16. Oktober 2024, 13:49 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Besonders im Herbst locken Wald und Wiesen zum Pilzesammeln an. Doch wenn man selbst gesammelte Pilze verzehrt, muss man auch die Gefahren im Blick behalten. Ein aktueller Vorfall zeigt, wie gefährlich eine Verwechslung von Speisepilzen mit ihren giftigen Doppelgängern sein kann: In der Essener Uniklinik liegen drei Kinder mit einer akuten Pilzvergiftung, sie schweben in Lebensgefahr. Behandelt werden sie wegen akuten Leberversagens – typisch bei Knollenblätterpilzen. Welche frühen Anzeichen einer Pilzvergiftung es gibt und was in diesem Fall zu tun ist, lesen Sie hier.
Viele Menschen zieht es an goldenen Herbsttagen in die Natur, um Pilze zu sammeln und die gefundenen Schätze als Risotto oder Pilzpfanne zu genießen – vorausgesetzt, es handelt sich ausschließlich um Speisepilze, die im Korb landen. Allerdings haben viele essbare Pilze einen gefährlichen Doppelgänger, wie den Grünen Knollenblätterpilz oder den Gifthäubling. Bereits kleine Mengen dieser giftigen Sorten sind ausreichend, um lebensbedrohliche Vergiftungen herbeizuführen.1 Ein Toxikologe verrät, was im Verdachtsfall zu tun ist und ob schon das bloße Anfassen eines Giftpilzes kritisch sein kann. Insbesondere widmen wir uns den Anzeichen einer Vergiftung mit dem Knollenblätterpilz, der in Deutschland für 90 Prozent aller tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen verantwortlich ist.
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Übersicht
- Häufigkeit von Pilzvergiftung in Deutschland
- Verbreitete Irrtümer rund ums Pilzesammeln
- Experte rät von Pilz-Buch oder Pilz-Apps zur Bestimmung ab
- Was tun, wenn man einen Giftpilz angefasst hat?
- Mehr als 15 Pilzsyndrome in Deutschland
- Warum Vergiftungen mit dem Knollenblätterpilz in Deutschland so häufig sind
- Anzeichen einer Vergiftung mit dem Knollenblätterpilz
- Giftpilz gegessen – und nun?
- So wird eine Pilzvergiftung behandelt
- Warum auch Speisepilze Übelkeit verursachen können
- Quellen
Häufigkeit von Pilzvergiftung in Deutschland
Laut dem Deutschen Ärzteblatt wurden zwischen 2000 und 2018 in Deutschland insgesamt 4.412 Fälle gemeldet, die stationär aufgrund der toxischen Wirkung verzehrter Pilze behandelt werden mussten. Dabei kam es zu 22 Todesfällen.2
Verbreitete Irrtümer rund ums Pilzesammeln
Um eine Pilzvergiftung zu vermeiden, sollten Sie in erster Linie nicht Ihr eigenes Wissen überschätzen. „Es gibt leider immer noch Leute, die mit sehr rudimentären Pilzkenntnissen in den Wald gehen und dort Pilze sammeln“, sagte Martin Ebbecke, klinischer Toxikologe und Leiter des Giftinformationszentrums GIZ-Nord der dpa 2023. Rund um das Pilzesammeln gibt es so einige Irrtümer, die schnell lebensgefährlich werden können. „Zum Beispiel der, dass ein Pilz nicht giftig sein kann, wenn es daran Fraßspuren vom Wild gibt – das stimmt nicht“, so Ebbecke.
Experte rät von Pilz-Buch oder Pilz-Apps zur Bestimmung ab
Hilfsmittel zur Pilzbestimmung sind sicher sinnvoll, doch auch hier rät der Experte: „Einem Pilz-Buch oder einer Pilz-App sollte man nicht sein Leben anvertrauen.“ Denn bei der Unterscheidung zwischen Gift- und Speisepilz kommt es manchmal auf Details an, die ein Foto gar nicht abbilden kann.
Kritisch äußert sich auch die Deutsche Gesellschaft für Mykologie: Ein Foto reiche bei Weitem nicht aus, um eine Freigabe für den sicheren Verzehr geben zu können. Auch der Geruch oder die Festigkeit des Pilzes spielen für die verlässliche Bestimmung eine Rolle.
Was tun, wenn man einen Giftpilz angefasst hat?
Hier gab der Toxikologe Entwarnung. „Einen Giftpilz bloß anzufassen – da sehe ich keine Gefahr einer schweren Vergiftung. Auch dann nicht, wenn man danach ohne Händewaschen eine Scheibe Brot isst.“ Laut Ebbecke müsse man den Pilz schon in gewissen Mengen verzehren, um eine Vergiftung zu erleiden.
Mehr als 15 Pilzsyndrome in Deutschland
Je nachdem, welcher Giftpilz verzehrt wurde, können sich die Symptome unterscheiden. „In der Medizin sprechen wir von sogenannten Pilzsyndromen, also von Vergiftungserscheinungen, die bei Pilzen mit ähnlichen Inhaltsstoffen vorkommen“, sagte Martin Ebbecke. In Deutschland gibt es mehr als 15 solcher Pilzsyndrome.
Warum Vergiftungen mit dem Knollenblätterpilz in Deutschland so häufig sind
Der Knollenblätterpilz ist ein extrem gefährlicher Giftpilz. Und leider auch einer, der bis in den Oktober hinein besonders häufig zu finden ist. Das Problem ist: Laien können den Knollenblätterpilz schnell mit einem weißen Champignon verwechseln – und den Grünen Knollenblätterpilz mit einem Täubling.
Laut der medizinischen Hochschule Hannover ist der Knollenblätterpilz in Deutschland für mehr als 90 Prozent der tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen verantwortlich – schon ein einzelner normaler großer Pilz kann bei Verzehr tödlich sein.3 Im schlimmsten Fall hilft dann nur noch eine Lebertransplantation. Aktuell kämpfen drei Kinder an der Uniklinik in Essen ums Überleben, BILD berichtet.
Anzeichen einer Vergiftung mit dem Knollenblätterpilz
„Das Tückische am Knollenblätterpilz: Menschen, die eine Vergiftung überlebt haben, sagen, dass er ein sehr schmackhafter Speisepilz war“, sagt Ebbecke. Erst nach zwölf Stunden schlägt der Pilzgenuss in einen Alptraum um. „Er verursacht heftigste Magen-Darm-Probleme, also Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle“, beschreibt der Toxikologe. Ohne Behandlung droht ein Leberversagen und damit der Tod.
Anzeichen einer Vergiftung mit dem Karbol-Champignon
Es gibt auch andere Pilze, die heftige Magen-Darm-Beschwerden verursachen: etwa der Karbol-Champignon, der genießbaren Champignons fast identisch ist. Bei ihm setzen Erbrechen und Durchfall bereits kurz nach dem Verzehr ein. Laut Ebbecke kann das bereits nach einer Stunde der Fall sein. Dem einen oder anderen könnte aber schon bei der Zubereitung der Verdacht kommen, dass er kein Speisepilz ist. „Der Karbol-Champignon hat einen chemischen Geruch“, beschreibt Ebbecke.
Anzeichen einer Vergiftung mit dem Pantherpilz
Die möglichen Symptome sind vielfältig, je nach Pilz: Für den Pantherpilz etwa listet die Deutsche Gesellschaft für Mykologie als Symptome Rauschzustände, Gehstörungen und Krampfanfälle auf. Es besteht die Gefahr, ins Koma zu fallen. Die ersten Anzeichen setzen hier bereits wenige Minuten nach dem Verzehr ein.
Anzeichen einer Vergiftung mit dem orangefuchsigen Raukopf
Beim Orangefuchsigen Raukopf zeigen sich Anzeichen für schwere Nierenschäden – das aber erst Tage nach dem Verzehr: Der Durst ist groß, die Nieren schmerzen und der Körper produziert keinen Urin mehr. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Mykologie kann es zwei bis 21 Tage dauern, bis sich Symptome zeigen.
Welche Pilze gefährliche Doppelgänger haben, zeigen unsere Kollegen von myHomebook mit drei interessanten Grafiken. Hier geht’s zum Artikel.
Giftpilz gegessen – und nun?
Ebbecke rät, sich in das nächste Krankenhaus zu begeben. „Am besten denkt man noch daran, Putzreste oder übrige Exemplare der Pilze mitzunehmen.“ Denn die Art der Behandlung hängt davon ab, welchen Giftpilz man verzehrt hat.
Jeder Anhaltspunkt, welcher Pilz da auf dem Teller gelandet sein könnte, hilft den Ärzten weiter. „Allein von der ersten Symptomatik sicher darauf zu schließen, um was für einen Giftpilz es sich handelt – das geht nicht“, erklärt der Experte.
Beratung gibt es auch bei den regionalen Giftnotrufzentralen, die rund um die Uhr besetzt sind. Eine einheitliche Notrufnummer gibt es nicht, jedoch gibt es einen Überblick vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf seiner Webseite.4
Auch interessant: Besonders gesunde Pilze erkennt man an der Farbe
So wird eine Pilzvergiftung behandelt
„Für den Knollenblätterpilz existiert ein Gegengift – eine Substanz, die verhindert, dass die Leber die Gifte des Knollenblätterpilzes aufnimmt“, sagt Ebbecke. Beim Pantherpilz, der auf das Nervensystem einwirkt und für Halluzinationen sorgen kann, kommen sedierende, also beruhigende Medikamente zum Einsatz.
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Warum auch Speisepilze Übelkeit verursachen können
Obwohl Sie sich sicher sind, dass nur Speisepilze auf Ihrem Teller waren, wird Ihnen übel. Grund dafür könnte eine unechte Pilzvergiftung sein. „Bei einer echten Pilzvergiftung hat man einen Pilz mit giftigen Inhaltsstoffen gegessen“, erläutert Ebbecke. Eine unechte Pilzvergiftung hingegen liege dann vor, wenn ein eigentlich genießbarer Pilz verdorben war. Auch dann kann der Körper mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden reagieren.
„Pilze sind sehr eiweißreich. Eiweiße neigen allerdings dazu, schnell zu verderben und werden also durch Bakterien zersetzt“, erklärt Martin Ebbecke. Das kann übrigens auch mit den Pfifferlingen aus dem Supermarkt passieren. Sind die Pilze schleimig oder machen auch nur den Eindruck, nicht mehr genießbar zu sein, gilt also: lieber entsorgen.
Zu Magen-Darm-Beschwerden kann es übrigens auch dann kommen, wenn man Pilze in größeren Mengen roh isst. „Sicherlich dürfen ein paar Champignons in den Salat oder einige rohe Steinpilz-Scheiben auf das Gericht“, sagt der Experte. „Aber prinzipiell sollte man Pilze sorgfältig garen.“
Was es in der Küche auch zu beachten gilt: Durch das wiederholte Erhitzen können Pilzgerichte ebenfalls zu Magenverstimmungen führen. Deshalb sollten sie gut erhitzt und direkt verzehrt werden. Weitere Lebensmittel, die nicht mehrfach erhitzt werden sollten, finden Sie in diesem Artikel.
*mit Material von dpa