17. Juni 2020, 13:09 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wohl nur die wenigsten von uns denken über das Thema Ohrengesundheit nach, wenn sie bspw. über Kopfhörer Musik hören. Manches hört sich richtig laut einfach besser an – bloß riskiert man dadurch schwere Schädigungen des Hörorgans. Warum man auf seine Ohren besonders aufpassen sollte und wie dabei die sogenannte 60/60-Regel helfen kann, lesen Sie bei uns.
Wann sind es Geräusche, ab wann Lärm?
Maß für die Lautstärke ist der sogenannte Schalldruckpegel, der in Dezibel angegeben wird. Der offiziellen Dezibel-Tabelle zufolge werden bei einem „normalen“ Gespräch etwa 55 Dezibel erreicht. Ein Presslufthammer in etwa zehn Metern Entfernung kommt auf gut und gerne 90 und eine Ohrfeige auch mal auf 160 Dezibel.
Für die individuelle Wahrnehmung kann es hingegen keine offizielle Tabelle geben, eine allgemein gültige Grenze zwischen angenehmen und störenden Geräuschen ist schließlich nicht zu ziehen. Auf diesen und weitere Punkte, die mit gesundem Hören und dem Schutz der Ohren zu tun haben, geht die „Initiative Hören“ in einer ausführlichen Informationsbroschüre ein. Wie es darin heißt, ist das „Lärmempfinden jedes einzelnen Menschen anders, sodass die verschiedensten Geräusche und deren Pegel vom Hörenden subjektiv in unterschiedlicher Weise eingestuft werden.“ So kann es immer wieder passieren, dass man sich mit seinen Mitmenschen auf eine für beide angenehme Lautstärke des Radios einigen muss.
Offizielle Grenzwerte zum Lärmschutz
Im Arbeitsschutzgesetz sind Grenzwerte dafür festgelegt, welche Lautstärke am Arbeitsplatz zulässig ist, ohne dass Ohrenschutz zur Verfügung gestellt werden muss. Auch für Wohngebiete gibt es durch das Bundesimmissionsschutzgesetz Grenzwerte für zulässige Maximallautstärken. Und damit im Kinderzimmer möglichst keine unkontrollierten Lautstärken erreicht werden, richtet sich das Lärmpotenzial von Spielzeug nach der europäischen „Spielzeugrichtlinie“. Mehr dazu ist auf der Website der Verbraucherzentrale nachzulesen.
Lärm ist Stress für den Körper – und besonders die Ohren
Wir sind aber nicht nur beim aktiven Musikhören Geräuschen ausgesetzt, sondern fast rund um die Uhr. Darunter sind viele, denen wir uns nur schwer entziehen können – z.B. Straßenverkehrs- und Fluglärm oder schreiender Nachwuchs. Man darf nicht vergessen: Lärm ist Stress für den gesamten Körper, besonders wenn er von Dauer ist. Stress bewirkt eine Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin, die potentiell krankmachen können. Kein Wunder, dass laut dem Umweltbundesamt ständiger Lärm ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.
Unmittelbar ausbaden müssen Lärmbelästigungen logischerweise die Ohren. Viele kennen das: Nach einer Partynacht (in Discos werden bis zu 100 Dezibel erreicht) wacht man mit einem hartnäckigen Piepen auf – und kann sich glücklich schätzen, wenn das nervige Geräusch nicht chronisch wird.
Zellen in den Ohren regenerieren sich nicht
Das Problem nämlich: Anders als andere Zellen des Körpers können sich die im Ohr nicht regenerieren. Der Mensch kommt pro Ohr mit etwa 15.000 sogenannten Haarzellen zur Welt – es wachsen keine neuen nach, wenn die bestehenden zerstört wurden.
Zwar assoziiert man den Anblick von Hörgeräten wohl eher mit älteren Menschen, dabei sind es nicht zuletzt Kinder, bei denen die Ohrengesundheit besonders wichtig sein sollte. Zumal das Gehör die Grundlage für die Sprachentwicklung ist. Sollte es aufgrund von mangelnder Vorsicht zu bleibenden Schäden kommen, bleiben diese womöglich von klein auf ein ganzes Leben lang erhalten. Kinder sollten deshalb nur in Ausnahmefällen Kopfhörer zum Musikhören benutzen dürfen.
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Das steckt hinter der 60/60-Regel
Die 60/60-Regel ist eine durch die britische Gehörlosen-Forschungsorganisation „Deafness Research“ definierte Richtlinie für den Gebrauch von Kopfhörern. Dahinter steckt die Empfehlung, höchstens eine Stunde täglich, also 60 Minuten lang, Musik über Kopfhörer zu hören – und zwar bei maximal 60 prozentiger Lautstärke.
Unter Hals-Nasen-Ohren-Ärzten und Hörakustikern (= ausgebildete Fachkräfte, die mit gehörverminderten Menschen arbeiten und ihnen u.a. Hörsysteme anpassen) hat sich die 60/60-Regel als offizielle Orientierung etabliert. Die Verbraucherzentrale ergänzt um eine simple Hilfestellung: „Ist der Player so laut eingestellt, dass Außenstehende trotz Kopfhörer mithören können, ist die Lautstärke zu hoch.“
Bis auf Weiteres wird es wohl bei Warnhinweisen und Empfehlungen bleiben. Dabei spricht die wissenschaftliche Datenlage eigentlich dafür, gesetzliche Lautstärkeobergrenzen für Hersteller zu definieren. Im Auftrag der Europäischen Kommission hat ein Forscherteam ermittelt, dass jeder, der mehr als eine Stunde am Tag über Kopfhörer Musik bei einer Lautstärke von mehr als 89 Dezibel hört, nach etwa fünf Jahren einen unheilbaren Hörschaden riskiert.
Metaanalyse Mehr als einer Milliarde junger Menschen droht Hörverlust
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Weitere Tipps zum Schutz der Ohren
Wenn Sie an einer Hauptstraße wohnen, kann es sinnvoll sein, einen Umzug in eine ruhigere Gegend zu erwägen oder zumindest bauliche Verbesserungen für die aktuelle Behausung zu ergreifen. Sinnvoll ist bspw. der Einbau von Schallschutzfenstern.
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Ansonsten empfiehlt es sich, sich für Festival- bzw. Konzertbesuche, in der Nähe von Flugfeldern und auch für Flugreisen mit Ohrenstöpseln zu wappnen, um den zu erwartenden Lärm abzudämpfen. Wenn Sie doch einmal stärkeren Geräuschen ausgesetzt waren, empfiehlt u.a. die Verbraucherzentrale „Lärmpausen“, also das bestmögliche Vermeiden von Lärm an den Folgetagen.