18. Juli 2023, 4:31 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Die Lunge gehört zu den wichtigsten Organen im Körper, denn sie versorgt uns permanent mit Sauerstoff. Während wir der Gesundheit anderer Organe wie Herz und Gehirn viel Aufmerksamkeit schenken, um Erkrankungen vorzubeugen, wird die Lunge häufig vernachlässigt. Dabei gibt es durchaus Wege, die Gesundheit speziell dieses Organs zu fördern. FITBOOK-Autor Martin befragte den Pneumologen und Autor Dr. Ehlers, wie wir die Lunge schützen und stärken können.
Wie verwundbar die Lunge ist, hat uns in den vergangenen Jahren die Corona-Pandemie vor Augen geführt. Denn bei einem schweren Verlauf von Covid-19 entwickelten viele Patienten ein akutes Lungenversagen. In diesem Fall half nur noch eine künstliche Beatmung, da der Mensch ohne genügend Sauerstoff nicht überleben kann. Das hat uns auf teils dramatische Weise gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns um unsere Lunge kümmern. Wie das geht, beschreibt der Pneumologe und Autor Dr. Martin Ehlers in seinem Buch „Neustart für die Lunge“. Wir wollten im Interview von dem Experten wissen, wie man die Lunge schützen und stärken kann.
Übersicht
FITBOOK: Herr Dr. Ehlers, in Ihrem Buch erklären Sie, wie man das lebenswichtige Organ reinigen, stärken und sogar verjüngen kann. Wie kommt es, dass es ausgerechnet zu diesem wichtigen Organ so wenige Ratgeber gibt?
Dr. Martin Ehlers: „Das ist tatsächlich überraschend, denn die Lunge hat eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit und das Wohlbefinden des modernen Menschen. Offensichtlich wurde aber die Lunge und ihre herausragende Rolle lange übersehen. Erst durch die Pandemie ist in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Verwundbarkeit dieses absolut lebenswichtigen Organs gestiegen. Vielleicht waren wir Pneumologen in der Vergangenheit zu zurückhaltend, die Relevanz der Lungengesundheit für ein breites Publikum zu verdeutlichen. Mit meinem Buch möchte ich nun möglichst vielen Menschen einen Instrumentenkoffer an die Hand geben. Damit können sie ihre Lungengesundheit verbessern und optimieren.“
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Mit Acetylcystein die Bronchien reinigen
Viele Menschen beschäftigt seit der Pandemie die Fragen: Wie kann ich meine Lunge schützen und stärken? Und wie kann ich sie nach einer Corona-Infektion bei der Regeneration unterstützen?„Nach einer Corona-Infektion sind die Lungenbläschen, das Lungengewebe und die Bronchialschleimhaut geschwächt und angegriffen. Das heißt, diese müssen nun aktiv gestärkt werden. Zum Beispiel können Sie dies durch Nahrungsmittel mit direkter positiver Wirkung auf die Lunge wie Tomaten, Äpfel, Kurkuma, Zwiebeln, Ingwer und deren Inhaltsstoffen unterstützen. Indirekt können Sie die Lunge mit der Einnahme von Präbiotika und Probiotika über die sogenannte Darm-Lungen-Achse stimulieren.“
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Hilft es, viel zu trinken?
„Auf jeden Fall! Die Bronchialschleimhaut sollten Sie bitte schön feucht halten, indem Sie die Zufuhr von stillem Wasser deutlich steigern. Zum Beispiel ein Liter zusätzlich pro Tag. Darüber hinaus können Sie mit Acetylcystein (NAC bzw. ACC) die Bronchien reinigen, indem der Schleim stärker verflüssigt wird. Übrigens ist dies zugleich eine Anti-Aging-Maßnahme für die Lunge durch einen erhöhten Glutathion-Spiegel. Glutathion ist ein Enzym und besteht aus drei unserer lebenswichtigen Aminosäuren: Cystein, Glycin und Glutaminsäure.“
Gib es auch Übungen, die gut für die Lunge sind?
„Ja, wichtig sind sanfte Dehnübungen – gern mithilfe einer Faszienrolle – die den Brustkorb öffnen und so eine verbesserte Belüftung der Lunge gewährleisten. Dann in die Sauna gehen! Hohe Temperaturen wirken in der Lunge antibakteriell, antiviral und antimykotisch. So kann der Schleim insbesondere nach einem Sauna-Aufguss leichter abgehustet werden.“
Was bringen Spaziergänge?
„Vor allem mit einem Spaziergang am Meer pflegen Sie aktiv durch salzhaltige Aerosole die Bronchialschleimhaut. Aber auch mit dem aus Japan bekannten ,Shinrin Yoku‘, dem sogenannten Waldbaden, können Sie mithilfe der Phytoncide, das sind die Abwehrstoffe in der Waldluft, aktiv die Lungengesundheit verbessern.“
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Wie Brokkoli und Petersilie die Lunge schützen und stärken
Ein anderes wichtiges Thema: Insbesondere Menschen, die in Großstädten leben, machen sich Sorgen wegen der Luftverschmutzung und den negativen Auswirkungen auf ihre Lunge. Wie kann man seine Lunge vor einer Schadstoffbelastung schützen?
„Diese Sorgen sind leider berechtigt. So hat die EU-Umweltagentur aktuell Zahlen veröffentlicht, wonach in Europa 300.000 vorzeitige Todesfälle durch die Luftverschmutzung, also Stickstoffdioxid, bodennahes Ozon und Feinstaubpartikel, verursacht wurden.
Eine wunderbare Methode, sich hiervor zu schützen, ist zum Beispiel der gesteigerte Verzehr von Brokkoli. So konnte in Studien nachgewiesen werden, dass dessen Inhaltsstoff Sulforaphan das Gen NRF2 aktiviert, welches die Lunge vor den Angriffen durch die Luftverschmutzung schützt. Amerikanische Forscher konnten dies bei Bewohnerinnen und Bewohnern einer industriell geprägten Region in China bestätigen. Bei den Teilnehmenden der Studie, die täglich Brokkoli zu sich nahmen, waren deutlich schützende Effekte nachweisbar.“
Welche anderen Lebensmittel sind nachweislich gut für die Lunge?
„Neben Brokkoli stärken zum Beispiel auch Tomaten als wertvolle Lycopin-Quelle in allen Altersgruppen die Lungenfunktion. Allgemein gilt übrigens, dass ein gesteigerter Obst- und Gemüseverzehr zu einer reduzierten Lungenkrebsgefahr führt. Asiatische Wissenschaftler konnten dabei den schützenden Effekt dem Inhaltsstoff Apigenin zuordnen. Apigenin kommt besonders in Petersilie, Kamille, Weintrauben, Sellerie, Kirschen und Äpfeln vor. Also öfter mal ein Löffel frische Petersilie übers Essen streuen, das freut und schützt die Lunge!“
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Vorsicht bei Sport in der Großstadt
Ist Sport eigentlich immer gut für die Lunge oder kann man auch seine Lunge beim Sport schädigen?
„Sport ist grundsätzlich gesund und steigert die pulmonale Reserve, also die Atemleistung, die wir manchmal extra abrufen. Zum Beispiel bei Infekten. Beim Sport sind aber einige Grundregeln zu beachten. Da die Lunge mit ihrer großen inneren Oberfläche in direktem Kontakt zur Außenwelt steht, sollte kein Sport in engen, stark befahrenen Straßenschluchten und in der Nähe von industriellen Anlagen gemacht werden. Ebenso sollte Sport bei Infekten der Lunge vermieden werden, da eine bereits erfolgte Schädigung der Bronchialschleimhaut verschlimmert werden kann.
Gerade in den Wintermonaten ist weiter zu beachten, dass sportliche Betätigung bei sehr kalten Außentemperaturen geübt sein muss. Dies ist insbesondere bei Asthmatikern nicht unproblematisch und relevant! Nasenatmung ist bei Sport im Freien hier wichtig, um die Luft zu erwärmen und auch zu filtern.“
Neue Erkenntnisse zur Darm-Lungen-Achse
In Ihrem Buch schreiben Sie auch über die sogenannte Darm-Lungen-Achse? Was hat es damit auf sich?
„Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass auch die Lunge eine eigene bakterielle Besiedlung, also ein eigenes Mikrobiom besitzt. Dieses Lungen-Mikrobiom hat genau wie das Darm-Mikrobiom sehr wichtige Aufgaben für die Integrität und Stabilität des jeweiligen Organs, also für dessen reibungsloses Funktionieren und dessen Abwehrleistung gegen Viren und Bakterien. Hierbei müssen wir uns vor Augen führen, dass sich im Darm etwa 70 Prozent unserer Immunzellen befinden und dass die Lunge mit ihrer großen inneren Oberfläche von etwa 100 Quadratmetern der Hauptort für unzählige Angriffe von unserer Außenwelt ist.
Hochinteressant und erst seit etwa drei bis vier Jahren ist belegt, dass das Darm-Mikrobiom und das Lungen-Mikrobiom miteinander über die sogenannte Darm-Lungen-Achse kommunizieren. Das bedeutet, die beiden wichtigsten Organe für unsere Abwehr gegen Angriffe von außen stehen tatsächlich in einer engen stetigen Verbindung, indem sie zum Beispiel ihre kurzkettigen Fettsäuren miteinander austauschen. Diese kurzkettigen Fettsäuren sind extrem wichtig für die Erhaltung und Stabilität der jeweiligen Schleimhaut von Lunge und Darm.“
Das klingt nach einer sehr spannenden Erkenntnis. Aber was bedeutet die Darm-Lungen-Achse praktisch?
„Ganz praktisch bedeutet dies für uns: Ernähre ich mich schlau, mit vielen sogenannten Prä- und Probiotika, und stärke so mein Darm-Mikrobiom, dann stärke ich zugleich meine Lungengesundheit. Da die potenten Organe Lunge und Darm sich häufig zu einem vertrauensvollen ‚tête-à-tête‘ treffen.“
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Öfter mal die Nasenatmung nutzen
In Ihrem Buch geben Sie dem Leser viele praktische Tipps zur Lungengesundheit. Können Sie uns abschließend einige verraten, mit denen man seine Lunge stärken und schützen kann?
„Eine ganz einfache, aber wirksame Methode ist es, im Alltag den Mund zu schließen und ausschließlich über die Nase ein- und auszuatmen. Also die sogenannte Nasenatmung. Das schützt sofort vor Angriffen von außen und harmonisiert die Atmung. Gerne den Oberkörper dehnen und strecken, das öffnet den Brustkorb und die Lunge. Ein wirksamer Tipp ist auch, einfach mal lustvoll zu seufzen, also tief einatmen und mit einem wohligen Geräusch ausatmen. Das belüftet die Lunge optimal und löst Verklebungen. Das ist noch zu steigern, wenn Sie dabei im Wald oder am Meer spazieren gehen. Diese Naturorte mit ihren besonderen Wirkstoffen haben eine sehr positive Wirkung auf die Lunge.“