19. Juli 2024, 16:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Humane Immundefizenz-Virus, kurz HIV, ist ein weltweit verbreitetes Virus, das das Immunsystem der Menschen angreift und vor allem stark schwächt. Eine Behandlung ist möglich, allerdings stellt sie aus verschiedenen Gründen ein Herausforderung dar. Forschern ist nun eine Überraschung geglückt – und das mit Lama-Antikörper.
Die Suche nach einem Heilmittel gegen HIV ist schon seit Jahren ein wichtiges Thema in der Wissenschaft. Forscher der Georgia State University in den USA um den Biologen Professor Jianling Xu haben eine Strategie zur Bekämpfung von HIV-1 mithilfe von Lama-Antikörper entwickelt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Advanced Science publiziert.1
Übersicht
Wie weit ist die Forschung zur HIV-Therapie?
HIV wurde in den 1980er-Jahren entdeckt und entwickelte sich seitdem zu einer weltweiten Erkrankung. Millionen von Menschen waren und sind betroffen, auch hierzulande. In der Regel wird HIV hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, kontaminierte Bluttransfusionen, gemeinsam genutzte Injektionsnadeln und von Mutter zu Kind während der Geburt oder Stillzeit übertragen. Ohne Behandlung kann eine HIV-Infektion zum AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) führen, welches das Endstadium einer HIV-Infektion ist.
Während sich die Entwicklung einer wirksamen Impfung bislang schwierig gestaltet, ist die Forschung zur HIV-Therapie weit gekommen. Es gibt inzwischen Tabletten, die die HIV-Vermehrung im Körper wirksam unterdrücken und Infizierte können mit solchen Medikamenten gut und lange leben.2 Laut der Deutschen Aidshilfe kommen auch regelmäßig neue Medikamente mit neuen Wirkmechanismen oder Anwendungsformen dazu. Doch HIV-Therapien sind teuer – laut Hexal liegen sie für einen Patienten zwischen 14.000 und 21.000 Euro pro Jahr.3
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Forscher setzen auf Lama-Antikörper gegen HIV
Auf der Suche nach alternativen, starken Antikörpern gegen HIV für die Behandlung oder gar Heilung haben Forscher nun Fortschritte gemacht durch den Einsatz von sogenannten „Nanobodies“, die von Lamas stammen. Nanobodies sind Antikörperfragmente, die zehnmal kleiner und vor allem flexibler sind als menschliche Antikörper. Dadurch erkennen sie Viren besser, erreichen sie auch an schwer zugänglichen Stellen und töten sie ab. Nanobodies werden auch Schwertketten-Antikörper genannt und aus Kamelen, Alpakas und Lamas gewonnen.
Professor Jianling Xu und sein Team von der Georgia State University impften ein Lama mit einer speziellen Version des HIV-1-Proteins, welches das Virus nachahmt. Nach mehreren Impfungen produzierte das Immunsystem des Lamas kleine, sehr stabile Antikörperfragmente – die Nanobodies. Nanobodies töten beziehungsweise neutralisieren HIV-1-Antigene, indem sie sich an das Hüllprotein „Spike“ binden, das das Virus nutzt, um in gesunde Wirtszellen einzudringen, und so die Infektion stoppen.
Verbesserte Nanobodies konnten 96 Prozent der HIV-1-Stämme neutralisieren
Xu und sein Team identifizierten dann Nanobodies, die anfällige Stellen des Virus angreifen können. Anschließend veränderten die Wissenschaftler die Nanobodies so, dass sie dreifach hintereinander angeordnet sind. Diese neuen Nanobodies waren erstaunlich wirksam und konnten 96 Prozent der verschiedenen HIV-1-Stämme neutralisieren.
Tatsächlich hat nicht nur die Behandlung von HIV, sondern auch die Heilung oberste Priorität bei der Entwicklung eines Heilmittels. Der Ansatz beziehungsweise das Ergebnis der Forscher ist definitiv vielversprechend. „Diese Nanobodies sind die bisher besten und effektivsten neutralisierenden Antikörper. Ich glaube, dass sie eine sehr vielversprechende Zukunft für die HIV-Behandlung und die Antikörperforschung bieten“, wird Doktorand Payton Chan zitiert, der am Projekt mitgewirkt hat.
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Charité Berlin gelang erneut eine HIV-Heilung
Die Heilung von HIV ist nach wie vor schwer bis kaum möglich. Weltweit sollen es nicht einmal zehn Menschen sein.4 In Deutschland gibt es inzwischen drei HIV-Heilungen. Die letzte gelang an der Berliner Charité, wie am 18.07.2024 bekannt wurde.5 Dieser Patient – ein 60-Jähriger, der 2009 positiv auf HIV getestet worden war, hatte eine Stammzellentransplantation erhalten. Seit fünf Jahren würden Tests auf das HI-Virus negativ ausfallend. Dieser zuletzt geheilte Patient macht Forschern besonders Hoffnung, weil er – anders als die anderen – keine Stammzellspende mit einer Genmutation brauchte.