14. Januar 2022, 21:13 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Bislang gab es für Patienten mit Arthrose keine Chance auf Heilung. Hat sich der Knorpel einmal abgebaut, reibt Knochen auf Knochen, die Folge sind starke Schmerzen. Wissenschaftler sind nun auf eine Möglichkeit gestoßen, wie das Wachstum von Knorpel durch elektrische Signale angeregt werden kann.
Allein in Deutschland leiden rund fünf Millionen Menschen unter den Folgen von Arthrose.1 Zwar können die Symptome gelindert und der Abbau des Knorpels durch Medikamente verlangsamt werden. Ein Heilmittel gibt es jedoch nicht. Denn Knorpel kann nicht künstlich ersetzt werden. Oft ist eine Operation die letzte Möglichkeit, wenn die Schmerzen unerträglich werden. Hoffnung machen nun die Forscher der University of Connecticut. Im Fachmagazin „Science Translational Medicine“ berichten sie von einer Methode, bei der elektrische Signale den Knorpel wachsen lassen können.
Übersicht
Knorpel wachsen lassen, statt transplantieren
Eine Transplantation ist eine mögliche Behandlungsform bei Arthrose. Das Problem: Bei einer Transplantation mit eigenem Knorpel wird gesundes Gewebe zerstört. Handelt es sich um fremden Knorpel, ist die Gefahr groß, dass dieser vom eigenen Körper abgestoßen wird. Die beste Möglichkeit: Knorpel im geschädigten Gelenk selbst nachwachsen lassen. Doch derartige Versuche scheiterten bislang an der Stabilität des nachgewachsenen Gewebes, wie Thanh Nguyen von der University of Connecticut in einer Pressemitteilung berichtet: „Der nachgewachsene Knorpel verhält sich nicht wie nativer Knorpel. Er bricht unter der normalen Belastung des Gelenks.“2
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Elektrische Signale fördern Wachstum
Bei ihrem neuesten Versuch setzten die Forscher deshalb auf das Phänomen der Piezoelektrizität. Wenn man Material mit dieser Eigenschaft zusammendrückt, erzeugt es einen kleinen elektrischen Stromstoß. Der Wissenschaftler Yang Liu erklärt: „Studien haben gezeigt, dass Knorpel auf elektrische Stimulation reagiert. Elektrische Felder fördern die Geweberegeneration.“3 Die Wissenschaftler entwickelten deshalb ein Gerüst aus Nanofasern, das bei mechanischer Belastung elektrische Spannung erzeugt. Das Gewebegerüst besteht aus dem biologisch abbaubaren Stoff PLLA, das z.B. zum Vernähen von Operationswunden genutzt wird. In einer Zellkultur konnte das Gerüst aus Nanofasern neuen Knorpel wachsen lassen.
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Anschließend wurde das Nanofaser-Kniegelenk Kaninchen implantiert, die an Knorpelschäden litten. Diese waren mit Arthrose vergleichbar. Nach vier Wochen absolvierten die Tiere eine Trainingseinheit auf einem Laufband. Durch das Stauchen und Dehnen des Implantats entstand ein schwaches elektrisches Feld. Nach weiteren vier Wochen Training wurde der Zustand der Knorpel untersucht. Das Ergebnis: „Schon ein einmonatiges Training führte zu einer erheblichen Knorpelheilung und ließ kaum Raum für weitere Verbesserungen“, so die Forscher.
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Fazit
Die Wissenschaftler hoffen, der Heilung von Arthrose und Knorpelschäden damit ein Stück näher gekommen zu sein: „Piezoelektrizität ist ein Phänomen, das auch im menschlichen Körper existiert. Knochen, Knorpel, Kollagen, DNA und verschiedene Proteine haben eine piezoelektrische Reaktion. Unser Ansatz zur Heilung von Knorpel ist in hohem Maße klinisch übertragbar, und wir werden die damit verbundenen Heilungsmechanismen untersuchen.“
Quellen
- 1. Deutsche Arthrose-Hilfe e.V. Was ist Arthrose? (aufgerufen am 14.1.22)
- 2. U Conn Today. Regrowing Cartilage in a Damaged Knee Gets Closer to Fixing Arthritis. (aufgerufen am 14.1.22)
- 3. Thanh D. Nguyen, Yang Liu, et. al. (2022). Exercise-induced piezoelectric stimulation for cartilage regeneration in rabbits. Science Translational Medicine.