27. Mai 2024, 4:31 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Zu viele Süßigkeiten zu essen, ist generell nicht gesund. Doch vor allem Lakritz sollte offenbar mit Vorsicht genossen werden. Seit einigen Jahren bereits weiß man, dass der Konsum des Süßholzerzeugnisses gefährliche Folgen haben kann. Und wie eine Studie zeigt, ist dies potenziell bereits ab sehr geringen Mengen der Fall. Was Lakritz im Körper bewirkt und welche Personengruppen besonders betroffen sind, erfahren Sie hier.
Süß, salzig und bitter – für diese charakteristische Geschmackskombination lieben Lakritz-Fans die schwarzen Schnecken und Stangen. Bei der Herstellung von Lakritz wird Süßholzwurzelsaft u. a. mit Stärke und tierischer oder pflanzlicher Gelatine sowie ggf. bestimmten Aromastoffen vermischt. Klar, es kommt auch eine gewisse Menge an Zucker bzw. Zuckersirup hinein, damit sich das Ganze als Nascherei qualifiziert. Doch dies ist es nicht (nur), was den Konsum von Lakritz gefährlich machen kann. Vielmehr warnen Forscher vor einem Inhaltsstoff in Lakritz, dem eigentlich auch gewisse gesundheitliche Vorteile zugesprochen werden. Auch zwei Experten warnen im Gespräch mit der „dpa“ vor einem übermäßigen Verzehr – insbesondere bei bestimmten Personengruppen.
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Übersicht
Eine Säure in Lakritz gilt als Heilmittel – ist jedoch auch gefährlich
Verantwortlich für den typischen Lakritzgeschmack ist Glycyrrhizin, ein Stoff aus dem Süßholzwurzelsaft. Diese Säure hat eine deutlich höhere Süßkraft als weißer Haushaltszucker. Glycyrrhizinsäure wird seit Jahrtausenden in der Medizin verarbeitet, da sie die Abwehrkräfte stärken und eine heilsame Wirkung auf u. a. Entzündungsprozesse im Körper sowie die Leberwerte haben soll. In der richtigen Dosierung soll Glycyrrhizinsäure schleimlösend, antibakteriell, antiviral und antioxidativ wirken können. Deshalb wird Süßholzextrakt auch für die Herstellung von Husten- und Magenmedikamenten genutzt.
Doch viel hilft viel, gilt in diesem Fall nicht. So warnt bereits seit Jahren das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor gesundheitlichen Nebenwirkungen (z. B. Bluthochdruck) durch zu hohen Lakritzkonsum.1
Und wie eine dänische Studie nahelegt, drohen diese offenbar bereits ab deutlich geringeren Mengen als bislang angenommen.
Studie aus Dänemark untersuchte die Wirkung von Lakritz
In Skandinavien ist Lakritz sehr beliebt, so auch in Dänemark. Dort sind 2023 in einer gemeinsamen Untersuchung Mitarbeiter der Lebensmittelbehörde und der Technical University of Denmark den potenziellen Gefahren der Süßigkeit auf den Grund gegangen.2 Als Grundlage diente dabei, dass bereits frühere Studien „eindeutig nachteilige gesundheitliche Auswirkungen nach übermäßigem Lakritzkonsum gezeigt“ haben. Um kein entsprechendes Risiko einzugehen, sollte man demnach eine Glycyrrhizinsäure-Zufuhr von täglich 100 Milligramm nicht überschreiten. Doch wie viel Lakritz kann man bedenkenlos naschen, um unterhalb dieser Grenzen zu bleiben?
Lakritz enthält oft zu hohe Mengen Glycyrrhizinsäure
Nicht viel, wie sich zeigte. Denn bei der Analyse von rund 219 Lakritz-Produkten stellte das Forscherteam fest, dass die meisten davon hohe Mengen an Glycyrrhizinsäure enthalten. Demnach würden bereits kleinste Portionen von etwa vier Gramm Süßwaren genügen, um die empfohlene Höchstzufuhr der Säure zu überschreiten (100 Milligramm pro Tag). Um sich das besser vorstellen zu können: Eine einzige Lakritzschnecke wiegt bereits ca. elf Gramm.
Das Ganze sei besonders problematisch, da immerhin bei zehn Prozent der untersuchten Produkte ein entsprechender Warnhinweis fehlte. Vor allem Menschen mit Herz-Kreislauf-Vorbelastungen sollten um die entsprechenden Gefahren wissen. Das betonte Studienleiter Nicolai Zederkopff Ballin im Gespräch mit einem dänischen Wissenschaftsportal „Videnskab“.3 Er fordert mehr Aufklärungsarbeit auf diesem Gebiet.
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Was genau macht Lakritz gefährlich?
Christian Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für Pharmazeutische Biologie an der Universität Greifswald äußert sich hierzu gegenüber der „dpa“: „Bei der Frage nach der Schädlichkeit von Lakritz muss man erst einmal zwischen Kinder- und Starklakritz unterscheiden.“
Und er gibt Entwarnung: „In Lakritz für Kinder ist kaum etwas vom potenziell schädlichen Stoff Glycyrrhizin enthalten.“ Es gibt in der EU einen festgelegten Grenzwert, der besagt, dass in 100 Gramm Produkt maximal 200 Milligramm Glycyrrhizin enthalten sein dürfen. Der genaue Gehalt muss auf der Verpackung zwar nicht angegeben werden. Doch der Verzehr von üblichen Mengen Kinderlakritz gilt als ungefährlich.
Die dunklen Schnecken enthalten viel Zucker
Die niedrigen Glycyrrhizingehalte in Kinderlakritz sollten trotzdem nicht als Einladung zum beherzten Naschen verstanden werden: „Was ich bezüglich der Zutaten von Kinderlakritz viel bedenklicher finde und was eigentlich immer übersehen wird, ist der hohe Zuckergehalt“, sagt Martin Smollich, Ernährungswissenschaftler und Pharmakologe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. Zucker ist immerhin die Hauptzutat in Lakritzprodukten.
Glycyrrhizin und Salmiak beeinflussen den Mineralstoffwechsel
Smollich ergänzt weiter, dass neben Zuckersirup auch oft Salmiak, also Ammoniumchlorid, hinzugefügt werde. „Kinder, aber auch erwachsene Risikogruppen, sollten vor allem deswegen auf einen übermäßigen Verzehr verzichten.“
Salmiak verleiht dem Lakritz den typischen, stechend salzigen Geschmack. Es ist vorwiegend in Erwachsenenlakritz enthalten. Es kann den Mineralhaushalt von Kindern stören, wie Schulze warnt. Übelkeit oder Erbrechen können die Folge sein.
Starklakritz enthält mehr Glycyrrhizin als Kinderlakritz. Ab einem Glycyrrhizingehalt über 200 Milligramm pro 100 Gramm gelten die Süßigkeiten als Starklakritz. Und dieses ist nicht nur für Kinder problematisch. „Bei Erwachsenen können höhere Dosen Glycyrrhizin und Salmiak im Körper eine Kette von Nebenwirkungen auslösen“, sagt Christian Schulze. Denn Glycyrrhizin wird im Körper zu Glycyrrhetinsäure abgebaut. Sie kann in den Nieren ein Ansteigen des Cortisolspiegels bewirken. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Mineralstoffwechsel, Natrium reichert sich an, der Kaliumspiegel sinkt ab. Smollich zählt eine Reihe von Folgen auf: „Der Blutdruck kann steigen, es können Wassereinlagerungen in den Gelenken und im Gesicht entstehen, außerdem kann es zu Muskelschwäche und einer Störung der Kaliumkonzentration im Blut kommen.“
Wer besonders wenig oder gar kein Lakritz essen sollte
Ältere und durch Krankheit vorbelastete Menschen sollten Lakritz allenfalls in sehr geringen Mengen zu sich nehmen. Bei Männern soll die schwarze Nascherei übrigens auf Dauer den Testosteronspiegel senken und somit Potenzprobleme begünstigen können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt Verbrauchern mit Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes auf den ständigen Verzehr größerer Mengen Lakritz verzichten. Das Gleiche gilt für Schwangere. Denn es soll Hinweise darauf geben, dass Glycyrrhizinsäure die körperliche und geistige Entwicklung des Embryos negativ beeinflussen kann.4
Ab welchen Mengen sich Lakritz auf die Gesundheit auswirkt
Das BfR empfiehlt, höchstens 100 Milligramm Glycyrrhizin am Tag zu sich zu nehmen. Laut Smollich seien gesundheitliche Auswirkungen jedoch erst ab einer ständigen Aufnahme von über 200 Milligramm täglich zu erwarten. „Um diesen Wert zu erreichen, müsste man täglich 200 Gramm handelsübliches Lakritz oder 25 bis 100 Gramm Starklakritz essen.“
Bei Menschen aus den genannten Risikogruppen kann es auch schon bei geringeren Mengen zu Problemen kommen, warnt der Experte. Wer auf der sicheren Seite sein will, nascht also nicht gleich die halbe Tüte, sondern nur einzelne Teile.
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US-Amerikaner starb 2020 an Lakritz-Überdosis
2020 machte ein Fall aus den USA in der Fachpresse Schlagzeilen.5 So sollte ein 54-jähriger Bauarbeiter aus Massachusetts drei Wochen lang täglich eineinhalb Tüten Lakritz zu sich genommen haben – und dann gestorben sein. Demnach hatte der Mann an Schüttelkrämpfen gelitten und sei immer wieder bewusstlos geworden, bevor er in einem Fast-Food-Restaurant endgültig zusammenbrach. Bei der Leichenuntersuchung wurde ein „Herzstillstand aufgrund eines Mineralokortikoiden-Überschusses durch übermäßigen Lakritzkonsum“ festgestellt.
Extremer Sonderfall
Wichtig ist zu betonen, dass der Mann einige gesundheitliche Vorbelastungen mitbrachte. Aufgrund seines angegriffenen Herzens war der Verzehr von Lakritz für ihn besonders gefährlich. Dem Fachbericht zufolge war er Kettenraucher, der in Vergangenheit Heroin konsumiert haben soll, und ernährte sich ausschließlich von Fast Food und Süßigkeiten. Weiterhin wurde bei der Leichenuntersuchung eine unbehandelte Hepatitis-C-Infektion festgestellt. Die hohe Zufuhr an Glycyrrhizinsäure hatte seinen Körper letztlich überlastet.
*mit Material von dpa