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Forschung zeigt

Unsere Ohren versuchen sich noch immer zu bewegen, um besser zu hören

Jemand fasst sich ans Ohr
Tiere können ihre Ohren bewegen, um besser zu hören. Forscher fragten sich nun, ob Menschen auch dazu fähig sind. Foto: Getty Images

4. Februar 2025, 19:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Wenn Tiere zuhören oder einem bestimmten Geräusch lauschen, merkt man das oftmals: Die Ohren werden aufgestellt oder drehen sich in Richtung des Geräuschs, um besser hören zu können. Dieser Vorteil bleibt uns Menschen nicht – dachte man bisher jedenfalls. Denn Forscher fanden heraus, dass auch wir unsere Ohren spitzen können – auch wenn nicht so offensichtlich wie Tiere.

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„Anstrengendes Zuhören“ oder „Listening Effort“ ist ein wichtiges Konzept in der Hörforschung. Es beschreibt den mentalen Aufwand, der nötig ist, um Sprache zu verstehen, insbesondere in lauter Umgebung. So können Tiere durch das Bewegen ihrer Ohren Geräusche besser wahrnehmen, Menschen ist das evolutionsbedingt aber nicht möglich – oder? Darauf will eine neue Studie Antworten haben, denn sie untersuchte, ob die Aktivität der Ohrmuskeln systematisch mit der Zuhöranstrengung zunimmt. Und nun alle mal die Ohren spitzen!

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Hintergrund der Studie

Die Forscher wollten herausfinden, ob bei erschwerten Zuhörbedingungen die Muskeln an den Ohren bewegt bzw. aktiviert werden. Genauer gesagt fokussiert man sich auf die posterioren und superioren aurikulären Muskeln – beide zählen zur mimischen Muskulatur, die sich im Ohr befinden.

Frühere Studien zeigten, dass diese Muskeln auf räumliche Aufmerksamkeit reagieren, also dann aktiv sind, wenn Menschen ihre Aufmerksamkeit gezielt auf eine Schallquelle richten, die sich an einer bestimmten Stelle befindet. Ob diese Muskeln aber auch auf allgemeine Zuhöranstrengung reagieren, war bislang unklar.

Hören unter erschwerten Bedingungen

An der Studie nahmen 20 normalhörende Erwachsene teil, die allesamt einem Hörbuch lauschen sollten.1 Um zu ermitteln, ob die Muskeln an den Ohren beim angestrengten Zuhören aktiviert und sogar bewegt werden, platzierte man Elektroden an diesen. Nun durchliefen die Teilnehmer drei verschiedene Schwierigkeitsgrade: Bei der leichtesten Stufe hörten die Probanden einen Störsprecher, der aber leiser als die Zielstimme sprach. Das Ganze wurde erschwert, in dem man noch einen weiteren Sprecher hinzufügte und die Lautstärke änderte. Ebenso passte man den Winkel an, sodass die Teilnehmer den Sprecher von vorn oder von hinten hörten. Um die Kopfbewegungen zu minimieren, verwendete man einen Kinnhalter, der sicherstellte, dass Änderungen in der Muskelaktivität tatsächlich mit der Zuhöranstrengung zusammenhängen – und nicht mit unbewussten Bewegungen des Kopfes.

Währenddessen mussten die Teilnehmer angeben, wenn sie den Zielsprecher verloren haben. Außerdem bewerteten sie nach jeder Hörsequenz selbst, wie anstrengend das Zuhören war.

Bestimmter Muskel war besonders aktiv beim Zuhören

Die Ergebnisse zeigen klare Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Muskeln:

  • Die superioren aurikulären Muskeln wurden bei hoher Höranstrengung signifikant stärker aktiviert. Besonders in der schwierigsten Hörbedingung zeigte sich eine deutliche Zunahme der Muskelaktivität im Vergleich zu leichteren Aufgaben.
  • Die posterioren aurikulären Muskeln wiesen dagegen keine Reaktion auf die Schwierigkeit der Höraufgabe auf. Sie waren jedoch deutlich aktiver, wenn die Geräusche von hinten kamen statt von vorn.

Zusätzlich gaben die Teilnehmer bei schwierigen Hörbedingungen an, häufiger den Faden verloren zu haben. Auch ihr subjektiv empfundenes Anstrengungsniveau stieg mit der Schwierigkeit an.

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Relevanz für die Hörgerätetechnologie

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die superioren aurikulären Muskeln ein Indikator für Zuhöranstrengung sein könnten. Während viele etablierte Methoden variabel und schwer reproduzierbar sind, bietet die Messung mit den Elektroden am superioren aurikulären Muskel möglicherweise eine neue, zuverlässige Möglichkeit, Höranstrengung zu erfassen.

Besonders relevant ist dies für die Hörgerätetechnologie: Die Messung der Aktivität des Muskels könnte genutzt werden, um Hörhilfen automatisch an die individuelle Zuhöranstrengung anzupassen. Dies wäre ein großer Fortschritt für Menschen mit Hörverlust, da aktuelle Hörgeräte Schwierigkeiten haben, sich flexibel an komplexe akustische Umgebungen anzupassen.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist die Unabhängigkeit der Aktivität des superioren aurikulären Muskels von der Richtung der Schallquelle. Während die posterioren aurikulären Muskeln auf Schall von hinten stärker reagierten, wurden die superioren ausschließlich von der Höranstrengung beeinflusst. Dies unterstützt die Hypothese, dass die superioren aurikulären Muskeln nicht nur reflexhaft auf Richtungssignale reagieren, sondern tatsächlich an der Verarbeitung von akustischen Informationen beteiligt sind.

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Einordnung der Studie

Trotz vielversprechender Ergebnisse weist die Studie auf Einschränkungen auf. Zum einen führte man die Untersuchungen nur mit jungen, normalhörenden Erwachsenen durch. Ob Menschen mit Hörverlust oder ältere Teilnehmer ähnliche Reaktionen zeigen, ist demnach unklar. Zum anderen sind die Bewegungen der Ohrmuscheln zu gering, wie auch Erstautor Andreas Schröer in einer Pressemitteilung betont: „Die Ohrbewegungen, die durch die von uns aufgezeichneten Signale hervorgerufen werden konnten, sind so gering, dass vermutlich kein wahrnehmbarer Nutzen besteht. Allerdings trägt die Ohrmuschel selbst zu unserer Fähigkeit bei, Geräusche zu lokalisieren. Unser aurikulomotorisches System versucht also wahrscheinlich sein Bestes […], erreicht aber nicht viel.“2 Ob sich durch diese minimalen Veränderungen also das Hören verbessert, muss in zukünftigen Studien untersucht werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Tests in einer kontrollierten Laborumgebung stattfanden. Ob ähnliche Ergebnisse in einer realen Situation auftreten, in der die Hörbedingungen erschwert sind, bleibt offen. Des Weiteren fällt die Studiengröße mit 20 Teilnehmern sehr gering aus.

Und auch wenn Menschen ihre Ohren nicht so frei bewegen können wie Tiere, zeigt die Studie, dass auch wir die Ohren spitzen können – im geringen Maße!

Themen Ohrengesundheit

Quellen

  1. Schröer A., Hackley S.A., Corona-Strauss F.I., et al. (2025). Electromyographic correlates of effortful listening in the vestigial auriculomotor system. Frontiers in Neuroscience. ↩︎
  2. Neuroscience. Ear muscle we thought humans didn’t use — except for wiggling our ears — actually activates when people listen hard. (aufgerufen am 04.02.2025) ↩︎
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