21. Mai 2021, 19:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Im Internet kursiert, dass man sich mit Vitamin-D-Mitteln vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen kann. Das klingt verlockend, stimmt einer neuen, für ihre Methodik gelobten Studie zufolge aber nicht.
Ein niedriger Vitamin-D-Status erhöht einer neuen US-Studie zufolge das Corona-Ansteckungsrisiko nicht. Zwar scheine es eine solche Verbindung zu geben, wenn man die Daten allein betrachte, erläutern die Forscher im Fachmagazin „Jama Open Network“. Beziehe man aber Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnizität, Body-Mass-Index, Blutdruck, Raucherstatus und Wohnort mit ein, gebe es keinerlei Zusammenhang.
Menschen mit vergleichsweise niedrigem Vitamin-D-Spiegel haben also kein höheres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken, als optimal versorgte Menschen.
Nicht nur Vitamin-D-Level muss berücksichtigt werden
Die Wissenschaftler um Yonghong Li vom US-Laborunternehmen Quest Diagnostics in San Juan Capistrano (US-Staat Kalifornien) hatten Daten aus dem Mitarbeiter-Gesundheitsprogramm mit jährlichen Screenings aus den Jahren 2019 und 2020 analysiert. Insgesamt wurden 18.148 Menschen zwischen 37 und 56 Jahren in die Studie miteinbezogen, etwa zwei Drittel davon Frauen. Vor Pandemie-Beginn hatten demnach rund 60 Prozent der Untersuchten ein Vitamin-D-Level von weniger als 30 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Weitere rund 25 Prozent ein noch niedrigeres Level (weniger als 20 ng/ml).
Bei rund fünf Prozent der Probanden (900) wurden im Untersuchungszeitraum Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachgewiesen. Zwar hatten die Mitarbeiter und Angehörigen, die positiv getestet wurden, im Schnitt ein niedrigeres Vitamin-D-Level als die negativ getesteten. Unter Berücksichtigung anderer Faktoren, die die Corona-Risiken merklich beeinflussen, ergab sich aber kein signifikanter Zusammenhang. So hatten zum Beispiel deutlich übergewichtige Menschen (BMI ab 30), Männer und Frauen mit Bluthochdruck, Raucher sowie Mitarbeiter und deren Partner ohne Hochschulabschluss im Schnitt häufiger einen Vitamin-D-Mangel.
Infektion könnte Messwert beeinflussen
Andere, kleinere Studien hatten zuvor auf einen möglichen Zusammenhang hingewiesen. Vielfach wurden allerdings die vielen Faktoren, die das Corona-Risiko beeinflussen, nicht berücksichtigt. Zudem wurde der Vitamin-Status oft entweder sehr lange zuvor oder aber erst im Zuge der Covid-19-Erkrankung gemessen. Folglich lässt sich nach Aussage von Experten aus dem Messwert nicht ableiten, ob ein gemessener Mangel nicht erst infolge der Infektion entstand.
Keine Aussage über Zusammenhang von Vitamin D und Schwere des Covid-19-Verlaufs
Zu den Einschränkungen der neuen Analyse zählt den Autoren zufolge, dass sich nicht alle Corona-Infektionen über Antikörper nachweisen lassen – unter anderem, weil diese nach gewisser Zeit schwinden. Eine Aussage über die Schwere von Covid-19-Erkrankungen in Abhängigkeit vom Vitamin-D-Status trifft die Studie nicht. Dies untersuchten zuvor bereits mehrere Studien – FITBOOK berichtete. Diese legen den negativen Einfluss eines niedrigen Vitamin-D-Spiegels auf die Schwere des Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung nahe.
In einem Kommentar zur Studie in „Jama Open Network“ lobt der US-Gesundheitsexperte Michael Polis die Methodik der Analyse. „Diese Studie zeigt, dass eine gut konzipierte, angemessen dimensionierte Beobachtungsstudie mehr definitive Beweise liefern kann als mehrere kleinere, schlecht konzipierte Studien.“
Körper kann Vitamin D selbst bilden
Vitamin D ist der übergeordnete Begriff für eine Gruppe fettlöslicher Vitamine. Anders als andere Vitamine kann der Körper Vitamin D selbst bilden – durch Sonnenlicht, genauer UV-B-Strahlung bestimmter Wellenlängen. Im Internet machen allerdings schon seit längerem Empfehlungen für die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Runde – aktuell oft begründet mit Hinweisen, eine Infektion mit dem Coronavirus oder ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Erkrankung könnten damit verhindert werden.
Dafür gibt es bisher keine wissenschaftlich gesicherten Belege. Behörden wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnen immer wieder vor den gesundheitlichen Risiken einer eigenständigen Einnahme vor allem von höher dosierten Vitamin-D-Präparaten. Bei stetig zu hohem Vitamin-D-Level im Körper drohen Gesundheitsschäden wie die Bildung von Nierensteinen oder Nierenverkalkung. Deshalb ist unbedingt das regelmäßige (Selbst-)Testen des Vitamin-D-Spiegels anzuraten.
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Ein- bis zweimal pro Woche fetten Fisch essen
Eine gute Vitamin-D-Versorgung könne man am besten durch die Eigensynthese der Haut erreichen, heißt es vom BfR. Ferner sei zu empfehlen, ein- bis zweimal pro Woche fetten Seefisch wie Hering oder Lachs zu essen. Eine generelle Vitamin-D-Einnahme von bis zu 20 Mikrogramm pro Tag ist demnach lediglich für Menschen zu erwägen, die sich kaum im Freien bewegen. Das trifft zum Beispiel auf Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner zu.
Allgemein sei eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wichtig für die Immunfunktion des Menschen, so das BfR. Zum Schutz vor Erkältungs- und Atemwegserkrankungen sei darum generell eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel vitamin- und mineralstoffreichem Obst und Gemüse wichtig.
mit Material von dpa