30. September 2024, 18:46 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Zurzeit häufen sich Fälle von Lungenentzündung bei Kindern und Jugendlichen – verursacht durch ein bestimmtes Bakterium: Mykoplasmen. Die Symptome, die diese Erreger verursachen können, sind ähnlich wie bei einer Erkältung und äußern sich in Müdigkeit, Husten und bei Kindern in Form von Durchfall, Keuchen und Erbrechen. FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger erklärt die Ursachen, Symptome und den Verlauf einer Mykoplasmen-Infektion.
Sachsen meldet eine stark gestiegene Zahl der durch Mykoplasmen verursachten Lungenentzündungen. Nach den aktuellen Angaben des Sozialministeriums wurden in diesem Jahr bislang 11.605 Infektionen registriert.1 Doch wie gefährlich ist eine durch Mykoplasmen ausgelöste Erkrankung eigentlich?
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Übersicht
Was sind Mykoplasmen?
Unter Mykoplasmen versteht man Bakterien, die Infektionen in den Harnwegen, dem Genitaltrakt und in der Lunge verursachen können. Da diese speziellen Bakterien keine Zellwand besitzen, sind sie gegen Antibiotika wie Penicillin resistent, die an der Zellwand angreifen würden. Das Gefährliche am Erreger „Mycoplasma pneumoniae“ ist, dass er eine sogenannte atypische Lungenentzündung oder Pneumonie auslösen kann.
Je nach Art können Mykoplasmen unterschiedliche Infektionen bei Menschen (und Tieren) auslösen. Aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit und ihrer geringen Größe sind sie schwer zu bekämpfen und benötigen dementsprechend spezielle Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.2
Wie häufig tritt die Erkrankung auf?
Eine Lungenentzündung, die durch Mykoplasmen hervorgerufen wird, kann in allen Altersgruppen auftreten. Häufiger betrifft sie allerdings Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Ungefähr zehn Prozent der Lungenentzündungen, die außerhalb des Krankenhauses vorkommen, sind auf Mykoplasmen zurückzuführen. Mykoplasmen sind leicht übertragbar, sodass sie sich besonders in Gruppen ausbreiten. Gerade, wenn man sich in engen Räumen, Pflegeeinrichtungen, Schulen oder innerhalb der Familie befindet.3
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Wie steckt man sich an?
Man bezeichnet eine Mykoplasmen-Infektion auch als Tröpfcheninfektion. Darunter versteht man, dass der Erreger durch Körperflüssigkeiten, wie zum Beispiel Speichel, übertragen werden kann. Somit erfolgt eine Infektion meistens dann, wenn sich zwei Menschen unmittelbar in enger Nähe zueinander befinden. Daher sind gerade Schulkinder im Alter von fünf bis vierzehn Jahren stark gefährdet. Zusätzlich gelten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem als anfällig für eine Infektion.
Zudem ist es möglich, dass man sich durch das Berühren von Gegenständen, die mit infektiösem Körpersekret kontaminiert sind, infizieren kann. Dabei kann die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome (Inkubationszeit) zwischen zwei und vier Wochen liegen.
Diese Symptome gibt es
Zwar verlaufen die Erkrankungen in der Regel mild, können aber auch in einigen Fällen schwerwiegend sein. Problematisch ist, dass die Beschwerden oft der einer Grippe ähneln und Halsschmerzen, Durchfall, Atembeschwerden oder Erbrechen umfassen. So werden sie häufig nicht als Symptome einer Mykoplasmen-Infektion erkannt. Bei schwereren Verläufen treten auch Asthmaanfälle oder Lungenentzündungen auf.4
Ein weiteres Problem ist der schleichende Verlauf der Krankheit – auch dies erschwert eine Diagnose. Im Vergleich mit einer typischen Lungenentzündung, die sich durch hohes Fieber, starken Husten und Schüttelfrost bemerkbar macht, verläuft eine Mykoplasmen-Infektion anders. Betroffene weisen stattdessen leichtes Fieber, Kurzatmigkeit und trockenen Husten auf.5
Zu den ersten Anzeichen einer atypischen Lungenentzündung gehören:
- Schnupfen
- Kopfschmerzen
- Reizhusten oder trockener Husten
- leichtes bis mäßiges Fieber
- „Knistern“ beim Atmen
Da diese Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können, wird eine Mykoplasmen-Pneumonie von den Betroffenen oft erst spät erkannt.
Ursachen für die Erkrankung
„Mycoplasma pneumoniae“ verhält sich wie ein Parasit. Das Bakterium heftet sich an die speziellen Epithelzellen der Atemwege, die sogenannten Flimmerhärchen (Zilien) im menschlichen Körper. Das Bakterium besitzt auf der Oberfläche Eiweißstrukturen, durch die es sich an die beweglichen Flimmerhärchen heften kann. Der Erreger wandert dann von dort zu den Wurzeln dieser Zilien und vermehrt sich. Dabei produziert er Wasserstoffperoxid, welches in die Zellen der Flimmerhärchen gelangt und diese schädigt. Deswegen werden die Flimmerhärchen in ihrer Funktion eingeschränkt – die in der Regel im Transport von Schleim oder Fremdstoffen aus der Lunge besteht.
Hinzu kommt, dass Mykoplasmen verschiedene Mechanismen aufweisen, mit denen sie das Immunsystem umgehen und sich vor Abwehrreaktionen schützen können. Somit können die Bakterien länger im Körper überleben. Zudem kann der Erreger bestimmte für die Vermehrung notwendige Stoffwechselvorgänge nicht eigenständig durchführen: Stattdessen werden den Zilien die benötigten Nährstoffe entzogen, um sich zu vermehren und zu überleben.6
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Derzeitige Situation in Deutschland
Aktuell besteht in Deutschland die Meldepflicht für Mykoplasmen-Infektionen in nur einem Bundesland: Sachsen. Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie gab es dort im Jahr 2018 (noch vor der Corona-Pandemie), 1238 gemeldete Fälle. Im Jahr 2023 stieg diese Zahl ungefähr auf 2019 Fälle an. Bis Mitte September 2024 wurden bereits 12.248 Infektionen registriert – was einer Verzehnfachung im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit entspricht.7
Weshalb gibt es derzeit vermehrte Infektionen?
Gemäß einem Bericht in der Fachzeitschrift „Lancet“ handelt es sich offenbar um einen sogenannten Nachholeffekt nach der Corona-Pandemie.8 So sollen Maßnahmen wie das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abstandsregeln während der Pandemie zu einem deutlichen Rückgang von Mykoplasmen-Infektionen geführt haben. Zusätzlich sollen die Kontaktbeschränkungen, aber auch strengen Hygienemaßnahmen die „Herdenimmunität“ der Bevölkerung geschwächt haben, was nun mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen einhergehe.