23. September 2024, 4:03 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Wenn man von Wechseljahren spricht, werden damit meist Frauen in der Lebensmitte assoziiert. Doch können eigentlich auch Männer in die Wechseljahre kommen? FITBOOK hat bei dem Urologen Dr. Christoph Pies nachgefragt.
Mit dem Begriff „Wechseljahre“ meint man die hormonellen Veränderungen, die während der Menopause bei Frauen – meistens zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr – stattfinden. Diese führen im späteren Verlauf zum Ausbleiben der Periode und somit zur Unfruchtbarkeit. Weil Männer in der Regel bis ins hohe Alter noch Kinder zeugen können, wird allgemein angenommen, dass sie keine Wechseljahre haben. Schließlich wurde Schauspiellegende Charlie Chaplin mit 73 noch Vater, Robert de Niro mit 79 Jahren und Al Pacino sogar mit 83 Jahren! Doch Fruchtbarkeit bzw. Unfruchtbarkeit ist nicht das einzige Merkmal von Wechseljahren. Deswegen erklärt FITBOOK, warum auch Männer eine Form der Wechseljahre erleben können.
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Übersicht
Warum Männer meist keine richtigen Wechseljahre erleben
Altersbedingt verändert sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern der Hormonhaushalt. Bei Frauen sinkt ab etwa dem 40. Lebensjahr die Hormonproduktion in den Eierstöcken. Dabei wird die Produktion der weiblichen Sexualhormone Progesteron und Östrogen stark reduziert. Das kann zu Symptomen wie Schweißausbrüche und Hitzewallungen, Schwindelgefühle, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Gewichtszunahme oder dünnere Haare führen.1
Auch Männer erleben einen hormonellen Umschwung. Denn schon ab dem 30. Lebensjahr sinkt langsam die Produktion des männlichen Sexualhormons Testosteron um etwa ein bis zwei Prozent jährlich ab.2 Allerdings geschieht es nicht derart rapide wie bei Frauen. Deswegen werden die Symptome oft nicht bemerkt oder äußern sich deutlich milder. Zudem ist es meist nicht mit einer Unfruchtbarkeit verbunden. Daher wird beim Mann meist nicht von Wechseljahren gesprochen. Das schließt jedoch nicht aus, dass auch sie unter bestimmten Voraussetzungen Anzeichen für Wechseljahre zeigen können.
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Wann Männer eine Art Wechseljahre erleben
Auch, wenn bei Männern nicht offiziell von Wechseljahren gesprochen wird, steht wie beschrieben fest, dass auch sie in der Lebensmitte körperliche Veränderungen durchmachen. Für diese Phase werden Begriffe wie „Andropause“, „PADAM“ (partielles Androgendefizit des alternden Mannes) oder „Klimakterium des Mannes“ verwendet. Diese beschreiben eigentlich einen altersbedingten Testosteronmangel beim Mann. Dabei kann sich dieser durch ähnliche Symptome wie bei Frauen in den Wechseljahren äußern:
- Libidoverlust
- Antriebsschwäche
- Muskelabnahme und Kraftverlust
- Gewichtszunahme (insbesondere am Bauch)
- Stimmungsschwankungen
- dünner werdende Körperbehaarung
„Insgesamt sind über 65 Symptome beschrieben, die typischerweise in dieser Lebensphase auftreten können. Fragebögen wie die „Aging Males’ Symptom Scale“ (AMS) oder die „Hypogonadism Related Symptom Scale“ (HRS) bilden die wichtigsten dieser Symptome systematisch ab. Es werden dabei die Kategorien körperliches, psychisches und sexuelles Wohlbefinden abgefragt.“, erklärt Dr. Pies, der ein Fachbuch zum Thema „Männliche Wechseljahre“ („Männer Ü 50“) veröffentlicht hat, auf FITBOOK-Nachfrage.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sind in Deutschland lediglich drei bis fünf Prozent der Männer über 60 von einem echten Testosteronmangel betroffen.3 Deswegen gebe es keine Wechseljahre des Mannes, so die DGE.
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Diese Faktoren beeinflussen den Beginn und die Schwere der Symptome
„Beginn und Schwere hängen sehr von Lebensstilfaktoren ab! Insbesondere unsere Ernährung, das soziale Umfeld, Schadstoffeinflüsse wie Tabak, Alkohol und Medikamente, Giftstoffe in unseren Nahrungsmitteln oder der Atemluft sowie körperliche Aktivität haben sehr großen Einfluss. Wichtigste Risikofaktoren für die Entwicklung eines manifesten Testosteronmangels sind Übergewicht, chronische Erkrankungen und ein schlechter Allgemeinzustand. Sofern der Hormonmangel allein durch unsere Lebensweise bedingt ist, kann er auch durch eine Änderung der Gewohnheiten und eine angemessene Behandlung der Begleiterkrankungen wieder beseitigt werden. Einige Männer mit anhaltenden Symptomen können von einer Testosteronbehandlung profitieren“, sagt der Experte.
Was sind die Hauptursachen für die männlichen Wechseljahre?
Organische Ebene
„Im strengen hormonellen Sinne gibt es die Wechseljahre des Mannes nicht! Es ist eher ein schleichender Prozess. Der Psychotherapeut Jed Diamond beschreibt es in seinem Buch ‚Der Feuerzeichen-Mann‘ so: ‚Die Frauen fallen von der Klippe in den Abgrund, während die Männer ganz langsam den Hügel hinunterrollen.‘ Tatsächlich nimmt schon ab dem 45. Lebensjahr die Testosteronkonzentration im Blut um etwa 0,4 bis ein Prozent pro Jahr ab. Dieser geringen Abnahmetendenz des Testosteronspiegels mit zunehmendem Alter steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass die Abnahme von Mann zu Mann sehr unterschiedlich ist (wir Mediziner sagen: Die Streuung der Werte nimmt zu). Im Klartext heißt das: Als hochbetagter Mann können Sie durchaus einen genauso hohen Testosteronspiegel haben wie ein Jugendlicher. Wenn Sie denn etwas dafür tun“, erklärt Dr. Pies die körperlichen Veränderungen bei alternden Männern.
Psychische Ebene
Auch auf psychischer Ebene sind Männer (und natürlich auch Frauen) in der Lebensmitte mit speziellen Herausforderungen konfrontiert. „Während die Jugend bestimmt ist von der Hoffnung auf einen guten Job und eine glückliche Ehe, ahnen Menschen in der Lebensmitte, dass dieser Optimismus vielleicht ein wenig übertrieben war. Einige der Wünsche werden sich wahrscheinlich nicht mehr erfüllen. Ablesbar ist das an der höchsten Rate an Scheidungen und Suiziden in dieser Lebensphase. Die Enttäuschung konzentriert sich somit in der Lebensmitte, statistisch um das 47. Lebensjahr herum. Im Alter nimmt die Zufriedenheit dann trotz der körperlichen Alterungsprozesse wieder zu (sogenannte „U-Kurve des Glücks“ oder das „Zufriedenheitsparadoxon“)“, so der Experte.
Was Männer dagegen tun können
Im Unterschied zu Frauen können Männer etwas gegen ihre durch Testosteronmangel ausgelösten „Wechseljahre“ unternehmen und sie sogar rückgängig machen. Dabei haben sie zwei Stellschrauben: den Lebensstil ändern und mit einer Hormontherapie gegensteuern.
Oft reicht es schon, gesünder zu leben, um die Testosteronproduktion anzukurbeln. Dabei hilft insbesondere sportliche Aktivität. Mit Ausdauersport lässt sich etwa ungesundes Bauchfett loswerden. Kraftsport wiederum wirkt dem Muskelabbau entgegen und steigert die Hormonproduktion. Auch eine gesunde Ernährung, weniger Stress im Alltag und ein guter Schlaf verbessern nicht nur die allgemeine Gesundheit, sondern auch den Hormonhaushalt.
Falls all das nicht hilft, kann unter ärztlicher Aufsicht eine Hormontherapie erfolgen. Durch die Einnahme von Testosteron-Präparaten kann der Mangel behoben werden.
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Vorbeugende Maßnahmen oder Lebensstiländerungen zur Linderung oder Verzögerung der Symptome
Laut dem Experten gibt es einige Möglichkeiten, wie man die Symptomatik lindern oder sogar verzögern kann: „Schon das Beachten von nur vier der folgenden Empfehlungen hebt die Chancen für einen intakten Testosteronspiegel. Wenn man es sogar schafft, alle Empfehlungen zu beachten, hat man nahezu einen garantierten Schutz gegen Testosteronmangel. Und als Bonus erreicht man eine enorme Steigerung der Lebensqualität, selbst die Lebenserwartung kann um bis zu 14 Jahre steigen. Was jedoch so einfach und einleuchtend klingt, wird in der Realität leider viel zu selten umgesetzt.“ So entspreche nach seinen Worten nur etwa jeder zehnte Mann allen folgenden Kriterien:
- nicht rauchen
- mehr als drei Stunden Sport pro Woche
- weniger als sechs alkoholische Getränke pro Woche
- mehr als dreimal Fisch und weniger als sechsmal Fleisch pro Woche
- weniger als 5 g Salz pro Tag
- wenig und nur fettarme Milch
- mindestens acht Stunden schlafen
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Womöglich steckt eine „Midlife-Crisis“ dahinter
Wenn Männer das Gefühl haben, sich in einer Art „Wechseljahre“ zu befinden, können, wie bereits erwähnt, auch die psychische Faktoren eine große Rolle spielen. Dies führt dann zur berühmten „Midlife-Crisis“. Dieser Begriff beschreibt eine Sinnkrise, die viele Männer in der Mitte ihres Lebens spüren, meist zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr. Es ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die zu einer Midlife-Crisis führen. Der Verlust an Vitalität und Attraktivität, die Konfrontation mit jüngeren Generationen, eine negative Lebensbilanz, verfehlte Ziele oder keine Ziele für die Zukunft, Unzufriedenheit in der Partnerschaft, hormonelle Veränderungen und gesundheitliche Beschwerden – all das kann eine Sinnkrise auslösen.
Wie die gesetzliche Krankenversicherung AOK berichtet, kann sich eine Midlife-Crisis durch folgende Symptome äußern:4
- ein verstärktes Konkurrenzdenken
- negatives Selbstbild
- die plötzliche Beschäftigung mit Krankheit und Tod
- Fokussierung auf Gesundheit und Aussehen
- gesteigerte Reizbarkeit
- ungewöhnliche Spontaneität
- der Hang zur Abschottung
- extremes Verhalten wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Affären, Glücksspiel, hohe Risikobereitschaft
Für Betroffene ist es wichtig, wertgeschätzt zu werden, Verständnis entgegengebracht zu bekommen und eine positive Bestärkung zu erfahren. Dadurch können sie wieder ein besseres Selbstwertgefühl entwickeln und die Krise überstehen. Allerdings können das Außenstehende manchmal nicht leisten. Wer also eine Sinnkrise erlebt und keine Freude mehr am Leben empfindet, sollte auf eine therapeutische Begleitung setzen.