29. Januar 2025, 11:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ob als Kind, Erwachsener oder Senior: Übergewicht ist in jedem Alter schädlich. Bereits 2022 veröffentlichten Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums ihre Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Darmkrebs. Eine neue Analyse offenbart jedoch: Der Einfluss von Gewichtsproblemen wurde stark unterschätzt!
Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg hatten 2022 den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Darmkrebs erforscht. Ihr Fazit: Je länger ein Mensch übergewichtig ist, desto mehr steigt sein Risiko, an diesem speziellen Krebs zu erkranken. Doch das Ausmaß wurde möglicherweise stark unterschätzt! Welche Gründe Studienautor Hermann Brenner und sein Team dafür identifizierten und wie hoch die Zahlen tatsächlich sind, erfahren Sie hier.
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Übersicht
Auswertung der DACHS-Studie
Zu ihrem Ergebnis kamen die Forscher nach Auswertung von Daten der DACHS-Studie (DACHS = „Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening“). Dabei handelt es sich um eine der weltweit größten bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studien zum Darmkrebsrisiko. Durchgeführt wird sie am DKFZ. Seit 2003 befragen die Wissenschaftler dafür Patienten, die an Darmkrebs leiden, sowie zufällig ausgewählte gesunde Kontrollteilnehmer. Die Vergleichspersonen entsprechen den Darmkrebspatienten sowohl in Alter und Geschlecht als auch im Herkunftsort bzw. -landkreis.1
Zu viel Körpergewicht erhöht das Risiko für Darmkrebs
Bereits 2022 ermittelten Brenner und sein Team die Auswirkung von Übergewicht auf das Risiko für Darmkrebs, wofür die Teilnehmer nach ihrem Gewicht zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens seit ihrem 20. Lebensjahr befragt wurden. Anhand dieser Angaben errechneten die Wissenschaftler die Anzahl der Lebensjahre mit Übergewicht, also ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25. Zusätzlich wurde die Menge der überschüssigen Kilos, also ob es sich um leichtes Übergewicht (BMI von 25 oder höher) oder um schweres Übergewicht (BMI von 30 oder höher) handelte, berücksichtigt.
Beim Vergleich der Daten stellten die Forscher fest: Dauerhaft übergewichtige Menschen erkranken bis zu zweieinhalbmal häufiger an Darmkrebs als Menschen mit normalem Körpergewicht. Das Darmkrebsrisiko steigt also mit der Anzahl der Lebensjahre, in denen ein Mensch übergewichtig ist, sowie dem Ausmaß seines Übergewichts.2
Doch tatsächlich liegt diese Zahl neueren Erkenntnissen des Forschungsteams noch einmal höher! Bereits damals bemängelten sie, dass die meisten anderen Untersuchungen zum Thema Übergewicht und Darmkrebs das Körpergewicht der Teilnehmer nur ein einziges Mal während des Studienverlaufs in Betracht ziehen. „Unsere Überlegung war aber, dass es für das Darmkrebsrisiko eine noch größere Rolle spielen müsste, wie lange ein Mensch die überzähligen Kilos mit sich herumträgt“, erklärte der Epidemiologe Hermann Brenner vom DKFZ in einer damaligen Pressemitteilung.3 Und er sollte Recht behalten.
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Die Rolle von Übergewicht bei Darmkrebs wurde bislang unterschätzt
Die Wissenschaftler erklären zu Beginn ihrer Studie, dass frühere Forschungsarbeiten möglicherweise den Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem Risiko für Dickdarmkrebs unterschätzten, da wichtige potenzielle Verzerrungsquellen übersehen und deshalb nicht einbezogen wurden. Für ihre aktuelle Analyse verwendeten sie die Daten von 7.098 Darmkrebs-Patienten sowie 5.757 Kontrollpersonen.4
Drei wichtige Fehlerquellen
Brenner vermutete, dass drei wichtige Faktoren unberücksichtigt blieben. Dazu gehört einmal der Gewichtsverlust, zu dem es bei vielen Darmkrebspatienten bereits in den Jahren vor der Diagnose kommt. Außerdem wurden Patienten, die an einer Früherkennung mittels Darmspiegelung teilgenommen hatten, nicht immer sorgfältig ausgeschlossen. Werden hierbei Krebsvorstufen entdeckt, so werden diese in der Regel entfernt, wodurch die Wahrscheinlichkeit für Darmkrebs sinkt (und das Endergebnis verzerren kann). Als dritten Punkt führt er an, dass der BMI-Grenzwert von 25 für das Übergewicht zu niedrig sei, da das Risiko für Darmkrebs bereits bei niedrigeren Werten ansteige.
Risiko liegt wesentlich höher als bisher angenommen
Unter Einbezug dieser weiteren Störgrößen zeigte sich: Der sogenannte PAF-Wert (populationsattributable Fraktion) stieg auf 23,4 Prozent an. Das heißt, es gäbe in Deutschland knapp ein Viertel weniger Darmkrebserkrankungen, wenn alle Erwachsenen normal gewichtig wären.
Fettgewebe als Risikofaktor für die Entstehung von Krebs
Weil Fettgewebe permanent Hormone und entzündungsfördernde Substanzen abgibt, gilt Übergewicht als erheblicher Risikofaktor von Darmkrebs. Besonders schädlich ist ein erhöhtes Körpergewicht dann, wenn es über Jahrzehnte hinweg oder sogar bereits seit der Kindheit oder Jugend besteht. Damit erklärt sich der Zusammenhang zwischen dauerhaftem Übergewicht und dem erhöhten Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Je länger der Körper dem schädlichen Einfluss von Fettgewebe ausgesetzt ist, umso höher das Risiko, zu erkranken. Das betreffe auch andere Krebsarten wie Brust-, Gebärmutter, Nieren– oder Speiseröhrenkrebs, so die Forscher.
Einordnung der Studie
Es handelt sich bei der DACHS-Studie um eine Fall-Kontroll-Studie. Dieses Studiendesign vermag lediglich eine Korrelation festzustellen, jedoch keine Ursachen.
Die Stärken der vorliegenden Studie liegen in ihrem bevölkerungsbasierten Design, wodurch die Stichprobe repräsentativ ist. Zudem fand eine umfassende Kontrolle potenzieller Störfaktoren statt. Außerdem scheinen die Ergebnisse konsistent zu sein. Denn sie stimmen mit denen der UK-Biobank-Analyse überein – trotz unterschiedlicher Studiendesigns und analytischer Methoden.
Als Einschränkungen führen die Autoren einen „Auwahl-Bias“ an. Damit meinen sie, dass gesundheitsbewusstere und besser gebildete Personen überrepräsentiert sein könnten, was eine Überschätzung der mit Übergewicht verbundenen Risiken zur Folge haben könnte. Da die Daten zum Körpergewicht auf Selbstangaben basieren, ist auch ein „Erinnerungs-Bias“ möglich, wobei die Teilnehmer womöglich ihren BMI unterschätzten.
Von gutartiger Wucherung zum bösartigen Tumor Darmkrebs – Ursachen, Risikofaktoren und Vorsorge
Laut Studie Möglicher Grund, warum U50-Jährige Darmkrebs bekommen
Laut Studie Diese Volkskrankheit könnte das Darmkrebsrisiko erhöhen
Fazit
„Aus unserer Studie wird deutlich, dass das Übergewicht einen noch größeren Einfluss auf das Darmkrebsrisiko hat, als bislang angenommen“, erklärt Hermann Brenner. „Es ist zu vermuten, dass das auch für viele andere Erkrankungen gilt, für die das Übergewicht ein bekannter Risikofaktor ist. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, bereits im Kindes- und Jugendalter vorzubeugen, dass Übergewicht entsteht.“ Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt Eltern daher, durch ausreichend Bewegung, eine gesunde Ernährung, ein notwendiges Maß an Entspannung und einen kontrollierten Medienkonsum ein stabiles und gesundes Körpergewicht bei ihren Kindern zu fördern.5