
12. März 2025, 16:20 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Kauen ist eine alltägliche Funktion, die oft unterschätzt wird – doch könnte sie einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Eine neue Studie aus Japan untersuchte mögliche Folgen, die mit einem Muskelabbau der Kaumuskulatur einhergehen können.
Die Kaumuskulatur wird aus vier Muskeln im Kopfbereich gebildet: dem großen Kaumuskel, dem Schläfenmuskel sowie dem inneren und äußeren Flügelmuskel. Diese ermöglichen es, dass man den Mund Öffnen und Schließen kann. Und auch zu Gleitbewegungen beim Zubeißen und Zerkleinern der Nahrung leisten sie einen erheblichen Beitrag. Da mit zunehmendem Alter aber die Muskelkraft abnimmt, verringert sich auch die Fähigkeit, Nahrung effizient zu kauen. Diese Einschränkung könnte weitreichendere Folgen haben als bisher angenommen. Eine aktuelle Studie aus Japan untersuchte erstmals geschlechtsspezifisch, wie eine schwache Kaumuskulatur mit der körperlichen Leistungsfähigkeit – also der Muskelmasse, der Kraft und dem Körpergewicht – in Verbindung steht.
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Übersicht
Unterschiedliche Kaumuster bei Männern und Frauen
Die Studie untersuchte, ob eine eingeschränkte Kaumuskulatur mit einem allgemeinen Muskelabbau, körperlicher Leistungsfähigkeit und der Körperzusammensetzung bei älteren Erwachsenen zusammenhängt. Frühere Forschungsergebnisse zu diesem Thema waren widersprüchlich, insbesondere weil geschlechtsspezifische Unterschiede nicht ausreichend berücksichtigt wurden.1
Bekannt ist, dass Männer und Frauen unterschiedliche Kau- und Muskelmuster aufweisen: Männer haben in der Regel eine stärkere Kaumuskulatur und eine höhere Muskelmasse, während Frauen oft langsamer und mit weniger Kraft kauen. Zudem neigen Frauen mit eingeschränkter Kaumuskulatur eher dazu, weiche und kalorienreiche Nahrung zu bevorzugen.2 Diese Unterschiede könnten erklären, warum frühere Studien keine einheitlichen Ergebnisse lieferten.
Daher zielte die aktuelle Untersuchung darauf ab, den Zusammenhang zwischen Kauvermögen und Muskelgesundheit getrennt für Männer und Frauen zu analysieren. Zudem wurde zwischen objektiven (messbaren) und subjektiven (selbst eingeschätzten) Kauproblemen unterschieden, um herauszufinden, welche Methode eine zuverlässigere Einschätzung ermöglicht.
Bestimmung der Kauleistung und Körperzusammensetzung
Die Untersuchung basierte auf Daten der vorangegangenen Shizuoka-Studie, einer großen Langzeitstudie in Japan. Für die vorliegende Forschung verwendete man Daten aus dem Zeitraum zwischen Dezember 2021 und März 2024 von insgesamt 1440 Personen, die zum Erhebungszeitpunkt 65 Jahre oder älter waren.3
Erhebung der Kauleistung
- Objektiv: Die Teilnehmenden kauten ein standardisiertes Fruchtgummi-Stück 30 Mal und spuckten die zerkleinerten Reste aus. Die Anzahl der zerbissenen Stücke wurde fotografisch erfasst und mittels Software analysiert.
- Subjektiv: Ein Fragebogen erfasste die Selbsteinschätzung des Kauvermögens von „Ich kann alles essen“ bis „Ich kann kaum kauen“.
Messung der Muskelgesundheit und Körperzusammensetzung
- Skelettmuskelmasse: Erfasst per bioelektrischer Impedanzanalyse.
- Handgreifkraft: Gemessen mit einem Handkraftmesser.
- Gehgeschwindigkeit: Ermittelt auf einem 10-Meter-Weg mit Lichtschranken.
- Fünfmaliger-Aufsteh-Test: Dauer für fünf Wiederholungen aus dem Sitzen.
- Körpergewicht und Bauchumfang: Standardisierte Messungen per Waage und Maßband.
Zusätzlich wurden Ernährungsgewohnheiten mittels Fragebogen erfasst. Statistische Analysen berücksichtigten Alter, Ernährungsfaktoren und andere Einflussgrößen.
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Geschlechtsspezifische Auswirkungen durch verminderte Kauleistung
Die Ergebnisse zeigten deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Verbindung zwischen Kauleistung und körperlicher Gesundheit. So wiesen Männer mit einer eingeschränkten bzw. abgeschwächten Kaumuskulatur eine schwächere Handgreifkraft und eine langsamere Gehgeschwindigkeit auf. Bei Frauen äußerte sich eine verringerte Kaumuskulatur dagegen eher in einem erhöhten BMI und größeren Bauchumfängen.
Die Forscher stießen auf eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis: Rund 40 Prozent der Teilnehmenden mit einer schlechten objektiven Kauleistung schätzten ihr Kauvermögen als normal ein. Dagegen zeigten Personen, die ihr Kauverhalten als problematisch bewerteten, keine statistisch relevanten Zusammenhänge mit Muskelgesundheit oder Körpergewicht auf.
Der Einfluss einer abgeschwächten Kaumuskulatur auf die Gesundheit
Die Studie unterstreicht, dass die Kauleistung eine zentrale Rolle für die Muskelgesundheit und die Körperzusammensetzung bzw. körperliche Leistungsfähigkeit im Alter spielen könnte.
Die Forscher vermuten, dass eine schwache Kaumuskulatur bei Männern möglicherweise eine geringere Proteinaufnahme bedeuten könnte, was den Muskelabbau beschleunigt. Zudem könnte eine verminderte Kauleistung ein Zeichen für eine allgemeine Muskeldegeneration sein, die auch andere Körperbereiche betrifft.
Bei Frauen könnten die Ergebnisse die zuvor erwähnte These unterstützen, dass Kauprobleme zu einer Umstellung der Ernährung führen – möglicherweise hin zu weicherer, kalorienreicherer Nahrung, was eine Gewichtszunahme begünstigt.
Besonders kritisch ist, dass sich viele Menschen ihrer Kauprobleme nicht bewusst sind. Dies könnte zur Folge haben, dass notwendige Anpassungen in der Ernährung oder medizinische Maßnahmen ausbleiben.
Einordnung der Studie
Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse, hat aber auch Einschränkungen. Dadurch, dass es sich um eine Querschnittsstudie handelt, liefern die Ergebnisse keine Hinweise auf Kausalität. Somit bleibt offen, ob eine schwache Kaumuskulatur Muskelabbau oder eine Gewichtszunahme verursacht oder umgekehrt.
Alle Probanden waren körperlich unabhängig und gesund, sodass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf gebrechlichere ältere Menschen übertragbar sind. Außerdem beruht die Abfrage der Nahrungsaufnahme auf Selbsteinschätzungen der Teilnehmer, was zu Ungenauigkeiten führen kann.
Trotz dieser Einschränkungen zeigt die Studie, dass Kauprobleme möglicherweise ein wichtiger, bisher unterschätzter Faktor für Muskelgesundheit und Körpergewicht im Alter sind.

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Fazit
Diese Studie zeigt, dass eine schwache Kaumuskulatur nicht nur die Nahrungsaufnahme erschwert, sondern auch mit Muskelabbau (bei Männern) und Übergewicht (bei Frauen) in Verbindung steht. Besonders besorgniserregend: Viele Betroffene nehmen ihre Kauprobleme gar nicht wahr.
Die Ergebnisse legen nahe, dass die Kaumuskulatur künftig stärker in die geriatrische Medizin und Prävention einbezogen werden sollte. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Maßnahmen – etwa Ernährungsanpassungen oder Kautraining – könnten dazu beitragen, Muskelabbau und Übergewicht im Alter zu verhindern.