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Hoffnung für Betroffene

Forscher finden Möglichkeit, Magersucht mit einem bekannten Medikament zu behandeln

Magersucht Medikament
Betroffene von Magersucht leiden unter einer verzehrten Körperwahrnehmung – sie fühlen sich zu dick. Foto: Getty Images / vadimguzhva

9. Juli 2024, 20:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Magersucht verzeichnet eine der höchsten Sterberaten von allen psychiatrischen Störungen. Die Essstörung, bei der Betroffene exzessiv ihre Nahrungsaufnahme einschränken und Sport treiben – im festen Glauben zu dick zu sein – kann unbehandelt schwerwiegende gesundheitliche Folgen mit sich ziehen. Ein kanadisch-französisches Forschungsteam hat kürzlich jedoch einen Meilenstein erreicht: Sie entdeckten nicht nur einen neurologischen Mechanismus, der für die Krankheit verantwortlich sein könnte, sondern auch ein Medikament, welches diesem entgegenwirke.

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Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist Magersucht – auch Anorexia nervosa genannt – weniger verbreitet als Bulimie oder Binge-Eating.1 Allerdings können ihre Folgen besonders schwerwiegend sein: So liegt das Sterberisiko der Betroffenen fünfmal höher als jenes von nicht erkrankten Gleichaltrigen.2 Doch wie kann die Sucht überwunden werden? Forschende an der McGill University in Montreal konnten einen Neurotransmitter identifizieren, welcher offenbar eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen könnte. Und damit nicht genug, denn die Wissenschaftler entdeckten auch den passenden Gegenspieler: Ein Medikament, welches bisher bei Alzheimer verschrieben wurde.

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Wissenschaftler entdecken entscheidenden neurologischen Mechanismus

Im Fokus der Untersuchung stand ein Mechanismus im sogenannten Striatum, einem Bereich des Vorderhirns, welcher mit dem Belohnungssystem in Verbindung steht. Denn laut den Forschenden wurde bei Patienten mit Essstörungen (und auch bei Missbrauch von Substanzen) festgestellt, dass diese einen Polymorphismus in der Hirnregion aufweisen; also eine genetische Variation zu anderen Menschen, welche zu unterschiedlichen Eigenschaften oder Merkmalen der Person führen können.3

Essgestörte Mäuse weisen Mangel eines bestimmten Neurotransmitters auf

Bestimmte Neuronen (Nervenzellen) im Striatum sind dafür verantwortlich, den Neurotransmitter Acetylcholin zu regulieren – ein Botenstoff im Nervensystem. Bei Mäusen, welche mit dem oben genannten Polymorphismus gezüchtet wurden, offenbarte sich jedoch ein Mangel an Acetylcholin. Durch die Verknüpfung des Striatums mit dem Belohnungssystem kann dieser Mangel zu einer übermäßigen Gewohnheitsbildung führen und das zwanghafte Hungern von Anorexie-Betroffenen auslösen.

Alzheimer-Medikament kann Mangel aufheben

Es gibt jedoch ein Medikament auf dem Markt, welches bekanntermaßen den Abbau des Neurotransmitters vermindert und so die Konzentration von Acetylcholin im Gehirn erhöht: Donepezil. Bisher wurde es zur symptomatischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz genutzt.4

Die Wissenschaftler überprüften, ob die Gabe des Medikaments einen Einfluss auf das zwanghafte Verhalten der essgestörten Mäuse haben könne. Der leitende Autor der Studie Dr. Salah El Mestikawy, Psychiatrieprofessor an der McGill University, berichtet in einer Pressemitteilung der Universität vom Erfolg der Studie: „Wir haben festgestellt, dass sich das Anorexie-ähnliche Verhalten bei Mäusen vollständig umkehrte, und wir glauben, dass es möglicherweise die erste Mechanismus-basierte Behandlung von Anorexia nervosa darstellen könnte. Tatsächlich sehen wir die Auswirkungen bereits bei einigen Patienten mit dieser Krankheit.“5

Auch interessant: Erfahrungsbericht – So habe ich meine Magersucht überwunden

Erste Untersuchungen mit Menschen laufen bereits

Laufende unabhängige Studien der Psychiaterin Dr. Leora Pinhas zeigen erste positive Ergebnisse bei der Behandlung von zehn Patienten mit chronischer, behandlungsresistenter Magersucht. So berichtete Pinhas auf einem Symposium dieses Jahres. Die Patienten erhielten Donepezil in niedrigen Dosen. Durch das Medikament konnten drei der Patienten volle Remission erreichen. Bei den übrigen sieben Patienten zeigen sich eine deutliche Verbesserung ihrer Magersucht.6

Für die Zukunft sind bereits klinische Doppelblindstudien geplant, bei welcher Patienten entweder das Medikament oder ein Placebo einnehmen werden. Durchgeführt werden sie noch dieses Jahr an der Columbia University, der Denver University und dem Hôpital Sainte-Anne in Paris.

Wann wird das Medikament für Magersucht zugelassen?

Auch wenn sich nach dem geglückten Tierversuch sogar Erfolge beim Menschen zeigen, kann eine Zulassung des Medikaments für die Behandlung von Magersucht noch auf sich warten lassen. Dr. El Mestikawy betont, dass es zwischen klinischen Tests und der behördlichen Zulassung mehrere Jahre dauern kann, bis ein neues Medikament zur Behandlung von Magersuchtpatienten eingesetzt werden kann.

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Könnten auch andere Krankheiten mit zwanghaftem Verhalten behandelt werden?

„Wir vermuten auch, dass sich Donepezil auch bei anderen Zwangserkrankungen wie Zwangsstörungen und Süchten positiv auswirken kann. Daher sind wir aktiv auf der Suche nach Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Psychiatern auf der ganzen Welt, um diese Möglichkeiten auszuloten“, positioniert sich El Mestikawy tatkräftig.

Allerdings betont El Mestikawy auch, dass Donepezil zahlreiche Nebenwirkungen mit sich bringe. Diese betreffen sowohl die Muskulatur als auch den Magen-Darm-Trakt. Daher arbeiten die Forscher der McGill University und der Sorbonne Université gemeinsam an einem neuartigen Medikament, welches weniger Nebenwirkungen aufweist.

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Quellen

  1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Wie häufig sind Essstörungen? (aufgerufen am 09.07.2024) ↩︎
  2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Magersucht. (aufgerufen am 09.07.2024) ↩︎
  3. Favier, M., Martin Garcia, E., Icick, R. et al. (2024). The human VGLUT3-pT8I mutation elicits uneven striatal DA signaling, food or drug maladaptive consumption in male mice. Nature Communication. ↩︎
  4. Gelbe Liste. Donepezil. (aufgerufen am 09.07.2024) ↩︎
  5. McGill University. A treatment for anorexia nervosa? (aufgerufen am 09.07.2024) ↩︎
  6. iaedp Foundation. New Developments in Treating Compulsive Repetitive Behaviors in Eating Disorders. (aufgerufen am 09.07.2024) ↩︎
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