6. Dezember 2024, 13:22 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Bei Lichen sclerosus handelt es sich um eine nicht-ansteckende, chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Sie macht sich durch Jucken oder Spannungsschmerzen auf der Haut im Genital- und Analbereich bemerkbar. Lichen sclerosus kommt in Schüben und ist nicht heilbar. Mit einer rechtzeitigen Diagnose und der richtigen Therapie lässt sich die Krankheit aber gut in Schach halten. FITBOOK-Autorin Doris Tromballa hat alles Wissenswerte zu der wenig bekannten Hauterkrankung zusammengetragen.
Viele haben von Lichen sclerosus noch nie etwas gehört. Fachleute vermuten: Auch deswegen liegen zwischen ersten Symptomen und der tatsächlichen Diagnose durchschnittlich fünf Jahre.1 „Lichen sclerosus“ kommt aus dem Griechischen – „Lichen“ bedeutet „Flechte“ und sclerosus „hart“ oder „trocken“. Und damit ist ein Teil des Krankheitsbildes schon gut beschrieben: Bei Lichen sclerosus bilden sich harte, trockene Knoten auf der Haut, vor allem im Genitalbereich oder am Anus.2 Im Folgenden erklärt FITBOOK, mit welchen Symptomen die Krankheit einhergeht, was man zu den Ursachen weiß und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
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Übersicht
Lichen sclerosus – Was ist das?
Lichen sclerosus ist eine Erkrankung der Haut – oder genauer gesagt: des Bindegewebes. Die sogenannten Fibroblasten – das sind Zellen, die Binde- und Narbengewebe aufbauen – sind dabei überaktiv bei der Kollagenproduktion. Kollagen ist eine Substanz, die unter anderem dafür sorgt, dass das Bindegewebe und die Haut elastisch und geschmeidig bleiben. Bei Lichen sclerosus kommt es allerdings zu einer sehr hohen Ablagerung von Kollagen an bestimmten Stellen im Gewebe. Das führt zu Verdickungen und Verhärtungen. Der Hautaufbau läuft nicht mehr normal und die Haut entzündet sich. Auf der Haut werden dann weiße, schuppige Flecken sichtbar. Gleichzeitig werden weniger feine Blutgefäße gebildet, was zur Folge hat, dass das das Gewebe schlechter durchblutet ist. Dadurch verhärtet und vernarbt die Haut. Betroffen sind vorwiegend der Genitalbereich und der Anus. Die Krankheit ist chronisch und kann bisher nicht geheilt werden.3
Wer ist betroffen?
Genaue Zahlen zu Lichen sclerosus gibt es nicht. Ein Grund dafür ist, weil die Krankheit zum einen in etwa ein Drittel der Fälle ohne die klassischen Symptome abläuft. Zum anderen wird sie oft falsch diagnostiziert.4 Klar ist bislang: Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, bei Männern und Frauen. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Lichen sclerosus ist nicht selten – man geht davon aus, dass jede 50. Frau mit der unheilbaren Hautkrankheit leben muss. Es ist die häufigste entzündliche Hauterkrankung der Vulva, die nicht durch Allergien oder Infektionen hervorgerufen wird.5
Symptome: Jucken und Hautveränderungen
Die Symptome von Lichen sclerosus unterschieden sich bei Frauen und Männern.
Bei Frauen
- Erst gerötete, später gelb-weißliche Hautveränderungen an Schamlippen und Klitoris, die Haut wird dünn und faltig, fast pergamentartig
- Heftiger Juckreiz
- Risse und blutige Stellen (oft durch das Kratzen verursacht, das den Juckreiz lindern soll, auch nachts, meist unbewusst)
- „8“-förmige rote Hautveränderungen um Vulva und Anus
- Schmerzen beim Sex
- Schwierigkeiten und Schmerzen beim Toilettengang, bei Kindern Verstopfung
Bei Männern
- Weißliche, verhärtete Stellen an der Penishaut (vor allem an Vorhaut und Eichel)
- Verengung der Vorhaut
- Schwierigkeiten und Schmerzen beim Toilettengang
- Erektionsstörungen, Schmerzen bei der Erektion
In der Regel treten nicht alle Symptome gleichzeitig auf – manche Frauen berichten, dass sie keinen Juckreiz spüren, dafür aber Brennen und Schmerzen nach dem Sex.
Auch wenn sich die Betroffenen meist sehr schämen, ist es wichtig, die Symptome anzusprechen, um Spätschäden zu vermeiden: Bleibt die Krankheit unbehandelt, können sich Hautablösungen, Verdickungen und Narben bilden, die zu dauerhaften Gewebeschäden führen.6 Bei Männern kann es zu einer Vorhautverengung, bei Frauen zu einer Verkleinerung der Scheidenöffnung kommen. Verwachsungen, wie im Bereich der Harnröhre, sind nur schwer operativ wieder rückgängig zu machen.7 Der Toilettengang wird zur Dauerqual, Sex kann gänzlich unmöglich werden. Außerdem erhöht eine unbehandelte Lichen-sclerosus-Erkrankung das Risiko für bestimmte Hautkrebsarten, wie dem Plattenephithelkarzinom.8
Bei bis zu 20 Prozent der Patienten tritt Lichen sclerosus außerhalb des Genitalbereichs auf. Betroffen sind dann vor allem die Oberschenkelinnenseiten, der Nacken, die Schultern sowie die Region unterhalb der Brüste.9
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Verlauf
Lichen sclerosus ist chronisch, und die Symptome treten überwiegend in Schüben auf: Es gibt Phasen, in denen über Jahre alles ruhig bleibt, und dann leiden die Betroffenen plötzlich wieder wochenlang an heftigem Juckreiz oder Schmerzen. Die Betroffenen müssen sich ein Leben lang mit der Krankheit auseinandersetzen.
Meistens beginnt die Krankheit bei Frauen in der Pubertät oder im Alter zwischen 50 und 60 Jahren. Allerdings gehen Forscher davon aus, dass das ein falsches Bild des Krankheitsbildes sein könnte: In einer Umfrage unter jüngeren Frauen mit Lichen sclerosus lag das Durchschnittsalter bei der Diagnose bei 32 Jahren, die ersten Symptome waren schon fünf Jahre früher aufgetreten.10 Bei Männern wurde die Erkrankung am häufigsten im Alter zwischen 30 und 40 Jahren oder nach Erreichen des 60. Lebensjahrs diagnostiziert.
Bei Lichen-sclerosus-Erkrankungen der Vulva wird in zwei Krankheitsstadien unterschieden. Details zeigt die folgende Tabelle:
Stadien von Lichen sclerosus der Vulva | ||
---|---|---|
Klinische Anzeichen | Grad 1 (leichte Veränderungen) | Grad 2 (starke Veränderungen) |
Hautveränderungen ähnlich einer Abschürfung | 1-2 kleine Hautveränderungen, fast nicht sichtbar | Sichtbare Hautveränderungen und/oder mehr als 2 zusammenfließende Stellen |
Verdickung der Haut | Betrifft den äußeren Intimbereich (Vulva) und den Damm (Bereich zwischen Scheide und After) bis zu 10% | Betrifft den äußeren Intimbereich und den Damm mehr als 10% |
Einrisse | Kleine Risse am hinteren Scheideneingang | Größere oder verbreitete Risse im äußeren Intimbereich |
Verklebung | Teilweise Verklebung der Klitoris und der inneren Schamlippen | Vollständige Verklebung der Klitoris und der inneren Schamlippen |
Verengung | Scheideneingang ist verengt, aber zwei Finger passen noch hindurch | Scheideneingang ist so stark verengt, dass weniger als zwei Finger hindurchpassen |
Gewebeschwund | Schrumpfung der inneren Schamlippen und der Klitoris | Innere Schamlippen und Klitoris nicht mehr sichtbar |
Mögliche Ursachen
Die Ursache für Lichen sclerosus ist nicht bekannt. Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Lichen sclerosus nicht heilbar. Das sind die gängigen Theorien zum Krankheitsursprung:
Autoimmunreaktion
Viele Forscher gehen davon aus, dass Lichen sclerosus eine Autoimmunerkrankung ist.11 Das Immunsystem greift dabei die eigenen Hautzellen an, was zu Entzündungen und den typischen Hautveränderungen führt. Weiterhin wurde festgestellt, dass vor allem Lichen-sclerosus-Patientinnen oft auch noch andere Autoimmunerkrankungen haben, wie rheumatoide Arthritis oder Hashimoto-Thyreoiditis.12
Hormonelle Faktoren
Bei Frauen tritt Lichen sclerosus besonders häufig in der Pubertät oder nach der Menopause auf. Der Krankheitsursprung könnte in Zusammenhang mit einer Veränderung des Östrogenspiegels stehen.
Genetische Veranlagung
Auch eine genetische Veranlagung ist wahrscheinlich: Ungefähr 12 Prozent der Patienten mit Lichen sclerosus haben Verwandte mit derselben Krankheit.13
Trauma
Auch mechanische Reize (Kratzen, enge Kleidung), chirurgische Eingriffe oder sexueller Missbrauch in der Kindheit könnten ein Trigger für die Erkrankung sein.14
Diagnose
Die Diagnose erfolgt meist in der gynäkologischen oder dermatologischen Praxis. In der Regel wird dabei eine gründliche Untersuchung der betroffenen Hautstellen vorgenommen. Dabei werden die Stellen mit einem Auflichtmikroskop betrachtet. So können die charakteristischen Veränderungen im Bindegewebe am besten erkannt werden. Oft werden von den Symptomen Fotos gemacht, um später den Therapieerfolg bewerten zu können.15
Hautveränderungen bei Lichen sclerosus | |
---|---|
Hautveränderungen | Bedeutung und Aussehen |
Weißliche, flache Stellen | Zeichen für dünne oder verhärtete Haut, oft in frühen Krankheitsstadien. Diese weißen Stellen treten häufig mit kleinen Mitesser-ähnlichen Öffnungen auf. |
Veränderte Blutgefäße | Unregelmäßige, sichtbare Gefäße, die wie Kommata, Haarnadeln oder Punkte aussehen. Sie deuten auf erweiterte Blutgefäße in dünner Haut hin und sind typisch für frühe Krankheitsstadien. In manchen Fällen sind auch farbige Blutungen sichtbar. |
Mitesser-ähnliche Öffnungen | Kleine Verstopfungen in den Haarfollikeln, die in frühen Stadien vorkommen. Ein spezieller Farbstoff-Test kann helfen, sie besser sichtbar zu machen. |
Graublaue Punkte | Diese Punkte entstehen durch Zellen, die Farbpigmente aufnehmen, und befinden sich in den oberen Hautschichten oder um Haarwurzeln herum. |
Rosetten (vier Punkte) | Vier kleine weiße Punkte, die wie ein Kleeblatt angeordnet sind. Diese können bei verschiedenen Krankheiten vorkommen, z. B. Lichen planus, Hautreaktionen auf Kälte oder Sonnenlicht, und manchmal auch bei Hautkrebs. |
Weiße, glänzende Linien | Glänzende, weiße Linien. Sie kommen eher in späteren Krankheitsstadien vor und können auch bei Narben, anderen Hauterkrankungen oder Hautkrebs vorkommen. |
Zur Sicherung der Diagnose wird manchmal eine Biopsie, also eine kleine Hautprobe aus einer betroffenen Stelle entnommen. Diese Untersuchung kann wichtig sein, um im Zweifelsfall andere Erkrankungen wie Vitiligo, eine Candida-Infektion oder Hautkrebs auszuschließen.
Auch die bisherige Krankheitsgeschichte (Vorerkrankungen, Erkrankungen der Familie, bestehende Autoimmunleiden etc.) wird ausführlich thematisiert. Dazu wird über die allgemeine Lebensqualität und mögliche Beeinträchtigungen beim Sex gesprochen.
Behandlung
Die gute Nachricht: Auch wenn Lichen sclerosus nicht heilbar ist, lässt sich die Erkrankung gut behandeln. Das Ziel ist, Beschwerden zu lindern und weitere Hautschäden zu verhindern. Für eine sichere Diagnose und eine erfolgreiche Behandlung ist es empfehlenswert, sich an Ärzte oder Ärztinnen zu wenden, die Erfahrung mit dieser Erkrankung haben. Selbsthilfegruppen können hier mit Adressen weiterhelfen.
Kortisonsalben
Nach gesicherter Diagnose erfolgt in der Regel eine ein- bis dreimonatige tägliche Behandlung mit einer starken Kortisonsalbe, damit die Entzündungen abklingen können. Danach entscheidet Arzt oder Ärztin, ob eine Verlängerung der Therapie notwendig ist oder die Hautpartien sich so gut regeneriert haben, dass Pflege mit milder Seife und parfümfreien Feuchtigkeitscremes ausreicht. Wichtig sind lebenslange, regelmäßige Kontrollbesuchen beim Facharzt oder der Fachärztin, um bei Schüben oder beginnenden Anzeichen die sichere Anwendung der Salben oder weitere Therapieschritte zu besprechen.
Calcineurin-Inhibitoren
Bei Kortison-Unverträglichkeiten ist auch eine Therapie mit Salben möglich, die sogenannte Calcineurin-Inhibitoren enthalten. Das sind Medikamente, die dafür sorgen, dass bestimmte Immunzellen (T-Lymphozyten) weniger aktiv werden. Diese Immunzellen spielen eine große Rolle bei Entzündungen, die zum Beispiel bei Allergien oder Hautkrankheiten auftreten. Sie sorgen dafür, dass Entzündungsstoffe freigesetzt werden. Das äußert sich dann in Symptomen wie Juckreiz und Rötungen. Wenn Calcineurin blockiert wird, können die Immunzellen ihre Arbeit nicht mehr so gut machen, und die Entzündung wird verringert.16 Bisher gilt aber eine Kortison-Therapie als wirksamer.
Operationen
Ist die Krankheit schon weit fortgeschritten, können Operationen der Vulva, eine Harnröhren-OP oder eine Beschneidung der Penis-Vorhaut nötig sein.
Licht, Laser, Ultraschall
Eine Licht-Behandlung mit UVA1-Strahlen kann bei Lichen sclerosus helfen, wenn die Krankheit nicht den Genitalbereich betrifft. Die birgt allerdings das Risiko, dass sich Hautkrebs entwickeln kann.17
Die photodynamische Therapie (PDT) ist eine Behandlungsmethode, bei der eine spezielle Creme auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen wird. Die Wirkstoffe in dieser Creme machen die Zellen empfindlicher gegenüber Licht. Nach der Anwendung wird das behandelte Gebiet mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, was dazu führt, dass die Zellen zerstört werden. Dies hilft, Entzündungen zu verringern und Wunden zu heilen. Bei Lichen sclerosus wird PDT manchmal verwendet, um starken Juckreiz zu lindern, besonders wenn andere Therapien nicht geholfen haben. Allerdings wirkt PDT nicht immer und die Behandlung kann Nebenwirkungen wie ein Brennen auf der Haut verursachen.
Bei schwerem oder weitverbreitetem Lichen sclerosus können hoch dosierte Kortisontabletten und andere Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems unterstützend zum Einsatz kommen.
Es gibt auch eine Lasertherapie, die helfen kann, die Symptome von Lichen sclerosus zu lindern. Studien zufolge ist diese Behandlung aber nicht für alle Patienten wirksam. Deswegen werden die Laser oft in Kombination mit anderen Behandlungen angewendet.
Eine Therapie mit fokussiertem Ultraschall wird vor allem bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Sie kann den Juckreiz lindern und hilft, geschädigtes Gewebe zu reparieren. Es gibt jedoch auch Nebenwirkungen wie Blasenbildung oder Hautverbrennungen. Deswegen kommt der Ultraschall in der Regel nur zum Einsatz, wenn andere Behandlungen nicht helfen.
Auch eine Therapie mit Eigenblut (mit einem hohen Anteil an Thrombozyten/Blutplättchen) wird angeboten. Das soll helfen, Entzündungen zu reduzieren und das beschädigte Gewebe zu regenerieren. Für die Wirksamkeit dieser Therapie gibt es jedoch bisher nicht genügend wissenschaftliche Untersuchungen.18
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Was können Betroffene selbst tun?
Aber auch als Betroffener selbst kann man etwas tun, damit die Symptome abgemildert oder Schübe vermieden werden: Grundsätzlich sollten die Patienten reizende Substanzen wie parfümierte Produkte vermeiden und stattdessen milde Seifen oder Feuchtigkeitscremes verwenden. Nach dem Toilettengang sollte die Haut vorsichtig abgetrocknet und mit einer parfümfreien Feuchtigkeitspflege eingecremt werden. Zudem können Gleitmittel bei schmerzhaftem Geschlechtsverkehr helfen. Auch ist es besser, lockere Kleidung statt enge Shirts und Hosen zu tragen, damit kein Stoff an der Haut reibt.19
Langfristig ist es entscheidend, die Haut regelmäßig selbst zu kontrollieren, das Rauchen aufzugeben (um das Krebsrisiko zu senken) und regelmäßig zur Kontrolle zu gehen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass Betroffene psychologische Unterstützung brauchen – die Erkrankung kann sehr belastend sein. Das kann in einer Therapie geschehen oder in einer Selbsthilfegruppe.