25. April 2024, 16:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Weltweit wird an Alzheimer geforscht, denn die degenerative Nervenerkrankung ist bislang nicht heilbar. Wissenschaftler versuchen die Mechanismen dahinter zu entschlüsseln, um wirksame Therapien zu entwickeln. Eine aktuelle Studie liefert Hinweise, dass eine ketogene Ernährung Alzheimer-Patienten helfen könnte. Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten.
Man schätzt, dass Alzheimer mit einem Anteil von rund 60 bis 65 Prozent die häufigste irreversible Demenzform ist.1 Sie trifft meist Menschen ab einem Alter von 65 Jahren, wobei mit steigendem Alter die Anzahl der Betroffenen stark zunimmt. Gefürchtet ist die Erkrankung unter anderem deswegen, weil sie zunächst schleichend mit leichten Erinnerungslücken und Sprachaussetzern beginnt und im Laufe von Monaten oder Jahren zum Verlust des Gedächtnisses, des Orientierungsvermögens und der Sprache führt. Von außen betrachtet schwindet die Persönlichkeit der Betroffenen und ihre Selbstständigkeit. Sie sind auf Hilfe von außen angewiesen. Bis heute ist die Krankheit nicht heilbar, lediglich der Verlauf lässt sich ein wenig verlangsamen. Hierbei könnte laut einer Studie eine ketogene Ernährung helfen. Die Ernährungsform ist jedoch nicht ganz unumstritten und steht im Verdacht, andere Krankheiten zu begünstigen. FITBOOK hat sich die Studie genauer angesehen und geht auch auf die Kritikpunkte ein.
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Übersicht
- Forscher untersuchten den Einfluss der Ernährung auf Alzheimer bei Ratten
- Die „Alzheimer-Ratten“ wurden auf ketogene Ernährung umgestellt
- Studienautorin: »Bei Personen mit genetischer Anfälligkeit kann Ernährungsumstellung den Alzheimer-Ausbruch verlangsamen oder abmildern
- Warum das Potenzial der ketogenen Diät Einschränkungen hat
- Quellen
Forscher untersuchten den Einfluss der Ernährung auf Alzheimer bei Ratten
Es gibt neue Hoffnung für Alzheimer-Patienten: Eine spezielle Ernährungsform könnte das Fortschreiten des chronischen Nervenabbaus ausbremsen. Dies haben amerikanische Forscher von der „University of California“ in einer aktuellen Studie an Ratten herausgefunden.2
Hierfür verwendeten die Forscher ein sogenanntes TgF344-AD-Ratten-Modell. Diese besonderen Ratten werden mit einer spezifischen Genmutation gezüchtet, um die Alzheimer-Krankheit zu simulieren. Die Ratten weisen somit ähnliche Veränderungen auf wie Personen, welche an Alzheimer erkrankt sind.
„Die TgF344-AD-Ratte zeigt Veränderungen in einem breiten Spektrum von mit der Alzheimer-Krankheit zusammenhängenden Pathologien. Das Ziel unserer Studie war es, festzustellen, ob potenzielle Vorteile einer ketogenen Diät in einem Rattenmodell auftreten und sich somit allgemeine Veränderungen auch auf artverwandte Lebewesen übertragen lassen“, erklärt die Hauptautorin der Studie, Jennifer Rutkowsky, gegenüber dem Fachportal „Medical News Today“. Es sei ein üblicher Vorgang in der Wissenschaft, die Studienergebnisse bei einer Spezies, wie in dem Fall Nagetieren, auf eine artverwandte Spezies (den Menschen) zu übertragen.
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Die „Alzheimer-Ratten“ wurden auf ketogene Ernährung umgestellt
Für die Studie wurden die gezüchteten „Alzheimer-Ratten“ im Alter von sechs Monaten in drei Gruppen unterteilt.
- Die erste Gruppe wurde weiterhin wie gewohnt mit einer Mischkost gefüttert.
- Die zweite Gruppe wurde auf eine strikt ketogene Ernährung umgestellt. Ketogen heißt, stark kohlenhydratreduziert, was oft auch als Low Carb bezeichnet wird.
- Die dritte Gruppe erhielt teilweise ketogenes Futter. Eine der beiden Tagesmahlzeiten war gemischt wie bei Gruppe 1, während die zweite Mahlzeit ketogen ausfiel wie bei Gruppe 2.
Die Forscher fanden zunächst heraus, dass die Ratten der Gruppe 1 (ketogene Ernährung) und Gruppe 2 (teilweise ketogene Ernährung) nach sechs Monaten keinen Unterschied beim räumlichen Lerngedächtnis sowie der motorischen Koordination im Vergleich zu Gruppe 1 (normale Kost) aufwiesen. Allerdings zeigten die Ratten aus Gruppe 1 und 2 niedrigere Cholesterinwerte auf als die Ratten aus Gruppe 3. Zudem fand sich im Blut der weiblichen Ratten auf Keto-Diät deutlich weniger des Tau-Proteins, das als einer der Auslöser von Alzheimer gilt. Bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer und Demenz bilden sich veränderte Formen des Tau-Proteins, die sich im Gehirn ablagern und die Funktion der Nervenzellen (und damit die Gehirnfunktionen) schädigen.3
Studienautorin: »Bei Personen mit genetischer Anfälligkeit kann Ernährungsumstellung den Alzheimer-Ausbruch verlangsamen oder abmildern
Die Studie zeige, so Rutkowsky, dass eine ketogene Diät die Blutfettwerte drastisch gesenkt habe und sich die Tau-Werte im Blut weiblicher Mäuse signifikant verringert hatte. Laut der Forscherin deutet das darauf hin, „dass bei Personen mit einer genetischen Anfälligkeit für die Alzheimer-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium eine Ernährungsumstellung dazu beitragen kann, einige Aspekte des Ausbruchs bzw. des Fortschreitens der Krankheit zu verlangsamen oder abzumildern“. Zudem habe die kohlenhydratarme Ernährung auch andere Aspekte der Gesundheit bei den Ratten verbessert.
Dennoch gibt die Forscherin zu bedenken, das man die Ergebnisse noch an Menschen validieren muss, um zu prüfen, ob eine langfristige ketogene Ernährung den Verlauf von Alzheimer verlangsamen kann.Eine solche Studie wäre jedoch schwierig, da es Personen brauche, die bereit wären, sich für einen langen Zeitraum (womöglich sogar Jahre) kohlenhydratarm zu ernähren – kein leichtes Unterfangen.
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Warum das Potenzial der ketogenen Diät Einschränkungen hat
Obwohl die ketogene Ernährung seit Jahren angepriesen wird, gibt es Hinweise darauf, dass eine langfristige kohlenhydratarme Ernährung krank machen kann. Insbesondere Menschen, die pflanzliche Nahrung durch viel Fleisch und tierische Produkte ersetzen, können Mangelerscheinungen entwickeln. Das schreiben Forscher, die 2021 für eine Meta-Analyse 123 Studien untersucht hatten (FITBOOK berichtete).4 Laut den Wissenschaftlern liefern Low-Carb-Diäten oft wenig Thiamin, Folat, Vitamin A, Vitamin E, Vitamin B6, Kalzium, Magnesium, Eisen und Kalium. Zudem fehlen oft auch wichtige Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Dies ist besonders für den Darm ungünstig und kann zu Beschwerden führen.
Zudem stellten die Forscher fest, dass eine kohlenhydratarme Ernährung, die auf viel Fleisch und Fleischprodukte setzt, Herz- und Nierenerkrankungen, Diabetes und sogar Krebs begünstigt. Bei Alzheimer zeigen sich zunächst positive Effekte einer ketogenen Ernährung, die jedoch mit der Zeit abnehmen, konstatieren die Forscher. Stattdessen gebe es Hinweise, dass der Verzehr von viel Fleisch, Eiern, fettreichen Milchprodukten wie Butter und Käse das Alzheimer-Risiko sogar erhöhen soll.