss auf die Persönlichkeitsveränderungen haben könnte als die Transplantation anderer Organe.

Welcher Mechanismus im Körper führt zur Persönlichkeitsänderung?

Wie genau es zu den Veränderungen von Persönlichkeit und Erinnerungen kommen kann, ist bisher nicht wissenschaftlich belegt. Doch es gibt verschiedene Hypothesen.

Zum einen wird vermutet, dass das Spenderorgan in der Lage ist, Erinnerungen oder andere Persönlichkeitsmerkmale zu speichern, die mit dem gespendeten Organ auf den Empfänger übertragen werden. Die Übertragung erfolge in Form von Engrammen im Gehirn: Das sind physiologische Spuren, die andauernde strukturelle Änderungen im Gehirn verursachen. Die Gesamtheit aller Engramme kennen wir als unser Gedächtnis. So könnten „Gedächtnisbruchstücke“ des Spenders im Körper des Empfängers über Exosome – Zellen, die der Kommunikation im Körper dienen – an dessen Gehirn gesendet werden.

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Zum anderen gibt es die Hypothese des zellulären Gedächtnisses, welches das Spenderorgan auf den Empfänger übertragen könnte. Die Wissenschaft vermutet, dass jede Körperzelle über ein eigenes Erinnerungsvermögen verfügen könnte – sei es epigenetisch, über DNA, RNA oder Proteine vermittelt.

Eine weitere biochemische Hypothese ist die Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen über das intrakardiale Nervensystem. Das ist ein komplexes System von Neuronen im Herzen, welches bei einer Transplantation zusammen mit dem Herzen übertragen wird. Diese Neuronen verwenden dieselben chemischen Neurotransmitter, die im Großhirn vorkommen, um Informationen weiterzugeben und zu speichern. Dieses „Herzgehirn“ könnte Erinnerungen speichern, die während einer Herztransplantation übertragen werden und so die Persönlichkeit des Empfängers verändern.

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Einordnung der Studie

Die Ergebnisse machen deutlich, dass ein neues Organ die Persönlichkeit beeinflussen könnte – immerhin waren rund 90 Prozent von einer Persönlichkeitsveränderung betroffen. „Dieses Ergebnis […] stellt wahrscheinlich eine Verzerrung durch die Auswahl der Probanden dar, was darauf zurückzuführen ist, dass wir Personen für die Teilnahme an einer Studie rekrutiert haben, in der ausdrücklich angegeben wurde, dass sie Persönlichkeitsveränderungen nach Organtransplantationen untersuchte“, weisen die Forscher selbst in ihrer Studie auf die Einschränkungen ihrer Studie hin. So seien womöglich Personen, die keine Veränderung wahrgenommen hatten, weniger bereit für eine derartige Studie.

Des Weiteren untersuchte man nur eine kleine Stichprobe, weshalb weitere Studien größer angelegt werden sollten. Auch, dass die Hälfte nur auf Herztransplantationen zurückzuführen ist, stellt eine weitere Einschränkung der Studie dar. Denn größere Untersuchungen mit einem ausgewogenen Anteil an Patienten aller Transplantationsarten könnten womöglich zu einer anderen Erkenntnis führen. Auch, dass die Teilnehmer ihre subjektive Wahrnehmung in der Umfrage angeben konnten, könnte die Ergebnisse verfälscht haben. Denn da die Probanden erst nach ihrer Transplantation befragt wurden, konnte man ihre Persönlichkeit vor dem Eingriff nicht objektiv untersuchen.

Themen #AmazonNutrition Herzgesundheit Leber Nierengesundheit

Quellen

  1. Carter, B., Khoshnaw, L., Simmons, M., et al. (2024). Personality Changes Associated with Organ Transplants. Transplantology. ↩︎

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